Verseuchung durch Chemikalie PCB: Noch mehr Krebsklagen gegen Bayer
Auch diese Monsanto-Altlast könnte den Chemiekonzern Milliarden kosten: US-Städte wie Baltimore wollen Geld wegen Verschmutzung mit PCB.
Die Firma müsse Schadenersatz etwa für die Reinigung des Hafens und eines Sees des 600.000-Einwohner-Orts an der amerikanischen Ostküste zahlen, heißt es in der Klageschrift. Diese nennt zwar keinen Betrag, laut Stadtverwaltung hat Monsanto aber „mindestens zig Millionen Dollar“ Schäden angerichtet. „Die Steuerzahler sind nicht verantwortlich für Monsantos schlechte Taten“, sagte der Leiter der Rechtsabteilung, Andre Davis.
14 ähnliche Klagen liegen der Kommune zufolge bereits von anderen Städten wie San Diego oder Seattle und auch von Bundesstaaten vor. Der Staat Oregon etwa verlangt 100 Millionen Dollar. Monsanto ist darüber hinaus dem neuesten Bayer-Geschäftsbericht zufolge „mit einer Vielzahl von Klagen“ wegen mutmaßlich durch PCBs verursachte Gesundheits- und Vermögensschäden von Personen konfrontiert. Allein 2016 zahlte das Unternehmen für Vergleiche in solchen Fällen nach eigenen Angaben 280 Millionen Dollar.
Damit droht dem Leverkusener Chemiekonzern Bayer ein weiteres milliardenschweres Prozessrisiko, weil er vergangenes Jahr Monsanto übernommen hat. Die US-Tochter muss auch andere gravierende Rechtsstreitigkeiten bewältigen. Besonders prominent sind rund 11.000 Schadenersatzklagen wegen mutmaßlich durch Glyphosat verursachte Krebserkrankungen.
„Monsanto hat diese Tatsachen verheimlicht“
Polychlorierte Biphenyle, kurz PCB, sind industriell erzeugte Chlorverbindungen. Sie wurden zum Beispiel in Elektrogeräten wie Transformatoren und Kondensatoren, als Hydraulikflüssigkeit sowie als Weichmacher in Lacken verwendet. Die Chemikalien gelangten in die Umwelt, indem sie beispielsweise aus Farben ausgasten oder als PCB-haltige Maschinen unsachgemäß entsorgt wurden. Sie sind langlebig, reichern sich in Organismen an und verteilen sich auf der ganzen Welt.
„Im Ergebnis verseuchten PCBs die Straßen, Abflusssysteme, das Regenwasser und Gewässer in Baltimore“, steht in der Klageschrift. Nach Untersuchungen des Bundesstaates Maryland sei das Wasser im Hafen der Stadt und dem Fluss Patapsco so stark mit der Chemikalie belastet, dass es nicht mehr für „menschlichen Gebrauch“ sicher sei. Fisch aus dem Lake Roland der Stadt beispielsweise dürfe deshalb nicht mehr gegessen werden.
Monsanto habe seit Jahrzehnten gewusst, dass PCBs entweichen und dann solche Schäden anrichten können, schreiben die Anwälte der Stadt. Doch „Monsanto hat diese Tatsachen verheimlicht und weiter PCBs produziert“ bis zu deren Verbot in den USA im Januar 1979.
Interne Firmendokumente als Belege
Die Juristen wollen das mit internen Monsanto-Dokumenten aus früheren Gerichtsverfahren belegen. Bereits in einem Vermerk von 1937 habe die Firma festgestellt, dass ihr PCB-Produkt Aroclor zu „systemischen toxischen Effekten“ führe. Später hätten die Manager geschrieben, dass trotz der Gefahren ein Produktionsstopp nicht in Frage komme, weil „zu viel Monsanto-Gewinn“ auf dem Spiel stehe.
Die Anwälte richten ihre Klage gegen Monsanto und zwei aus ihm hervorgegangen Firmen, weil es der größte Hersteller der Substanzen weltweit war – zusammen mit der Bayer AG, die die US-Firma vergangenes Jahr übernommen hat.
Die Stadt beruft sich darauf, dass die US-Umweltbehörde PCBs als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation halte die Chemikalien sogar für eindeutig krebserregend. Laut Umweltbehörde hätten PCBs auch die Fortpflanzungsfähigkeit sowie das Immun-, Nerven- und Hormonsystem von Versuchstieren geschädigt.
Bayer weist Vorwürfe zurück
Bayer teilte der taz auf Anfrage lediglich mit: „Monsanto hat die Produktion von PCB vor mehr als 40 Jahren eingestellt. Wir prüfen derzeit die Klage der Stadt Baltimore, sind aber davon überzeugt, dass die Vorwürfe unbegründet sind und werden uns in diesem Verfahren entschieden verteidigen.“
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