Verschleierungs-Verbot in Schule: Kritik an Ausschluss von Muslimin
Das Urteil gegen eine Schülerin aus Osnabrück, die wegen ihres Nikab von der Schule geworfen wurde, ruft Kritik hervor. Muslimverbände sind gegen ein Verbot.
Die Schule sei für Mädchen aus streng konservativen, islamischen Haushalten oft die einzige Möglichkeit, Kontakt zu Gleichaltrigen aufzunehmen. „Im Unterricht kann sich das Selbstbewusstsein herausbilden, das nötig ist, um entgegen der Familientradition den Schleier abzunehmen“, sagte Hoffmann. Anders sei das bei Lehrerinnen, die ein Vorbild sein müssten und deshalb keinen Nikab tragen könnten. Hoffmann spricht damit allerdings nicht im Namen der niedersächsischen GEW.
GEW hält Gesichtsschleier vor allem für Wahlkampfthema
Der dortige Geschäftsführer Richard Lauenstein hält es für falsch, sich zu dem konkreten Fall zu äußern. „Die Debatte um Burka und Nikab ist künstlich hochgezogen“, sagte Lauenstein. Sie werde geführt, um rechtspopulistischen Parteien wie der AfD bei den anstehenden Wahlen Stimmen abzujagen. „Wir halten das für gefährlich.“ In der Bundesrepublik seien Gesichtsschleier eigentlich kein Problem, sagte Lauenstein.
Die Unionsminister fordern auf Bundesebene ein teilweises Verbot für Gesichtsschleier. Musliminnen sollen in Gerichten, Ämtern, Schulen oder im Straßenverkehr keine Burka und keinen Nikab tragen dürfen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bewertet den Vorschlag zurückhaltend, obwohl sie die Verschleierung für „integrationsfeindlich“ hält. „Beim Thema Vollverschleierung werden wir sorgsam prüfen, welche Handlungsmöglichkeiten verfassungsrechtlich gegeben sind“, sagte sie.
Kritik an dem Vorschlag kommt von der Polizeigewerkschaft, die in Burkas kein Sicherheitsproblem sieht.
Das bestätigt auch die Landesschulbehörde. In Niedersachsen habe es in diesem Jahr nur einen weiteren Fall gegeben, in dem eine Schülerin ihren Gesichtsschleier tragen wollte, sagte Behördensprecherin Bianca Schöneich. „Nach Gesprächen zwischen der Schulleitung und der Schülerin verzichtet sie darauf.“
Gesichtsschleier sind in Schulen nicht grundsätzlich verboten. Auch an der Abendschule Sophie Scholl waren in der Schulordnung weder religiöse Symbole verboten noch gab es Bekleidungsvorschriften. Die 18-Jährige konnte also nicht wissen, dass sie im Nikab an der Schule nicht erwünscht ist, als sie im April zugelassen wurde. Für die Lehrer sei eine Kommunikation jedoch nicht möglich, wenn sie das Gesicht und die Mimik ihrer Schülerin nicht sähen, sagte die Sprecherin Schöneich.
Durch den Ausschluss vom Unterricht fühlte sich die Schülerin in ihrer freien Religionsausübung eingeschränkt. Doch vor Gericht erschien sie wegen des großen Medieninteresses nicht und konnte somit auch nicht darlegen, warum es eine unzumutbare Einschränkung für sie wäre, auf ihren Schleier zu verzichten.
Muslimverbände sind gegen Verschleierung und ihr Verbot
„Deshalb ist das Urteil zu akzeptieren“, sagte die Geschäftsführerin des Ditib-Landesverbands Niedersachsen und Bremen Emine Oğuz. Es sei schade für die junge Frau, da durch den Besuch der Abendschule deutlich sei, dass sie sich weiterbilden wolle. Die Vertreterin der türkischen Moschee-Gemeinden im Land sieht es zwar kritisch, wenn junge Frauen ihr Gesicht verstecken, ist aber gegen ein Verbot: „Das würde diese Menschen weiter ausgrenzen.“
Auch Recep Bilgen, der Vorsitzende der Schura, des Landesverbandes der Muslime in Niedersachsen, gibt sich zurückhaltend, wenn es um ein Verbot an Schulen geht. Er sagt jedoch, es sei „ein Mindestmaß an Voraussetzung für Kommunikation, das Gesicht zu zeigen“. Auch unter muslimischen Theologen sei es weitgehend Konsens, „dass Musliminnen ihr Gesicht nicht zu verdecken brauchen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“