Verschiebung des Transsexuellengesetzes: Die Politik dreht sich im Kreis

Das Transsexuellengesetz macht die Eintragung zur trans Person zum bürokratischen Hürdenlauf. Warum das jüngst ausgebliebene Update ein Desaster ist.

Pictogramme an einer Toilette für alle Geschlechter in Reykjavik

So geht Fortschritt: Piktogramme an einer Toilette für alle Geschlechter in Reykjavik, Island Foto: Tobias Seeliger/snapshot/imago

Der Triebtäter geht wieder um. Kein echter Triebtäter, eine rhetorische Figur: vom gewitzten Mann, der sich amtlich zur trans Frau erklären lässt, um in Frauenräume einzudringen. Ich hatte mich neulich hier lustig gemacht über diese doch sehr deutsche Vorstellung vom bürokratisch korrekten Tunichtgut. Das möchte ich nun zurücknehmen. Nicht, weil das Argument logischer geworden wäre. Ich nehme zurück, dass ich es lustig finde.

Die Idee vom bäue­r*in­nen­schlau­en Triebtäter ist mir erneut begegnet. Es geht schon wieder ums Transsexuellengesetz, ein Gesetz von 1981, das das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren komplett ausgehöhlt hat. Ein neues Gesetz muss dringend her, weniger 1980s-Style, mehr 2020s-Style, das regelt, wie Menschen ihren Geschlechtseintrag möglichst unbürokratisch ändern können.

So weit sind sich alle demokratischen Fraktionen im Bundestag einig – im Weg stehen sie sich dagegen bei der Frage, was „möglichst unbürokratisch“ heißt. An der scheiterte schon ein Entwurf der Regierungsfraktionen Union und SPD und vergangene Woche dann auch einer von FDP und Grünen. Heißt: Vor der Wahl wird das nix mehr.

Wer verfügt über mein Geschlecht?

Es hakt hauptsächlich bei der Begutachtung. Politiktheoretisch würde die entsprechende Frage lauten: „Wer verfügt über mein Geschlecht, das ja Teil meiner Person ist?“ In der Realpolitik lautet sie: „Wie schwer sollten wir es den Leuten trotz allem machen?“ Warum? Wegen dem gewitzten Triebtäter – er ist tatsächlich eins der entscheidenden Argumente. Vom „Triebtäter, der die Regelung ausnutzt, um sich Zugang zur Frauen-Umkleidekabine zu verschaffen“, spricht etwa ein CDU-Politiker gegenüber dem Spiegel. Das Magazin zitiert zudem aus internen Mails der Linken, die ähnlich argumentieren.

Die Idee vom Triebtäter, den allzu liberale Personenstandgesetze dazu befähigen, Frauenschutzräume zu perforieren, ist ein ideologisches Scharnier zwischen Gruppen, die sonst nichts miteinander zu tun haben: Konservativen, die einfach ungern Gesetze lockern; Rechten, die explizit transphob sind; Teilen der Frauenbewegung, die vielleicht implizit transphob sind, vielleicht aber wirklich berechtigte Sorgen haben, denen bloß auf diese Weise nicht begegnet werden kann.

Weniger Hürden

Es ließen sich, ohne trans Menschen zu gängeln, bürokratische Barrieren einbauen, die verhindern, dass irgendwelche Typen nach der Junggesellenparty das Standesamt mit Jux-Personenstandsanträgen trollen. Zumutbare Fristen zum Beispiel. Dennoch darf der mögliche Missbrauch von Rechten durch Dritte nie zulasten derer gehen, denen diese Rechte zustehen. Vor allem aber gehört der Diskursknoten „Triebtäter“ zerschlagen.

Solange in den Köpfen die Gleichung gilt: „mehr Transrechte = weniger cis Frauenrechte“, bewegt sich nichts. Sondern wir bleiben hängen auf Gender-Gesetzen aus einer Zeit, in der Gottlieb Wendehals mit „Polonäse Blankenese“ in den Charts war.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.