Verschiebung der Bundestagswahl: Das Ampel-Aus macht Volksinitiativen das Leben schwer
Die vorgezogene Bundestagswahl bringt zwei Hamburger Volksinitiativen in eine vertrackte Situation. Nun wird es mit einem Erfolg ziemlich schwierig.
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E igentlich hätten die Aktivist:innen zweier Hamburger Volksinitiativen bis in den Sommer nächsten Jahres hinein eine recht entspannte Zeit gehabt. Hier und da mal etwas Werbung für die eigene Sache machen, ab und an manchen Kritiker:innen des Anliegens entgegentreten, aber ansonsten viel Ruhe. Doch dann kam Scholz.
Denn das Ende der Ampel-Regierung und die Ankündigung der vorgezogenen Bundestagswahl haben unmittelbare Auswirkungen auf den angestrebten „Hamburger Zukunftsentscheid“ und die Volksinitiative „Hamburg testet Grundeinkommen“. Beide stehen im Spätsommer 2025 ohne eine zeitgleich stattfindende Wahl da, die wohl sichergestellt hätte, dass sich genügend Leute an der Abstimmung beteiligen. Das bringt beide Aktivist:innen-Gruppen in eine vertrackte Situation.
Erst am Dienstag gab der Hamburger Senat bekannt, dass „Hamburg testet Grundeinkommen“ den letzten Schritt vor einer Abstimmung geschafft hat: Binnen drei Wochen haben die Aktivist:innen mehr als die 66.000 für ein Volksbegehren nötigen Unterschriften gesammelt. Die Initiative will in einem dreijährigen Modellversuch ein Grundeinkommen für 2.000 Hamburger:innen erproben lassen.
Und auch die Aktivist:innen um Fridays for Future haben, auch wenn es der Senat noch nicht offiziell bekannt gegeben hat, diesen Schritt geschafft – sogar 106.000 Unterschriften haben sie in den ersten drei Oktoberwochen gesammelt. Mit ihrem Zukunftsentscheid wollen sie das bestehende Hamburger Klimaschutzgesetz verschärfen.
Es braucht maximale Mobilisierung
Beide Vorhaben sollten, so hatten das die Aktivist:innen anvisiert, im kommenden September zur Abstimmung stehen – parallel zur regulären Bundestagswahl. Auch das Hamburger Volksabstimmungsgesetz sieht vor, dass Volksentscheide parallel zur Bürgerschafts- oder Bundestagswahl stattfinden sollen.
Nur wird es nach gegenwärtigem Stand keine Bundestagswahl im Spätsommer 2025 geben. Und dass die angestrebten Volksentscheide wie die Bundestagswahl auch auf den kommenden März vorgezogen werden, geht rechtlich nicht, da Fristen beachtet werden müssen, bestätigt Hamburgs Landeswahlleiter Oliver Rudolf der taz.
Statt bis zur übernächsten Bürgerschafts- oder Bundestagswahl zu warten, werden beide Initiativen wohl dennoch für den Spätsommer Volksentscheide beantragen; die Möglichkeit steht ihnen dem Gesetz nach offen. Nur: Die Erfolgschancen sind damit dramatisch gesunken.
Denn damit ein Volksentscheid durchkommt, muss mindestens ein Fünftel der Hamburger Wahlberechtigten an der Abstimmung teilgenommen haben. Das sind rund 265.000 Menschen.
Zeitgleich zu einer Parlamentswahl wäre das kein Problem, doch spazieren genügend Hamburger:innen an jenem Tag wirklich nur für Volksentscheide ins Wahllokal oder kümmern sich zuvor um ihre Briefwahlunterlagen? Zweifel daran sind angebracht, denn weder die lokale Klimapolitik noch die Diskussionen über das Grundeinkommen genießen, derzeit, sonderlich große Aufmerksamkeit.
Gemeinsamer Termin könnte helfen
Zu vermuten ist, dass beide Initiativen sich zu einem gemeinsamen Abstimmungstag entschließen. Das würde Synergieeffekte schaffen: Wer fürs Klimaschutzgesetz zur Wahl geht, wird dann auch über das Grundeinkommen abstimmen und andersrum.
Nur: Selbst die Zahl der im dreiwöchigen Volksbegehren gesammelten Unterschriften zusammengenommen kommt nicht annähernd auf das benötigte Quorum. Und: Beide Anliegen finden vor allem im links-liberalen Milieu Unterstützung – die Zahl derer, die im Volksbegehren für beide Anliegen unterschrieben haben, dürfte hoch sein.
Die Initiativen müssen sich nun Gedanken machen, wie sie darauf strategisch reagieren. Sie werden deutlich früher mit der Mobilisierung beginnen und über das eigene Milieu hinaus überzeugend darlegen müssen, warum es sich lohnt, für ihre Vorhaben zur Abstimmung zu gehen.
Wie schwierig das ist, zeigte sich im vergangenen Jahr in Berlin. Dort scheiterte ein Volksentscheid über die Berliner Klimapolitik, weil das Beteiligungsquorum deutlich verfehlt wurde.
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