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Verschärftes Sexualstrafrecht in IndienMänner klagen über harte Strafen

Vor zwei Jahren löste die Massenvergewaltigung einer Frau Entsetzen aus. Seitdem werden in Indien schärfere Strafen verhängt. Einige Männer fühlen sich als Opfer.

Demonstration nach einer Vergewaltigung in Bangalore. Bild: dpa

NEU DELHI dpa | Alok Verma sieht sich als Opfer einer Intrige – und der neuen schärferen Gesetze, mit denen Indien seit einiger Zeit Vergewaltiger bestraft. Um ihn loszuwerden, hätten die Eltern seiner damaligen Freundin die Tochter gezwungen, ihm eine Vergewaltigung anzuhängen, erzählt der 29-Jährige. Seinen Job in einer Softwarefirma aus einem Vorort Neu Delhis habe er verloren. Die Klage wurde erst zurückgezogen, nachdem er sich von der Tochter getrennt habe. Doch „das Stigma der Vergewaltigung bleibt jahrelang haften“, sagt er.

Nach der Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau vor zwei Jahren protestierte die erschütterte Bevölkerung und machte so viel Druck auf die Regierung, dass diese das Sexualstrafrecht verschärfte. Das Parlament verabschiedete ein Gesetzespaket, das härtere Strafen für sexuelle Gewalttäter vorsieht, darunter auch die Todesstrafe in besonders schweren Fällen. Vergewaltigungsfälle werden in Schnellgerichten verhandelt, Klagen ohne vorherige Ermittlungen nachgegangen.

Indiens Sexualstrafrecht sei diskriminierend und führe einige Männer zum Suizid, prangern Kritiker an. Immer mehr Frauen missbrauchen demnach die Justiz mit falschen Klagen. Sie wollen damit nach Ansicht der Kritiker Geld erpressen oder eine Heirat erzwingen. Während die Klagewelle anschwellt, nimmt die Zahl der tatsächlich Verurteilten ab.

In Indiens Hauptstadt Delhi stellten Gerichte im vergangenen Jahr ein Fünftel der 1636 Fälle ein, weil die Klägerinnen ihre Aussagen zurückzogen, wie aus Recherchen der Zeitung The Hindu hervorgeht. Bei 40 Prozent der Fälle urteilten die Gerichte, es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt. Weitere 25 Prozent der Klagen richteten sich gegen Männer, die nach dem Sex Heiratsversprechen gebrochen hätten. Sex vor der Ehe ist in Indien verpönt. Doch weil immer mehr junge Inder nicht mehr bei ihren Eltern leben und in Städte ziehen, nimmt dieser Trend zu.

Kritik von Frauenrechtlern

Doch Frauenrechtler warnen: Das Phänomen der falschen Klagen dürfe nicht von den massiven Problemen ablenken, die Indien mit der Gewalt gegen Frauen habe, sagt die Aktivistin Kavita Krishnan. Nach wie vor gebe es eine hohe Dunkelziffer bei Vergewaltigungen.

Auch Assistenzprofessor Salman Alvi wurde angeblich Opfer einer fingierten Klage. „Die Anschuldigungen haben meine Karriere zerstört und mich in Depressionen gestürzt.“ Seine damalige Freundin wollte mit einer Klage die Heirat erpressen, sagt er. Er sei nicht darauf eingegangen und landete wegen der Anschuldigungen für zwei Wochen hinter Gitter. Gegen eine Kaution wurde er zwar wieder freigelassen, doch: „Niemand möchte mehr mit mir sprechen. Ich bin ein Ausgestoßener“, berichtet Alvi.

In den seltensten Fällen würden Frauen wegen falscher Klagen bestraft, sagt Naveen Sharma, Staatsanwalt in Neu Delhi. Denn die Richter wollten echte Opfer nicht abschrecken.

Selbstmord bei Ehemännern

Ein weiteres Gesetz, dass nach Ansicht des Obersten Gerichts zunehmend von „unzufriedenen“ Frauen missbraucht werde, soll sie eigentlich vor verbotenen Mitgiftforderungen der Männer und ihrer Familien schützen. Aus Statistiken geht hervor, dass 200.000 Menschen 2012 wegen angeblicher Mitgifterpressungen festgenommen wurden – aber nur 15 Prozent von ihnen wurden verurteilt.

Laut Statistiken indischer Männerrechtler bringen sich jedes Jahr mehr als 60.000 Ehemänner um, zweimal so viele wie bei Frauen. Auch der angeprangerte Missbrauch der Gesetze sei ein Grund. Sie fordern, die Gesetze geschlechtsneutral zu formulieren.

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10 Kommentare

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  • Hilfreich könnte in dem Zusammenhang auch sein, die sexistische Doppelmoral, das Kastenwesen und die Mitgifttradition endlich abzuschaffen. Ähnliche Traditionen in anderen Ländern sollten auch hinterfragt werden. Dann wäre Sexualität kein Mittel der Politik mehr. Für und gegen Niemanden. Doch solange noch nicht einmal Kinder vor der Rachsucht und den Zuschreibungen der Menschen sicher sind, wird das wohl schwierig.

  • Oh, kaum setzt in der taz mal jemand die Begriffe "Mann" und Opfer in Bezug, wird in der Kommentarspalte munter geblockt. Aaaber "Frauen" bringen ja die viel größeren "Opfer". Mich kotzt dieses sexistische Aufwiegen gewaltig an. Kann man sich nicht mal darauf verständigen, dass es sich bei Männern wie auch Frauen um Menschen handelt, deren Existenzen zerstört, gar Leben vernichtet werden? Selbst im Artikel wird die Redlichkeit nicht nur des zitierten Assistenzprofessors massiv in Zweifel gezogen, sondern gleich aller protestierenden Männer, die sich als Opfer "fühlen", nicht etwa Opfer sind. Zweifel bleiben anscheinend immer, wenn Kerle den Mund aufmachen. Was Wunder also, wenn auch hierzulande kaum ein Mann eine Anzeige wegen z.B. erfahrener häuslicher Gewalt erstattet. Und zur Berichterstattung vor der eigenen Haustür brauche ich wohl kaum mehr ein weiteres kritisches Wort verlieren.

  • 6.) „Indiens Sexualstrafrecht sei diskriminierend und führe einige Männer zum Suizid, prangern Kritiker an.“ Indiens RECHT ist diskriminierend und führt seit Jahrhunderten zehntausende Mädchen und Frauen in den sozialen und tatsächlichen Tod.

     

    7.) „Immer mehr Frauen missbrauchen demnach die Justiz mit falschen Klagen.“ Zahlen? Nachweise? Vor welchem Hintergrund gibt es angeblich steigende Klagen? Dass eine Änderung des Sexualstrafrechts und mehr öffentliche Aufmerksamkeit gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen die Zahl der Klagen steigen lässt, ist naheliegend. Ob es sich tatsächlich um immer mehr „falsche Klagen“ handelt, oder ob dies der – auch in Deutschland gängige –Abwehrreflex einer veralteten patriarchalen Kultur ist, ist ohne genauere Informationen nicht auszumachen.

    • @Lilly Maier:

      Meine Fresse!

      `...auch in Deutschland gängige Abwehrreflex....`

      Alle Männer lügen und haben immer Unrecht. Im Ernst?

  • 4.) Die angeführten Zahlen sagen rein gar nichts aus. Wir wissen überhaupt nichts über die näheren Hintergründe, warum angeblich „ein Fünftel der Klägerinnen ihre Aussagen zurückzogen“. Gründe könnten – neben der wohlfeilen Erklärung der Falschbeschuldigung – auch familiärer Druck oder unangemessener Umgang der Polizei mit einer Anzeige sein. Ebenfalls null Aussagewert haben die angeblich 40 Prozent, bei denen „die Gerichte urteilten, es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt“. Hält man sich die indische Gesellschaftsordnung und die bisherige Einstellung zu Vergewaltigungen von Mädchen und Frauen vor Augen, dann benötigt man nicht viel Phantasie hinsichtlich der Maßstäbe, nach denen indische Gerichte „einvernehmlichen“ von „nicht einvernehmlichem“ Sex unterscheiden.

     

    5.) „Niemand möchte mehr mit mir sprechen. Ich bin ein Ausgestoßener“, berichtet ein Arzt, der angeblich zu Unrecht beschuldigt wurde. Die Zahl der Mädchen und Frauen, die in Indien Ausgestoßene sind, weil sie vergewaltigt wurden, geht in die Zehntausende. Vor dem Hintergrund der indischen Sozialstruktur bedeutet das den Tod für diese Mädchen und Frauen.

  • 1.) Zunächst einmal ist es GRUNDSÄTZLICH problematisch für ein Rechtssystem, wenn „in Schnellgerichten verhandelt, Klagen ohne vorherige Ermittlungen nachgegangen“ wird. Das kann man nicht den Frauen anlasten.

     

    2.) Generell müssen (behauptete) Vorkommnisse wie Erpressung zur Heirat oder Schutz vor verbotenen Mitgiftforderungen (der Männer und ihrer Familien!) genau vor dem Hintergrund der miserablen, in weiten Teilen rechtlosen Stellung der Mädchen und Frauen im indischen Gesellschaftsgefüge beurteilt werden. Wo schon immer Unrecht herrscht und es keine Möglichkeit gibt, diesem zu entkommen, bilden sich überall unausgesprochene Parallelstrukturen, unabhängig vom Geschlecht.

     

    3.) „Nach den Gesetzen kann es sich auch um eine Vergewaltigung handeln, wenn sich die Frau gar nicht körperlich gegen den Sex wehrt“. Allein dieser Satz wirft ein bezeichnendes Licht auf die dahinter liegenden Vorstellungen: Wären Mann und Frau gleichberechtigt, dürften nur einvernehmliche sexuelle Kontakte als in Ordnung gelten. Und ein bloßes „Nein!“ eines der beiden Beteiligten wäre ausreichender Ausdruck der Nicht-Einvernehmlichkeit. Wo sich eine Frau „gegen den Sex wehrt“ – egal ob körperlich oder nicht – ist das erzwungener Sex und das kann man durchaus als Vergewaltigung bezeichnen.

  • "Nach den Gesetzen kann es sich auch um eine Vergewaltigung handeln, wenn sich die Frau gar nicht körperlich gegen den Sex wehrt."

     

    Allen Ernstes? Die TAZ formuliert so, dass der Leser annehmen darf, Vergewaltigung sei nur "echt", wenn es koerperlichen Widerstand gaebe?

    • Lalon Sander , Autor*in , Datenjournalist
      @BigRed:

      Danke für diesen Hinweis. Der Korrespondenten-Text wurde von der Nachrichtenagentur dpa geliefert und uns ist der Satz beim Bearbeiten leider nicht aufgefallen. Wir haben ihn ersatzlos gestrichen.

  • Merkwürdiger Text. Die wichtgste Information ist wie beiläufig im letzten Satz versteckt: "Sie fordern, die Gesetze geschlechtsneutral zu formulieren."

     

    Tja. Wenn eine nicht gechlechtsneutreale Formulierung von Gesetzen im Sexual- und Familienrecht nicht diskriminierend ist - was dann?

     

    Und wenn selbst Feministinnen "Das Phänomen der falschen Klagen"

  • Wie immer bei Polit-Aktionismus. Größerer gesetzlicher Unsinn als zuvor - damals lag es ja mehr an der Verfolgung und Durchsetzung.