Versandhandel im Internet: Zalando schreit sich an die Börse

Europas größter Online-Modehändler will für Hunderte Millionen Euro Aktien verkaufen. Nicht nur Gewerkschaften sehen die Expansion mit Argwohn.

Logistikzentrum des Unternehmens in Erfurt. Bild: dpa

BERLIN taz | Vor sechs Jahren verkaufte Zalando noch Flip-Flops, am Mittwoch kündigte Europas größter Onlinemodehändler den Börsengang für diesen Herbst an. Gelingt der Plan, wäre Zalando der größte Börsengang eines Internet-Unternehmens in Deutschland seit der Jahrtausendwende, dem Zusammenbruch des Neuen Marktes. Mit der Emission bekomme Zalando die „nötige Flexibilität, um unsere langfristigen Wachstumsambitionen weiterzuverfolgen“, sagte Vorstand Rubin Ritter zu den Börsenpläne. Angeblich will der Konzern auf dem Parkett über 500 Millionen Euro erlösen – und damit weiter expandieren.

Zalando hat inzwischen 7.400 Mitarbeiter und ist durch schrille TV-Werbung („Schrei vor Glück“) bekannt. Im zweiten Quartal gab es 10,4 Millionen Bestellungen mit einer Höhe von im Schnitt 65,70 Euro – nach Abzug von Stornierungen. 30 Prozent der Orders werden bereits per Smartphone oder Tablet-PCs abgewickelt. Künftig soll Kleidung abfotografiert und dann per App ein entsprechendes Angebot angezeigt werden können. Größter Zalando-Aktionär ist der schwedische Finanzinvestor Kinnevik mit 36,5 Prozent, gefolgt von den Brüdern Oliver, Alexander und Marc Samwer mit 17 Prozent.

Doch der Boom von Zalando und anderen Onlinehändlern geht auch auf Kosten des stationären Einzelhandels. Laut einer Umfrage des Handelsverbands HDE leiden vor allem die Geschäfte in den Innenstädten. Knapp drei Viertel aller befragten Händler berichteten über sinkende Besucherzahlen in ihren Läden. Wenn Ladenschlusszeiten nicht geändert, die Gewerbesteuer nicht gesenkt oder die Verkehrsanbindungen nicht verbessert würden, „könnten bis zum Jahr 2020 rund 50.000 Standorte vom Markt verschwinden“.

Auch viele Arbeitnehmervertreter verfolgen die Expansion Zalandos mit Argwohn. Onlinehandel ist zwar für viele Verbraucher eine praktische Sache: niedrige Preise, die Einkäufe kommen per Post nach Hause, wenn etwas nicht gefällt, wird es wieder zurückgeschickt.

Hoher Druck auf Mitarbeiter

Doch offenbar leiden die Mitarbeiter unter den rüden Arbeitsbedingungen bei Zalando. Die Anfangslöhne beim Onlinehändler sollten im April von 8,79 auf 9 Euro pro Stunde angehoben werden. In Erfurt, dem größten der drei deutschen Logistikzentren, arbeiteten damals 80 Prozent der 2.000 Mitarbeiter mit Ein-Jahres-Verträgen. Erst vor wenigen Wochen wurde in Brieselang (Brandenburg) der erste Zalando-Betriebsrat gewählt. Laut einer Umfrage der Gewerkschaft Ver.di litten drei Viertel der Zalando-Mitarbeiter unter hohem Druck, die Hälfte konnte sich nicht vorstellen, länger als zwei Jahre im Konzern zu arbeiten.

Ob sich die Zalando-Aktie für die Käufer rentieren, ist indes unklar. Zalando hat zwar angeblich 13 Millionen Kunden, fuhr aber im ersten Halbjahr 2014 bei einem Umsatz von 1,047 Milliarden Euro nur einen Mini-Gewinn von 12 Millionen Euro ein. Im Halbjahr zuvor war es noch ein Verlust von 109 Millionen Euro.

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