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Verordnung zum SpritverbrauchDie Autolobby macht es sich selbst

Seit Mai 2012 gilt ein neues System, um die Effizienz von Pkws zu kennzeichnen. Die Richtlinie kommt direkt von den Autokonzernen.

Daimler-Chef Dieter Zetsche weist Angela Merkel den Weg. Bild: dpa

Als die Bundesregierung im Jahr 2010 eine neue Verordnung für die Kennzeichnung des Spritverbrauchs von Autos plante, hatten viele deutsche Hersteller ein Problem. „Insbesondere erreichen wichtige Energiesparkonzepte der Marke Volkswagen und der Marken des Daimler-Konzerns nicht die Effizienzklasse A. Diesen Tatbestand halten wir für kontraproduktiv“, schrieben zwei Vorstände von Daimler und VW an den damaligen CDU-Umweltminister Norbert Röttgen.

Doch statt den Verbrauch ihrer Autos zu reduzieren, wollte die Industrie die Richtlinie so verändern, dass ihre Autos besser abschneiden. Das geht aus Dokumenten des Wirtschaftsministeriums hervor, deren Veröffentlichung die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor Gericht erstritten hat.

Mit ihren Forderungen setzte sich die Industrie weitgehend durch. Als die neue Verordnung eineinhalb Jahre später tatsächlich in Kraft trat, hatte sie sich an einer entscheidenden Stelle verändert: Statt von A (gut) bis G (schlecht) zu laufen, begann die Skala, die Verbraucher über die Energieeffizienz eines Autos informiert, von Anfang an bei A+.

Die Anforderungen für das Label A, das von Verbrauchern intuitiv als am besten verstanden wird, wurden dafür wie von der Industrie gewünscht abgesenkt – mit dem Ergebnis, dass die Modelle deutscher Autohersteller die Anforderungen dafür leichter erfüllen konnten.

Mit dieser Entschärfung konnte die Autolobby ein Projekt abschließen, das sie selbst initiiert hatte. Schon der erste Entwurf für die Richtlinie stammte offenbar komplett von der Industrie. „Wir sind uns mittlerweile mit dem BMWi [Bundesministerium für Wirtschaft, Red.] über einen konkreten Vorschlag einig“, schrieb der Verband der Automobilindustrie (VDA) am 19. Februar 2010 an den Staatssekretär des Verkehrsministeriums. Nun gehe es darum, „auch das BMU [Bundesumweltministerium, Red.] für diesen Vorschlag zu gewinnen“. Man bitte deshalb darum, auf eine schnelle Einigung zu drängen.

Nur ein Autor: Die Automobilindustrie

Der angehängte, angeblich schon mit dem Wirtschaftsministerium abgestimmte Entwurf stammt vom Januar 2010 und hat genau einen Autor: den „Verband der Automobilindustrie“. Den Grund für die Initiative kommuniziert der VDA offen: Man wollte damit einer strengeren Richtlinie der EU zuvorkommen, die weniger Rücksicht auf deutsche Interessen nehmen würde.

Vor diesen Schreiben gibt es im Wirtschaftsministerium nach eigenen Angaben keinerlei Unterlagen zur Richtlinie. Für DUH-Geschäftsführer Jürgen ist darum klar, „dass die Autolobby für das Wirtschaftsministerium die Grundzüge der Rechtsverordnung verfasst hat“. Später übernahm der VDA sogar die Vermittlung zwischen den einzelnen Ministerien. „Das muss dem BMU noch mitgeteilt werden, sonst rechnet es falsch“, warnt VDA-Abteilungsleiter Martin Koers in einer Mail ans Wirtschaftsministerium. Und „BMU könnte sich vorstellen, so etwas zu prüfen“.

Regierung als „Handlanger der Industrie“

DUH-Chef Resch ist von den Aktenfunden erschüttert: „Sie zeigen, dass die Regierung zum Handlanger der Industrie degradiert wurde.“ Sein Verband will als Konsequenz Beschwerde bei der EU einlegen und Sonderkonditionen von Autoherstellern für Politiker verbieten lassen.

Das Wirtschaftsministerium hält die Kritik der DUH hingegen für die „übliche Empörungsrhetorik“. Die Effizienzrichtlinie sei „eine ausgewogene Neuregelung, bei der die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten berücksichtigt worden sind“, teilte eine Sprecherin mit. Auf die konkrete Frage, ob sich das Ministerium den Entwurf des VDA komplett zu eigen gemacht hatte, gab es keine Antwort.

Auch der VDA selbst sieht in seiner erfolgreichen Einflussnahme naturgemäß kein Problem. „Es ist gute und bewährte Praxis, dass von Gesetzesentwürfen betroffene Branchen und gesellschaftliche Gruppen ihre fachlichen Bewertungen und Informationen zur Verfügung stellen“, teilte der Verband mit.

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12 Kommentare

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  • P
    P

    Du bist aber ein echt lustiger Herr Mirwalt, dem deutschen Spießer das Autofahren verbieten zu wollen. Und die nicht spießigen dürfen weiter fahren? Und Italiener, Türken, Franzosen.... dürfen die alle weiter fahren? Es geht ja um den "Deutschen Spießer"

    Und wenn dann alle Spießer Rad fahren? Aber wahrscheinlich bist Du ein spießiger Radfahrer, bestimmt ein deutscher.....

  • Regierungen werden völlig überbewertet - die Konzerne übernehmen doch schon ihre Arbeit!

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Man sollte die Automobilindustrie zerschlagen und dem deutschen Spießer das Autofahren verbieten.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde gegenüber den Autofahrern nichts als Verachtung.

    • @Stephan Mirwalt:

      Sind sie eigentlich ein Bot?

  • G
    gast

    Was soll man noch sagen:

    Doping

    Spitzelei

    Medienmonopole

    perfekter Lobbyismus

    Arbeitsmarkt

    uswusf.

     

    War alles, alles zu erwarten. Vorhersehbar. Und wird so weitergehen.

     

    Wenn nicht doch noch ein Wunder geschieht. Und der große Lümmel endlich mal aufwacht.

  • Wer wollte denn so ein Label?

    Die Umweltverbände.

     

    Für wen ist so ein Label?

    Für Neuwagenkäufer die durch die Angabe "Verbraucht nach 5L Diesel pro 100km" interlektuell überfordert sind, für Kunden denen man sagen muss ob 5L/100km gut oder schlecht sind.

     

    Kann man sagen ob 5L Diesel/100km gut oder schlecht sind?

    Nein. Für einen Smart ist es schlecht. Für einen Scharan der auch in der Lage ist im Schwarzwald vollbeladen nicht zum Verkehrshindernis zu werde ist es ein phänomenaler wert.

     

    Gibt es ein rationalen Ansatz wie man das bewertet?

    Nein. Das wäre so kompliziert wie die Weltformel. Was soll man bewerten? Sitzplätze? (ist ein 911er dann allen erstes ein Viersitzer) Kofferraumvolumen? Fahrzeuglänge? Man merkt, es wird unendlich kompliziert. Ein ähnlich bescheidener Alternativansatz wie das Fahrzeuggewicht war übrigends die Fahrzeuglänge.

     

    Ist das ganze Notwendig?

    Nein. Der Verbraucher hat den NEFZ. Der ist nicht perfekt, aber da das Ökolabel beim Verbrauch eh auf den NEFZ basiert, kann er das Ergebnis nur verschlechtern. Der Verbraucher kann den NEFZ nehmen und die für ihn in Betracht nehmenden Autos vergleichen. Eine Ampel kann ihm da nicht helfen. Am Ende rechtfertigt Sie nur Autos für Leute die eigentlich U-Bahn fahren sollten (Smart-Fahrer). Wichtig wäre es den NEFZ zu reformieren und komplexer zu machen. Hier geht es aber um weitere versimplifizierung eines komplexen Sachverhaltes.

     

    Wen kann man am ende etwas vorwerfen?

    Den Umweltverbänden. Die haben die bekloppte Idee ein solches Umweltlabel einzuführen in die Welt gesetzt.

    • @Tim Leuther:

      Es mag schon richtig sein, dass so ein Label ziemlich sinnfrei ist. Trotzdem hat seine Existenz die Autolobby so stark beunruhigt, dass sie ihren Einfluss geltend gemacht hat. Und das ihr das so problemlos gelungen ist, dass Ministerien wie das BMWi dabei so willig kooperieren, das ist das Problem bei der ganzen Sache!

      • @Captain Knorke:

        Man kann sich über die Lobbyisten der Industrie aufregen die es manipuliert haben. Man kann sich über die Lobbyisten der Ökoverbände aufregen die das Label initiiert haben.

         

        Wenn kein Sinvolles Kriterium für "Nutzwert" exsistiert - und genau die verhältnissetzung und Bewertung des Koeffzienten "Nutzwert" zu "NEFZ-Verbrauch" und die Verampelung dieses Koeffizienten ist ja die Idee dieses Labels, dann muss man sich nicht wundern wenn die Industrie vorschläge macht.

         

        Die ganze Idee ist so wirr, es gibt ja keine "logische" oder "richtige" Lösung gegen die die Industrie hätte anoponieren müssen - auch wenn die Umweltverbände es suggerieren. Auch die Umweltverbände haben keinen überzeugenden Ansatz.

  • G
    gast

    Verbot von Unternehmensspenden an Politische Parteien!

  • DA
    Die Arroganz der Macht

    „Es ist gute und bewährte Praxis, dass von Gesetzesentwürfen betroffene Branchen und gesellschaftliche Gruppen ihre fachlichen Bewertungen und Informationen zur Verfügung stellen“

     

    Für das Wahlvieh klingt das wie Hohn. Zumindest muss Wirtschaftsminister Dr. med. Philipp Rösler gehen. Geil!

  • G
    Golfer

    Ein nettes Beispiel für das Gehabe der gesamten Deutschen Industrie. Warum sich Politiker zu Erfüllungsgehilfen der Großkonzerne machen, anstatt ihr Mandat zum Wohle der Bürger Deutschlands auszuüben, wirft Fragen auf!

    Vor einigen Tagen wurde VW zum Forschungsweltmeister gekürt. Wird hier nach der Schmerzgrenze geforscht, wieviel Geld man in die Politik pumpen kann ohne dass es staatsrechtliche Konsequenzen hat oder das politische System instabil wird?

    • @Golfer:

      Na, vom Standpunkt der Wirtschaftslobbyisten her betrachtet, funktioniert doch das politische System stabil.

      Sowas wie gefällige Titel und Kürungen sind doch nur gängige Praxis.