Vermutlicher C-Waffen-Anschlag in Syrien: Angriff war „fake news“ für Russland
Syrische Aktivisten verweisen auf Dutzende Tote. Russland stuft den Vorfall dennoch als Fälschung ein. Die Lage zwischen Washington und Moskau spitzt sich zu.
New York/Damaskus dpa | Russland hat die mutmaßliche Giftgasattacke in Syrien als einen von Rebellen inszenierten Vorfall eingestuft und unabhängige Experten eingeladen, sich selbst ein Bild vor Ort zu machen. Berichte über den mutmaßlichen Angriff, bei dem Aktivisten zufolge am Samstag mehr als 150 Menschen getötet und rund 1000 verletzt wurden, seien „fake news“, sagte Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja. In einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats griffen er und seine US-Kollegin Nikki Haley sich am Montag direkt an.
Vertreter der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) riefen Nebensja auf, am Dienstag in die von Rebellen kontrollierte Stadt Duma in Ost-Ghuta zu reisen, wo der Vorfall stattfand. Russische Ermittler hätten keine Belege für einen solchen Angriff gefunden, auch Bewohner hätten keinen chemischen Angriff bestätigt. „Wir begrüßen diesen Besuch so bald wie möglich“, sagte Syriens UN-Botschafter Baschar al-Dschafari.
Die USA machen Präsident Baschar al-Assad für den mutmaßlichen Angriff verantwortlich und schließen militärische Schritte gegen die syrische Regierung nicht aus. US-Präsident Donald Trump kam am Abend mit seinen Militärberatern zusammen, wollte sich aber nicht zu den möglichen Plänen äußern. „Wir werden heute Abend entscheiden oder sehr bald danach. Sie werden unsere Entscheidung erfahren“, sagte Trump vor laufenden Kameras. „Wir können solche Gräueltaten nicht zulassen.“
Die fast dreistündige Sitzung des Weltsicherheitsrats endete zunächst ergebnislos. In Umlauf war aber ein Resolutionsentwurf der USA, mit dem eine Untersuchungskommission namens UNIMI geschaffen werden soll. Diese unabhängige Gruppe würde zunächst ein Jahr lang den Einsatz von Chlorgas und anderen toxischen Chemikalen in Syrien untersuchen.
UN-Sondergesandter fürchtet „verheerende Konsequenzen“
Unklar war am Montag, ob und wann es zu einer Abstimmung über die Resolution kommen könnte. Der Vorfall vom Samstag in Duma wird darin als Chemiewaffenangriff eingestuft und verurteilt. Nebensja erklärte nach Angaben russischer Medien, der Entwurf enthalte mehrere „inakzeptable Elemente“.
Zuvor hatte der Joint Investigative Mechanism (JIM), ein Team aus Experten der Vereinten Nationen und OPCW, den Einsatz von Chemiewaffen in dem Bürgerkriegsland untersucht. Das Mandat lief im vergangenen November jedoch ab, nachdem Russland eine Verlängerung mehrfach mit seinem Veto gestoppt hatte.
Der UN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura sah sich zu ungewöhnlich weitgehenden Aussagen gezwungen. „Ich habe einen Punkt erreicht, wo ich zum ersten Mal seit vier Jahren Sorge über die internationale Sicherheit ausdrücke“, sagte er via Videotelefon. Mehr als jemals zuvor im Syrien-Konflikt drohten die Interessen regionaler und globaler Mächte zu „absolut verheerenden Konsequenzen“ zu führen. Der Sicherheitsrat müsse die internationale Ordnung aufrechterhalten und den Vorfall „um Gottes Willen“ untersuchen lassen.
Das Verhältnis der USA und Russlands schien im Sicherheitsrat einen neuen Tiefpunkt erreicht zu haben. UN-Botschafterin Haley warf Moskau vor, „Blut syrischer Kinder an den Händen“ zu haben. Ihr russischer Kollege Nebensja sagte: „Sie irren, wenn Sie glauben, dass Sie Freunde haben. Ihre angeblichen Freunde sind nur diejenigen, die nicht Nein zu Ihnen sagen können.“ Er drohte, künftige Ratssitzungen zu unterbrechen, wenn Haley Russland noch einmal als „Regime“ bezeichne. Diese Formulierung hatte Haley mehrfach verwendet.
Ein Angriff von Israel spitzte die Lage weiter zu
Das US-Militär hatte vor einem Jahr die syrische Luftwaffenbasis Schairat beschossen als Reaktion auf den Giftgasangriff mit Dutzenden Toten auf die Stadt Chan Scheichun, für den UN-Experten die Regierung von Assad verantwortlich machten. Das Eingreifen der USA galt aber weitgehend als symbolisch.
Ein schwerer Raketenangriff auf einen syrischen Militärflugplatz, für den Syrien, Russland und der Iran einstimmig Israel verantwortlich machen, spitzte die Lage weiter zu. Bei der Bombardierung wurden mindestens 14 Angehörige der syrischen Armee und verbündeter Milizen getötet. Unklar blieb, ob es einen möglichen Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Giftgasangriff gibt. Die israelische Armee äußerte sich wie in früheren Fällen nicht zu den Vorwürfen.
Leser*innenkommentare
Khaled Chaabouté
Die Stimmung zur Zeit ist wie an einem schwülheißen Tag, wo man bereits die ersten Blitze sieht und Donner hört und alle das Purgatorium des reinigenden Stahlgewitters herbeisehnen.
Die alten Werte des Ernst Jünger werden durch die jungen Werte ausgeheckt und endlich kommen die irren Blutsäufer und Schlächter vors wohlverdiente Kriegsgericht, ahhhh, welch eine Erlösung von dem Bösen, welch eine Hinführung zur Humanität.
Der Westen darf nicht länger warten, jetzt ist die richtige Gelegenheit allen Gegnern der freien Welt zu zeigen wo der Hammer hängt und dass Werte sich immer ihre Bahn brechen!
Pele
Was Assads Rotzbart vergisst, der Holocaust während des zweiten Weltkrieges hat sich auch an den Russen ausgetobt.
Aber die sind Holocaustleugnern üblicherweise ja egal.
vergessene Liebe
Müssen wir alle Aufpassen..?
..diese politische Rhetorik respektive Syriens, bei allen Beteiligten.. entbehrt m.E. alle Ideen friedlicher Deeskalation- hin zum Frieden! ..es hat den Anschein, als ob FakeNews bewusst gestreut werden, um einen `subjektiven Wunsch´zu mehr Krieg, mehr Leiden, mehr Zerstörung, mehr Dehumanisierung der Zivilen Kulturen.. zu verwirklichen! Es geht um "vulgäre Macht" in der Geographie der "Wiege der Zivilisation" des Mittleren Osten! Die historischen Wurzeln des Spektrums des Religiösen des Semitismus (Christen, Islam, Juden) stehen, in ihren Dogmen stagnierend, sich verfeindet gegenüber! ..und die Nationen die im Sinne des Geistes Säkulärer Aufklärung - für Weltfrieden!- sich seit den Gräueln des II.ten Weltkriegs in der U.N.O. für Deeskalation, gegen Krieg, zusammenfinden.. erscheinen gelähmt! Es geht mehr um "Ökonomie für Macht" .. anstatt für "Ökonomie für den Frieden" in der Diplomatie !
81622 (Profil gelöscht)
Gast
Putin lässt das UN-Mandat für den Joint Investigative Mechanism (JIM) im Nov. 2017 auslaufen und nennt nun den Giftgaseinsatz "Fake News" und die Bilder der erstickten Kinder "fabriziert". Putin, ohne den sich nicht ein Blatt in Syrien regt und für den Assad nur eine Marionette ist, hat mit dem Giftgaseinsatz dreierlei erreicht: 1) die Aufgabe der letzten Rebellen in Ost-Ghouta, 2) der Bevölkerung die Warnung in die Köpfe brennen, dass ein Aufstand gegen den Diktator sinnlos ist und im Gas erstickt wird, 3) den Westen in seiner Uneinigkeit und Unentschlossenheit gegenüber den "roten Linien" vorzuführen.
Kriegsverbrechen mit psychologischer Kriegsführung , ist die Expertiese des
Geheimdienstlers Putin.
Khaled Chaabouté
@81622 (Profil gelöscht) Bald werden Sie endlich erhört und es wird Recht getan werden – mit Waffengewalt!
joaquim
„Wir können solche Gräueltaten nicht zulassen.“ sagt Trump!! Der Satz setzt auch ohne weiteren Kommentar die Krone auf oder? Was kostet eigentlich dieses Kasperletheater der UN? Und warum gehen die Beteiligten davon aus, dass ihnen noch irgendetwas geglaubt wird?
vergessene Liebe
@joaquim Tja..nur.. mr Trumps Rhetorik: .." wir können solche Gräueltaten nicht zulassen.." das hört sich sehr human an, fast `deeskalierend´.. Jedoch? ..im weiteren verdeutlicht mr Trump seine "Alttestamentarische Logik" militärischer Rache gegen Russland! ..mehr Krieg.. im Lichte der Schattierungen durch FakeNews! Er sollte zum Frieden mahnen und humane Hilfen für das malträtierte syrische Volk geben...
Kappert Joachim
Also darf die OPCW sich überzeugen - ob das die USA aber zulassen? Man darf gespannt sein, wann OPCW-Experten die Sache in Augenschein nehmen dürfen. Dass die ganze Sache eine Falschmeldung ist, kann man auch aus den Berichten der Krankenhäuser um Damaskus ersehen - von Giftgasopfern wird da nichts gemeldet.