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Vermögen der ReichenBillionen Euro gesucht

Es gibt kaum gesicherte Daten über das Vermögen der Reichen. Auch die EZB weiß nichts Genaues. Denn ihre Untersuchung beruht auf Freiwilligkeit.

Er wenigstens weiß genau, wieviel Vermögen er hat: keinen Kreuzer zuviel. Bild: Imago / United Archives

Wie reich sind die Superreichen? Diese Frage interessiert jeden – doch eine exakte Antwort ist nicht möglich. Denn die Daten fehlen. Aus den deutschen Vermögensstatistiken verschwinden nicht etwa Milliarden, sondern Billionen Euro. Sie landen in einem Datennirwana, und niemand weiß, wer sie besitzt.

Es ist bizarr: Über das Einkommen der Armen und der Mittelschicht weiß man alles; und bei Hartz-IV-Empfängern wird sogar amtlich geprüft, wie viele Zahnbürsten in ihrem Badezimmer liegen. Aber über die Reichen ist fast nichts bekannt.

Selbst die Europäische Zentralbank (EZB) stochert nur im Ungefähren. Im vergangenen Jahr hat sie zwar in allen Euroländern eine Haushaltsbefragung durchgeführt, doch dabei tauchte ein entscheidendes Problem auf: Die Reichen haben nicht mitgemacht. Denn die Befragung war freiwillig, und freiwillig erzählt kein Millionär, wie viele Millionen er besitzt.

Also waren die Ergebnisse recht seltsam: In der EZB-Befragung besaß der reichste deutsche Haushalt „nur“ 76 Millionen Euro. Doch wie jeder weiß, gibt es in Deutschland Menschen wie die Aldi-Brüder, die gemeinsam auf knapp 40 Milliarden Euro kommen.

Diese Diskrepanz hat der EZB keine Ruhe gelassen, weswegen sie jetzt mit einer Studie nachgelegt hat, deren Methode zunächst albern wirken könnte. Die Bank hat die Forbes-Liste der Milliardäre ausgewertet. Doch damit ist die Realität gut beschrieben, wenn es um Vermögensstatistiken geht. Denn eine der mächtigsten Zentralbanken der Welt ist gezwungen, auf ein eher windiges journalistisches Produkt zurückzugreifen, wenn sie wenigstens ein paar Details über die Reichen erfahren möchte.

32 bis 33 Prozent

Wie der Forbes-Liste zu entnehmen ist, sind in Deutschland derzeit 52 Milliardäre zu Hause, die gemeinsam 183,3 Milliarden Euro besitzen. Das ist stattlich. Aber auch diese Erhebung ist lückenhaft, denn es fehlen die vielen Millionäre, die in Deutschland leben. Wie die EZB schätzt, besitzen etwa eine Million deutscher Haushalte mehr als eine Million Euro.

Mehr weiß man nicht. Der Rest ist Rätselraten, das von der EZB mit einer mathematischen Annahme namens „Pareto-Verteilung“ kaschiert wird. Heraus plumpst dann eine Zahl: 32 bis 33 Prozent. Dies ist der Anteil des Volksvermögens, den das oberste eine Prozent besitzt. Deutschland ist also eine extreme Klassengesellschaft und weit entfernt von einer „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“, in der angeblich jeder ein ähnliches Auskommen hat.

Diese Erkenntnis ist keineswegs neu – die EZB ist nur die letzte Institution, die sie bemerkt hat. Bereits vor einigen Jahren hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Studie vorgelegt, bei der die gleiche Methode angewandt wurde: Eine Haushaltsbefragung namens „Sozioökonomisches Panel“ wurde mit den Reichenstudien des Manager Magazins kombiniert. Das Ergebnis war schon damals: Das reichste Hundertstel konzentriert etwa ein Drittel des Volksvermögens in seinen Händen. Soweit man weiß. Es könnte auch mehr sein.

Es wäre übrigens einfach, Klarheit zu schaffen: Eine Vermögensteuer würde automatisch zu einer Vollerhebung der Besitztümer führen. Genau deswegen wehren sich die Reichen auch mit ihrer gesamten Lobbymacht gegen eine solche Steuer. Sie scheuen gar nicht die eigentliche Finanzbelastung – sondern sie wollen verhindern, dass plötzlich Transparenz herrscht.

Dabei gäbe es einen kleinen Trost für die Reichen: Für ihre Zahnbürste würde sich trotzdem niemand interessieren.

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7 Kommentare

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  • Pilzpolitik oder Pilzmanagement nenne ich das. Wie züchtet man Pilze? Im Dunkeln und füttert sie mit Dreck. Genau das passiert doch tag täglich, man hält die Bürger im dunkeln und füttert sie mit "Dreck"

     

    Während man jeden Transfer Empfänger aufs genauste überprüft, mit der Begründung es sind ja schließlich Steuergelder, schaut man dort wo wirklich was zu holen wäre, nicht so genau hin. Zufall?

     

    Und nicht nur dort, genau für diese Klientel, gibt es genau die meisten Steuerausnahmetatbestände, sich ganz legal "Arm" zu rechnen und für diese erlauchten Kreise, gibt es ja auch noch die Beitragsbemessungsgrenzen, und die Deregulierten Finanzmärkte etc. und deshalb zahlen diese Kreise auch Prozentual den geringsten Teil in die Solidargemeinschaft ein. Zufall? Mitnichten es ist gewollt.

  • "Wie die EZB schätzt, besitzen etwa eine Million deutscher Haushalte mehr als eine Million Euro." Das ist heute leicht: Erbe Omas Häuschen in der Nähe einer Großstadt und verkauf es. Vermögensmillionäre dürften häufig sein; Einkommensmillionäre sind die interessanten Fische. Kann man nicht überhaupt über die Einkommenssteuer da ran?

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @miri:

      Teil 1: Die Vermögensmillionäre sollten auch stärker herangezogen werden, da ich das mit dem leistungslosen Einkommen bzw. der leistungslosen Einnahme nicht so unproblematisch für eine demokratische Leistungsgesellschaft ansehe. Als Transfereinkommen bezeichnet man Einkommen, welches durch den Staat oder andere Institutionen bereitgestellt wird, ohne dass eine konkrete Gegenleistung erfolgt (Beispiel: Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II etc.). Aber auch durch Erbschaft oder Schenkungen werden Einkommen erzielt.

      Erbschaften stellen ein leistungsloses Einkommen auch in unserer „Pseudo“-Leistungsgesellschaft dar, (z.B. in Form von Zinseinnahmen aus einem ererbten Vermögen oder in Form von Mieteinnahmen aus ererbten Immobilien). Der Millionenverkauf einer Immobilie stellt eine leistungslose Einnahme dar. Nach Pierre Bourdieu ist die bürgerliche Gesellschaft im Vergleich zur Feudalgesellschaft zwar als Leistungsgesellschaft anzusehen; doch durch das Erbrecht und die Kooptation in die führenden Schichten wird das Leistungsprinzip immer wieder durch Formen der Protektion durchbrochen. Es ist nicht verwunderlich, dass sich unsere Gesellschaft immer mehr aufspaltet, wenn man sich die Erbschaftssteuersätze und Freibeträge ansieht. Im Endeffekt werden Fleiß und Leistung stärker besteuert.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @2097 (Profil gelöscht):

        Teil 2: Herr Westerwelle sprach doch vor einigen Jahren von spätrömischer Dekadenz und meinte nicht die Erben damit, sondern die unteren Transfereinkommensschichten. Thomas Piketty würde wohl, wenn er ein Populist wie Herr Westerwelle wäre, eher die Erben so bezeichnen. Der Legitimität Vermögen an seine Kinder zu vererben widerspreche ich nicht, allerdings müssen dem Grenzen gesetzt werden, da ansonsten die Spaltung in einer Gesellschaft zu extrem und die Leistungsgesellschaft ad absurdum geführt wird. Und die Demokratie wird auch nicht mehr funktionieren, wenn die Vermögenden immer mehr Einfluss nehmen können als die mittleren und unteren Einkommensschichten. Die Gestaltung der zuvor erwähnten Grenzen sollten meiner Auffassung nach erneut demokratisch erarbeitet werden. Daher sehe ich die Argumentation in Artikel 123 (3) der Bayrischen Landesverfassung als korrekt an: „Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern. Sie ist nach dem Verwandtschaftsverhältnis zu staffeln.“

        Die Mehrheit interessiert dies allerdings nicht, da ja fast jeder in Deutschland demnächst ein Haus in Stadtnähe in Höhe von mindestens einer Million von seiner Oma erbt.

        • @2097 (Profil gelöscht):

          Wenn es nur die Erbschaften wären, aber die Privilegierung, hört doch dort nicht auf, sondern geht doch noch viele weiter.

          So zum Beispiel bei den Beitragsbemessungsgrenzen, über die vielen Steuerausnahmetatbestände für diese Personenkreise, sich ganz legal "Arm" zu rechnen und die Möglichkeiten durch die Deregulierten Finanzmärkte, Gewinne nicht mehr in die Unternehmen zu stecken, und hört bei den vielen Steueroasen und Stiftungen nicht auf.

           

          Last but not least, eben die gewollte Ahnungslosigkeit, nicht so genau hinzuschauen, wenn es um Vermögen geht.

  • In der Schweiz wurden soeben neue Zahlen veröffentlicht: demnach gibt es hier mehr Millionäre als Bezieher von Sozialhilfe (330.000 gegenüber 250.000). Beide Gruppen nehmen zahlenmässig zu.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Ja, ich bin für eine Transparenzsteuer, die sich an den Freibeträgen der Erbschaftssteuer orientiert. Die hat also dann jeder entsprechend zu zahlen, der diese Freibeträge mit seinem bestehenden Vermögen überschreitet. So vermeiden wir den unliebsam gewordenen Begriff der Vermögensteuer, gegen Transparenz kann nun wirklich niemand sein und die Staatsverschuldung bekommen wir dann auch in den Griff. Keine Armut mehr in diesem Land, keine Rentenprobleme, genug für Bildung und Staatsverschuldung ade. Und die 10%, die dagegen sein könnten, haben sich in einer Demokratie der Mehrheitsentscheidung zu beugen! Super! Das Problem ist nur, dass sich mittlerweile auch der Mittelstandsangestellte für vermögend hält (obwohl er es nachweislich nicht ist) und dagegen sein wird, weil er auf die Fehlinformationen aus der Wirtschaft und konservativen Presse vertraut.