Vermittlung von Wissenschaft: „Es wird zu wenig kommuniziert“
Die Ankündigung der Forschungsministerin war deutlich: Wissenschaftskommunikation soll gestärkt werden. Die Bilanz sieht mager aus.
Inhaltsverzeichnis
Es hatte der krönende Abschluss für die Amtszeit der CDU-Bundestagsabgeordneten Anja Karliczek als Bundesministerin für Bildung und Forschung werden sollen. Aber die finale Präsentation ihrer Leitlinien für eine bessere Wissenschaftskommunikation geriet in der vorigen Woche nicht sonderlich kommunikativ. Aus einem zum TV-Studio umfunktionierten Sauriersaal des Berliner Naturkundemuseums wurde die Abschlussdiskussion an eine minimale Web-Communitity von 250 Zuschauern gesendet. Das Echo in Wissenschafts- wie Medienwelt war weithin Schweigen.
Als Anja Karliczek im März 2018 für alle überraschend zur obersten Bundespolitikerin für den Wissenschaftsbereich ernannt wurde, da hatte die CDU-Abgeordnete aus dem nordrhein-westfalischen Ibbenbüren nur beschränkte Kenntnis von den großen Entwicklungslinien in deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. „Es wird zu wenig über Wissenschaft kommuniziert“, lautete ihr Schluss, den sie von der persönlichen Erfahrung zur ministeriellen Leitlinie entwickelte.
Wissenschaftskommunikation wurde künftig Chefinnensache im BMBF, eine neue Struktur im Leitungsstab wurde gebildet und ein Umsetzungsprogramm – die sogenannte #factorywisskomm – auf den Weg gebracht. Rückenwind erhielt der Prozess durch eine Passage im Koalitionsvertrag, neue Formate zur Kommunikation von Wissenschaft voranzubringen, was auch die Fraktionen des Bundestages mit eigenen parlamentarischen Initiativen ins Spiel brachte.
Faktisch überlagert wurde dieser innerwissenschaftliche Diskurs durch die Coronapandemie, die im gesellschaftlichen Raum die Nachfrage nach wissenschaftlichen Informationen, speziell medizinischer Natur, stark ansteigen ließ. Neue Formate, wie der NDR-Podcast des Berliner Virologen Christian Drosten mit Corona-Informationen aus erster Hand oder die Youtube-Erklärvideos der Wissenschaftsjourmalistin Mai Thi Nguyen-Kim (MaiLab), erzielten binnen Kurzem größte, weil medien-virale Verbreitung. Auch die allgemeine Wertschätzung der Wissenschaft bewegte sich nach der erfolgreichen Impfstoffentwicklung auf Rekordhöhen. Beste Zeiten für die Wissenschaftskommunikation?
Aber ohne einen ordentlichen wissenschaftsleitenden Prozess sollte es dann doch nicht gehen. Im vergangenen September startete in einem Konferenzzentrum im Berliner Westhafen – damals noch im Präsenzformat – die vom BMBF geleitete virtuelle Denkfabrik #factorywisskomm. Rund 150 Akteure, Forscher wie Medienpraktiker, sollten in sechs Arbeitsgruppen „Handlungsperspektiven für die Wissenschaftskommunikation“ entwickeln. Themen waren der Kompetenzaufbau für die Kommunikation von Wissenschaftsthemen und eine erhöhte Reputation für diese Leistung innerhalb des Wissenschaftssystems.
Verbesserung der Qualität und Partizipation
Ein eigenes Forschungsfeld „Wissenschaftskommunikation“ sollte etabliert werden, was auch von einer Verbesserung der Qualität und der Partizipation – etwa durch Formate der „Citizen Science“ – begleitet würde. Auch der Wissenschaftsjournalismus wurde mit einer Arbeitsgruppe bedacht, wenngleich die latenten Spannungen zwischen Wissenschaftspolitik und Medien bis zum Schluss greifbar blieben. Die Vorschläge dieser Gruppe, an der auch Mitglieder der Wissenschaftspressekonferenz (WPK) beteiligt waren, waren unter anderem der Aufbau eines „Science Center for Computational Journalism“ als An-Institut an einer Hochschule, das datenjournalistische Services entwickeln soll, oder eine neue Weiterbildungakademie mit der Aufgabe, „digitale Innovation für Wissenschaftsjournalistinnen/-journalisten zugänglicher“ zu machen.
In der Summe erbrachte der Factory-Prozess keine epochalen Ergebnisse, so wie es 1999 das „PUSH-Memorandum“ (Public Understanding of Science and Humanities) der deutschen Wissenschaftsorganisationen auf Initiative des Stifterverbandes dargestellt hatte. Im Gegenteil: Argwöhnisch achteten die „Lordsiegelbewahrer“ der Wissenschaftsfreiheit darauf, dass ihnen das Ministerium keine Vorgaben machte, wie sie ihre Kommunikation zu gestalten hätten. So wurde die Formulierung des Eingangskapitels der Handlungsperspektiven, die das BMBF ursprünglich als „Selbstverpflichtung“ überschreiben wollte, zu einer redaktionellen Hängepartie, die letztlich die Verschiebung der Publikation vom zunächst geplanten 20. April auf den 23. Juni notwendig machte – der letzten politischen Voll-Woche im Regierungs-Berlin vor der parlamentarischen Sommerpause.
Auffallend auch, dass zur Präsentation – die Max-Planck-Gesellschaft hielt zeitgleich ihre virtuelle Jahresversammlung ab – mit Ausnahme von Leopoldina-Präsident Gerald Haug kein Spitzenrepräsentant der deutschen Wissenschaftsorganisationen zugegen war. Auch nennenswerte Stellungnahmen wurden nicht abgegeben.
„Mir liegt sehr daran, dass Wissenschaftskommunikation selbstverständlicher Teil wissenschaftlicher Arbeit ist“, erklärte die Ministerin zum Abschluss. Davon würden alle Seiten profitieren, vor allem die Wissenschaft selbst. Denn durch Kommunikation und Interaktion „wird Vertrauen gestärkt“, so Karliczek. „Und die eigene Forschung kann durch kommunikative Rückbindung an Gesellschaft, Politik und Wirtschaft an Wirksamkeit gewinnen“. Wichtigste Message aus dem Forschungsministerium mit seinem 20-Milliarden-Euro-Etat: Wissenschaftskommunikation werde „ab jetzt integraler Bestandteil der Förderung“ des BMBF und werde in der Förderrichtlinien fortan „als Förderkriterium berücksichtigt“ werden. Wie hoch der Kommunikationsanteil an der Fördersumme ausfallen wird, blieb offen. Die Neuheit aus dem BMBF ist für andere dagegen keine: Die Förderbewilligungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der EU-Kommission in Brüssel enthalten seit Jahren eine derartige Kommunikationsklausel.
Für den Wissenschaftsjournalismus zeichnen sich gewisse Perspektiven ab. So will die Joachim Herz Stiftung in Hamburg einen Innovationsfonds für den Wissenschaftsjournalismus ins Leben rufen, der sich auf 300.000 Euro jährlich belaufen soll, zunächst für drei Jahre. Andere reduzieren hingegen ihre Unterstützung des Wissenschaftsjournalismus, obwohl es nichts kosten würde.
So hat das BMBF zum Abschlussevent des Factory-Prozesses – anders als beim Start – zu keiner Pressekonferenz eingeladen, einem essentiellen Medieninstrument, weil es auch kritische Nachfragen zulässt. Medienvertreter – limitiert auf fünf – wurden in einen Nebenraum geleitet und konnten die Diskussion am Bildschirm verfolgen. Fragen allenfalls per Onlinechat – was für ein kommunikativer Qualitätsverlust! Die gelenkte, antidialogische Kommunikation des BMBF haben die Wissenschaftsjournalisten in der Konsequenz denn auch ignoriert: Es erschien in den deutschen Medien – mit Ausnahme der FAZ – kein Bericht über die Neuformierung der Wissenschaftskommunikation in Deutschland.
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