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Verleger der „Berliner Zeitung“Er ist einer von vielen

Der neue „Berliner Zeitung“-Verleger Holger Friedrich soll Stasi-IM gewesen sein. Der Umgang damit erzählt viel über den Osten – aber auch den Westen.

Holger Friedrich tut gar nicht so, als sei irgendetwas okay an seiner Stasi-Vergangenheit Foto: Britta Pedersen/dpa

D er Keks ist gegessen. Das war’s vom Mars. So in etwa geht der Schnack, wenn es um den Fall der beiden neuen Herausgeber der Berliner Zeitung geht. Silke und Holger Friedrich heißen sie. Die beiden Ostdeutschen haben nicht nur die Zeitung gekauft – Holger Friedrich war in der Endphase der DDR auch inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit.

Das ist eine große Scheiße, vor allem für jene, die sein Handeln betrifft. Und für die Mitarbeiter einer Zeitung, die das Gefühl gehabt haben mochten, da beginne etwas Großes im Zeitungsgeschäft, und sie säßen mit in der Rakete. Und nun: Verrat.

Stasi ist dunkelster Osten, von dem schon länger nicht mehr die Rede war. Silke und Holger Friedrich – die sind irritierenderweise schillernd und selbstbewusst. Und reich – mit eigener Privatschule und Wohnsitz am Wannsee. Zum Glück bockt nun die Stasi-Enthüllung das gewohnte Ostler-Bild wieder auf das alte, aber noch fahrbereite Chassis, um weiter durch das vertraute Dickicht der Vorurteile kreuzen zu können. Wie angenehm rollt es sich auf den gewohnten argumentativen Strecken, wenn man sich selbst – einzig biografisch bedingt – nie fragen musste: Wie hätte ich gehandelt?

Blöd nur, dass Holger Friedrich gar nicht so tut, als sei irgend etwas normal oder okay an seiner Stasi-Vergangenheit. Anwerbung – Verpflichtungserklärung – Verrat? Es könnte so einfach sein. Ist es aber nicht. Friedrich war der Republikflucht verdächtigt und wurde deshalb erpresst. Seinen auszuspähenden Freunden gegenüber hat er – offenbar kein Freund des Landes – sich offenbart. Dekonspiration war (jetzt nicht erschrecken, liebe westdeutsche MitbürgerInnen) gar nicht so selten. Es war eine Methode, sich von diesem Geheimdienst und seinen Erpressungsversuchen abseilen zu können. Sonst hörte das nämlich nie auf.

Aneignung durch den Westen

Man muss das alles nicht verstehen. Und dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer scheint nachlassendes Interesse an den moralischen Windungen und Verwerfungen der Ostdeutschen verständlich. Aber bitte, wenn es doch zu einer Meinung, einer Haltung reicht – dann vorher gut informieren. Und immer schön dran denken: Der Osten, der geht nicht mehr weg. Der bleibt Teil der Familie, auch wenn er oft fremd und problematisch ist.

Dass jetzt so locker geurteilt wird, ist auch ein Ergebnis von dreißig Jahren Aneignung des Stasi-Themas durch den Westen. All die Filme mit den beige bejackten und durch Stahlbrillen schielenden Freaks; die Sächsisch sprechenden Verhörer und ihre zarten weiblichen Opfer. Dabei war die Stasi buchstäblich überall in der DDR, sie war ein gruseliger Geheimdienst, der auch lächerlich sein konnte. Er triezte Menschen, er war menschengemacht.

Die Stasi war dein Kollege, deine Lehrerin, der nette Nachbar mit dem Hausbuch. Menschen, die heute noch deine Blumen gießen, wenn du in den Urlaub fährst. Nur weil ein Staat untergeht, verschwinden nicht seine Menschen. Holger Friedrich ist nur einer von ihnen.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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8 Kommentare

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  • Der ganze Artikel klingt nach Persilschein der Nazis in der jungen Bundesrepublik.

    Hey der Ex-Im hat jüngst in der NZZ angegeben, dass er die Ausweisdaten und Steueridentifikationsnummern (und wer weiß was noch) aller Berliner haben möchte. Gleichzeitig betreibt er ein IT Unternehmen und für die Zeitung selbst gibt er keinen Bestandsschutz.

    Macht ja alles nix.

    Ja, die Menschen sind noch da. Nur müssen sie ja nicht noch gepuscht werden. Sonst wird ein Herr Holm wirklich noch irgendwann Staatssekretär.

    Für die Berliner Zeitung ist das alles in allem kein Glücksfall. Die Zeitung selbst wird sich höchstwahrscheinlich kaum erholen können. Das wichtigste Asset der ND ist die Immobilie, das der Berliner Zeitung ist die Homepage. Beides wird den jeweiligen Zeitungsbetrieb auf Dauer kaum am Leben erhalten.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Was auffällt ist das einflußreiche Menschen und der Kauf einer Zeitung bedeutet Einfluß ,nicht lange vorher in ihrer Kariere diese Fakten offen gelegt haben. Da gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens Kariere gebremst oder beendet. Zweitens es verschwindet im Nirvana der Geschichte.



    Über den Zeitpunkt jetzt und die "Zufälle" kann gestritten werden.



    Jetzt läuft das Modell Giffey.Die Chefredakteure BZ, Kurier prüfen.



    Es wird bestimmt nicht so lange dauern.



    Ich kann auch nicht empfinden das locker geurteilt wird.



    Ich kann nur raten mit wirklich betroffenen Personen die ihren Stapel Akten auf den Tisch geklatscht bekommen haben zu reden und sich individuell eine Meinung zu bilden.



    Übrigens wer am Ende der DDR dreißig war ,hätte eine durchaus beachtliche Kariere beim MfS machen können.



    Die Briefmitleser ,Paketdurchwühler,Mithörer, Wohnungsbegeher,Bedienstete in den Haftanstalten usw. sind ja noch da.



    Wie gesagt das MfS war menschengemacht.

  • Wie gut, dass die meisten Leute, die jetzt über Herr Friedrich herfallen zur damaligen Zeit entweder ein Kind waren wie ich oder in der sicheren BRD gelebt haben.

    Unter Personen die niemals in einer gefährlichen oder ausweglosen Situation waren, finden sich immer überraschend viele Menschen, die ganz standhafte Helden gewesen wären...

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    So wie man liest, ist er da reingeraten. Sei's drum.

    Schlimmer finde ich einige Sätze aus diesem Bandwurm-Elaborat.

    “Nur wenige Nationen sind in der Lage, kollektiv zu erkennen, dass sie anderen Nationen oder Ethnien Unrecht angetan haben, noch weniger sind bereit, ihrer Opfer zu gedenken, und um wie viele Nationen wissen wir, die es soweit brachten, ihren Opfern Mahnmale zu bauen?”

    Wir Deutschen haben unsere Vergangenheit aber sowas von bewältigt. Wir haben für die toten Juden sogar ein Mahnmal errichtet. Mal ehrlich, wer hat soviel Größe außer uns?

    Und hier:

    “Wir tragen Scham in uns, für die Taten unserer (Ur-)Großeltern, und wir können stolz auf unsere Kraft sein, zu dieser Scham zu stehen und unsere Schuld abzutragen.”

    Von der Scham zum Stolz in drei Sekunden.

    Und man glaubt es nicht:

    “Das ist die Arbeit inspirierter, poetisch wie strategisch versierter Künstler.”

    Hier geht es um Rammstein.

    Man könnte das weiterführen, es würde aber nicht besser.

    Mal sehen wie die Berliner in einem halben Jahr aussieht.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Sach mal so.

      “… Ist die Zeitung nur ein Liebhaberobjekt, das im Zweifel weg kann?…“

      Ausführlich -



      “ Daniel Bouhs, Jahrgang 1982, arbeitet als freier Journalist unter anderem für das Medienmagazin ZAPP im NDR und den ARD-Hörfunk. Über die Themen Medien und Digitales schreibt er außerdem für verschiedene Magazine.“

      www.zeit.de/kultur...tasi-vergangenheit

      kurz - allerorten viel Geschnacke.



      Aber insgesamt doch a weng viel -



      Journaille-Kacke anne Hacke. 👻 👻 👻

      • @Lowandorder:

        Leicht ist man entschlossen, findet man Genossen, erst auf sich gestellt, zeiget sich der Held.

        Jiddischer Sprichwort.

        Was ich etwas kritisch sehe, inzwischen haben die Eheleute Friedrich praktisch jedem Menschen der lesen und schreiben kann zwischen Kiel und Zürich ein Interview gegeben, etwa hier bei der NZZ.

        www.nzz.ch/feuille...terview-ld.1522069

        Das ist wie wenn man ein Aquarium sauber macht, wenn man überall rumstochert, dann wird jede Menge Dreck aufgewirbelt. Dadurch haben sie sehr viel mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, die jetzt negativ für die Beiden ist.

        • 0G
          05158 (Profil gelöscht)
          @Sven Günther:

          Das Thema ist zwar schon durch.

          Bitte noch mal Meinung zu:

          Rumstochern-Dreck aufwirbeln-Aufmerksamkeit- negativ für die Beiden.

          Schwerpunkt negativ.

          Danke.

        • @Sven Günther:

          Schonn - & lang was her - aber …

          Leicht ungelenk - & weil schon das Deutsche Demokratische Dämmerstündchen eingesetzt hatte - stellte mein großes Bruderherz ne Peekhacke im Bad - mit Busch'schem Kanonenofen & freier Wanne neben&in dem Aquarium ab & es ergoß sich - öh



          “…jede Menge aufgewirbelter Dreck.“

          kurz - Stimmt Schonn: - “Alles in eigener Sache“

          unterm—— Schlagobers— 🥳 -



          gutenberg.spiegel....d/bilder/bad12.gif



          “…bad zwei in einer Wanne nicht.“