Verlag schmeißt Till Lindemann raus: Grober Vertrauensbruch
Nach den schweren Missbrauchsvorwürfen gegen Till Lindemann reagiert nun sein Verlag. Er beendet die Kooperation mit dem Rammstein-Sänger.
Der Verlag Kiepenheuer & Witsch schmeißt Till Lindemann nach den bekannt gewordenen Missbrauchsvorwürfen aus dem Programm. Das Statement, das der Kölner Verlag, in dem unter anderem die „Gesammelten Gedichte“ des Rammstein-Sängers erschienen sind, am Freitagnachmittag verschickt hat, ist bemerkenswert.
„Mit Erschütterung haben wir in den letzten Tagen öffentlich gewordene Vorwürfe gegen Till Lindemann verfolgt. Unser Mitgefühl und unser Respekt gilt den betroffenen Frauen“, schreibt in einer Pressemitteilung die Verlegerin von Kiepenheuer & Witsch, Kerstin Gleba.
Weiter heißt es: „Im Zuge der aktuellen Berichterstattung haben wir Kenntnis erlangt von einem Porno-Video, in dem Till Lindemann sexuelle Gewalt gegen Frauen zelebriert und in dem das 2013 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienene Buch ‚In stillen Nächten‘ eine Rolle spielt. Wir werten dies als groben Vertrauensbruch und als rücksichtslosen Akt gegenüber den von uns als Verlag vertretenen Werten.“
Helge Malchow, der Vorgänger von Kerstin Gleba, hatte Lindemann vor einigen Jahren noch gegen den Vorwurf der Verherrlichung sexueller Gewalt verteidigt und auf die Trennung von Autor und lyrischem Ich aufmerksam gemacht.
In der Pressemitteilung von Kerstin Gleba heißt es nun aber: „Wir verteidigen aus voller Überzeugung die Freiheit der Kunst. Durch die Frauen demütigenden Handlungen Till Lindemanns im besagten Porno und die gezielte Verwendung unseres Buches im pornographischen Kontext wird die von uns so eisern verteidigte Trennung zwischen dem „lyrischen Ich“ und dem Autor/Künstler aber vom Autor selbst verhöhnt.
Aus unserer Sicht überschreitet Till Lindemann für uns unverrückbare Grenzen im Umgang mit Frauen. Wir haben uns daher entschieden, die Zusammenarbeit mit Till Lindemann mit sofortiger Wirkung zu beenden, da unser Vertrauensverhältnis zum Autor unheilbar zerrüttet ist.“
Frauen gezielt rekrutiert
Hintergrund dieses Schrittes sind schwere Vorwürfe gegen den Autor und Frontmann der Band Rammstein, den mehrere Frauen erheben. Gegenüber dem NDR und der Süddeutschen Zeitung beschreiben sie, wie zahlreiche junge Frauen offenbar gezielt rekrutiert wurden, um mit dem Rammstein-Sänger Sex zu haben. Zwei Frauen berichten zudem von sexuellen Handlungen, denen sie nicht zugestimmt hätten.
Die Recherchen von NDR und SZ beschreiben ausführlich ein System: Mehr als ein Dutzend Frauen berichtet in Gesprächen mit den Reporter*innen davon, wie sie von mehreren Menschen aus dem Umfeld von Lindemann gezielt angesprochen worden seien, häufig über Instagram oder direkt auf den Konzerten, um zu speziell für Lindemann organisierten After-Show-Partys zu kommen.
Vor wenigen Tagen hatte Shelby Lynn behauptet, am Rande eines Rammstein-Konzertes in Vilnius unter Drogen gesetzt worden zu sein. Auf Social Media entgegnete die Band darauf: „Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschließen, dass sich, was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat. Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt.“
Auf Social Media gibt es seit Tagen eine massive Kampagne, die die Band gegen die Vorwürfe verteidigt. NDR und SZ liegt ein Screenshot vor, der zeigt, dass die Kampagne aus dem Umfeld von Lindemann mitgesteuert wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe