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Verkehrswende in BerlinWeiter in die Pedale treten

Radfahren ist in Berlin gefährlich. Trotz Zusagen der Politik kommt der Ausbau von Radwegen kaum voran, Verbesserungen könnten zurückgedreht werden.

Sicherer unterwegs auf dem Pop-Up-Radweg am Halleschen Ufer in Berlin-Kreuzberg Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz | Der Berliner Verkehr ist gefährlich. Vor allem für diejenigen, die nicht in einem Metallkäfig mit Knautschzone sitzen. Täglich befinden sich Radfahrer*innen in gefährlichen Situationen und Konflikten. Zum einen, weil sie nicht als gleichwertige Verkehrsteilnehmer*innen anerkannt werden, aber auch, weil die Stadt nach wie vor auf Autos ausgelegt ist. Berlin ist vieles – fahrradfreundlich ist es nicht.

Die Initiative „Volksentscheid Fahrrad“ will das ändern und hat 2017 einen ersten Entwurf für ein Mobilitätsgesetz verfasst. Das Gesetz wurde nach einem Volksbegehren vom Senat verabschiedet. Die Politiker*innen beschlossen, dass Fuß-, Rad- und öffentlicher Personennahverkehr bei allen Planungen Vorrang erhält. „Einen Meilenstein in der Berliner Verkehrspolitik“ nennt Changing Cities, der Verein, der aus dem Volksentscheid entstanden ist, diesen Schritt.

Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Genügend Zeit, erste Veränderungen in die Wege zu leiten und die Straßen für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen sicherer zu gestalten. Viel ist allerdings nicht passiert. Laut Changing Cities ist ein Radverkehrsplan der erste Schritt, um das Mobilitätsgesetz vom Papier auf die Straßen zu bringen. Der Verein hat einen Vorschlag eingereicht, der Senat hat ihn bisher aber nicht angenommen. Radfahrer*innen haben also nach wie vor mit fehlenden oder schlecht ausgebauten Radwegen, gefährlichen Kreuzungen und parkenden Autos auf den Fahrradstreifen zu kämpfen.

2020 sind bereits 15 Radfahrer*innen im Verkehr getötet worden – die meisten von ihnen aufgrund der Infrastruktur. Die betreffenden Kreuzungen und Straßenabschnitte wurden danach nicht verändert oder gesperrt, der Verkehr fließt wie zuvor. „In einem Betrieb würde man auch keine gefährliche Maschine oder Gerüst weiter einsetzen, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind – das ist schlichtweg verboten!“, kritisiert Ragnhild Sørensen, Sprecherin von Changing Cities, die fehlende Reaktion des Senats. So ist und bleibt Vision Zero, das Ziel, keine Verkehrstoten und Schwerverletzten mehr zu haben, genau das – eine Vision.

Srah Grzondziel

22, studiert Gesellschafts- und Wirtschaftkommunikation und ist bei der BUNDjugend Berlin im Landesvorstand und dem Arbeitskreis Umweltjournalismus aktiv. Mehr Infos: www.bundjugend-berlin.de.

Veränderungen kamen erst durch Corona

Das Mobilitätsgesetz fordert breite, gut ausgebaute und vor allem geschützte Radwege. Sie sollen es Radfahrer*innen ermöglichen, schnell und sicher durch die Stadt zu kommen und Fahrradfahren attraktiver zu gestalten. Bisher gibt es einige hundert Meter Radwege, die den Kriterien entsprechen. Sie sind etwa durch Poller von der Straße abgegrenzt und breit genug, um einen fließenden Radverkehr zu ermöglichen.

So bleibt Vision Zero, das Ziel, keine Verkehrstoten und Schwerverletzten mehr zu haben, genau das – eine Vision.

Tatsächliche Veränderungen kamen erst mit der Coronapandemie: Pop-up-Radwege wurden eingerichtet, um Abstandsregelungen einzuhalten, den öffentlichen Nahverkehr zu entlasten und Menschen zur körperlichen Bewegung einzuladen. Sie stießen bei Radfahrer*innen auf große Zustimmung, denn sie verringern Unfälle.

Doch es wurde wieder einmal klar, dass die Bereitschaft für die Verkehrswende bei einigen Parteien – wenn überhaupt – nur so lange vorhanden ist, bis der Autoverkehr eingeschränkt wird: Die AfD klagte gegen die Pop-up-Radwege und bezeichnete sie als „rechtswidrig“ – CDU und FDP stimmten zu. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag gegen die Radwege stattgegeben. Wenn das Urteil bestätigt wird, ist das, laut Sørensen, ein großer Rückschlag für die deutschlandweite Verkehrswende. Es liegt nun an der Senatsverwaltung, sich für die Radwege einzusetzen.

Der rot-rot-grüne Senat hat mit dem Mobilitätsgesetz die Möglichkeit, die Verkehrswende – und damit nicht nur die Sicherheit der Radfahrer*innen, sondern auch den Klimaschutz – deutlich voranzutreiben. Dafür müssen klare Zielvorgaben und ein Ablaufplan für die Umsetzung des Gesetzes her. Der Aufstieg hat geklappt, jetzt muss weiter in die Pedale getreten werden.

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2 Kommentare

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  • Danke für "Metallkäfig mit Knautschzone".



    Der Artikel ist konkret, aber ich warte schon seit fünfzig Jahren auf Öffnungen im Denken und breit ausgelegte, ungefährliche Radwege in Großstädten mit denkenden Zeitgenossinnen wie in Paris, London oder auch im putzigen, ansatzweise renitenten Berlin. Kampagnen dafür gab es immer. Kluge Ideen auch. Damals, in den 70ern, in der Szene von Rad- und Rollschuhfahrern, (auch Rollstuhlfahrern!)konnte man die kreativsten und politisch radikalsten, eben geistig bewegliche Menschen treffen, die auch sonst Alternativen vorlebten.



    Obwohl Millionen mehr Menschen umgestiegen sind, Verbrenner nicht anfassen, was an kalten oder nassen Tagen unbequem ist, entsolidarisiert sich weiter ein großer Teil der Gesellschaft (auch ein ÖPNV steht zur Verfügung). Die Nashörner (eine Metapher von Ionescu) haben sich unglaublich vermehrt, jeden Tag sind sie im Stau zu beobachten. Sie könnten ihren selbstbezogenen Wahn nicht ausleben, wenn die käufliche Politik sie nicht füttern würde.



    Ich habe inzwischen keine Geduld mehr. Wenn ich in mein Grab steige, werden dank so unfähiger Juristen wie jene in Berlin weiter die Städte vergiftet. Eine umfassende Reduzierung der Bedürfnisse, absolute Gefühllosigkeit für andere Wesen und die Proletarisierung oder "Verprollung" ganzer Schichten zeichnen unsere Kultur aus. Auch vielen Fleisch-Bananen oder Schokoladefressern, Besitzern von Computern und Smartphones ist es egal, wieviele Kinder in den vom Kapital unterworfenen Ländern für sie arbeiten und deshalb früh sterben. "Nach uns die Sintflut" ist das Motto der allesfressenden Kapital - und Konsumgesellschaft, bis sie an sich selbst zugrunde geht.



    Diesen Moment, den 3 Millionen-Jahres-Moment haben wir jetzt erreicht. Homo non-sapiens hat es in etwa dreihundert kurzen Jährchen geschafft, den etwas größeren Käfig ohne Knautschzone derart mit Klimagasen zu füllen, dass die Hitze ganze Regionen des Planeten in Todeszonen verwandelt hat.

  • Vlt. sollte man die größten Fahrradhändler einfach enteignen und den Berlinern die Räder für eine niedrige festzulegende Miete zur Verfügungbstellen.