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Verkehrswende in BerlinWas tun mit dem König?

Die Zukunft des Minibus-Systems Berlkönig ist weiter offen. Rot-Rot-Grün will sich in einem Koalitionsausschuss damit beschäftigten.

Mit Herz auf dem Rücken: der Berlkönig unterwegs Foto: dpa

Berlin taz | Nach einer Koalitionsrunde der Verkehrspolitiker mit Vertretern der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bleibt die Zukunft des Mitfahrdiensts Berlkönig ungewiss. „Wir haben unsere Argumente vorgetragen und hoffen, damit überzeugt zu haben“, sagte eine BVG-Sprecherin am Donnerstagnachmittag.

Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tino Schopf, kündigte eine Entscheidung seiner Fraktion für kommende Woche Dienstag an. Er sei enttäuscht über die Art und Weise, wie die BVG das drohende Aus des Berlkönigs kommuniziert habe.

Das Modellprojekt Berlkönig läuft in Berlin seit zwei Jahren als Kooperation zwischen der (BVG) sowie dem Unternehmen Viavan, an dem zur Hälfte Mercedes Benz beteiligt ist. Per App können Kunden die Berlkönig-Fahrzeuge ordern, müssen aber damit rechnen, dass Mitfahrer mit einem ähnlichen Ziel entlang der Strecke zusteigen.

Nun geht die Projektphase zu Ende – und Viavan wartet auf ein Signal des Senats. Ohne öffentliche Gelder, so das Argument der Fürsprecher, rechne sich weder die Fortführung noch die Expansion in die Randbezirke. Derzeit sind 185 Fahrzeuge im Einsatz, die von mehr als 400 bei einer Leihfirma angestellten Fahrern gesteuert werden.

Ausschlaggebend für die Skepsis vor allem auf Seiten der SPD dürften die hohen Kosten für die öffentliche Förderung sein. Rund 43 Millionen Euro sind demnach im Gespräch, um den Dienst auch in den Berliner Randbezirken verfügbar zu machen. Bislang verkehrt der Poolingdienst nur in einem eingeschränkten Radius im Berliner Osten.

Der Berlkönig sei ein gelungenes Beispiel für eine inklusive Infrastruktur, schreibt Aktivist Raul Krauthausen

Zudem wird befürchtet, dass mit Steuergeldern eine Konkurrenz zum Taxi-Gewerbe gefördert würde. Das Projekt wirbt indes damit, den öffentlichen Nahverkehr zu ergänzen und Menschen vor allem dazu zu bewegen, das eigene Auto stehen zu lassen.

Für eine Studie braucht es mehr Zeit

Doch um diesen Effekt wissenschaftlich zu überprüfen, brauche es mehr Zeit, sagte Robin Kellermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Cluster Mobilitätsforschung an der Technischen Universität Berlin. Um mehr Daten und Wissen über mögliche Zusammenhänge von Verkehrsvermeidung und Umwelteffekten zu sammeln, „würde die Verlängerung der Laufzeit auf die vollen vier Jahre aus Sicht der Mobilitätsforschung begrüßenswert erscheinen und sollte die Stadt am Modellprojekt festhalten“, teilte er auf Anfrage mit.

„Was forschungsseitig zu begrüßen wäre, ist politisch aber zugleich fragwürdiger“, sagte Kellermann weiter. „Wenn der Senat für die Fortführung des Berlkönigs tatsächlich knapp 50 Millionen Euro öffentliche Gelder ausgeben sollte, wäre das aus meiner Sicht kaum zu vertreten.“ Ließe sich keine preisgünstigere Lösung der Beteiligten finden, solle das Geld eher in den konsequenten Ausbau der Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger gesteckt werden.

Doch es gibt auch zahlreiche Fürsprecher. Am Mittwoch hatte sich der Aktivist Raul Krauthausen mit einem offenen Brief für die Fortsetzung des Projekts ausgesprochen. Der Berlkönig sei „ein gelungenes Beispiel für eine inklusive Infrastruktur“, heißt es darin mit Blick vor allem auf Rollstuhlfahrer, denen die großen Fahrzeuge des Unternehmens den Einstieg erleichterten. Das konventionelle Taxigewerbe scheitere seit Jahren mit der Einführung einer Anschaffungsquote für entsprechend große Autos.

„Statt sich zu dem Vorhaben klar zu bekennen, stellte Verkehrt-Senatorin (Regine) Günther heute im Fachausschuss den verkehrlichen Nutzen im Vergleich zu Kosten in Frage“, teilte vor dem Treffen der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Driederici, mit. „Nahverkehr zum Nulltarif gibt es aber nicht.“

Auch die FDP-Fraktion kritisierte die Haltung der Sozialdemokraten. „Sollte das Projekt am Ende wirklich eingestellt werden, ist Verkehrssenatorin Günther gefordert, andere flexible Angebote des ÖPNV zu entwickeln, die in den Außenbezirken Verbindungen von Tür zu Tür ermöglichen“, teilte Infrastruktursprecher Henner Schmidt mit.

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