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Verkehrserziehung einmal andersDer ÖPNV als Krimi

■ In Niedersachsen versucht man, die Kids gar nicht erst ans Auto zu gewöhnen

Das tägliche Verkehrs-Chaos fängt meist schon im Kindergarten an: Morgens und mittags Auto an und Kind sicher hin und her befördern. „Absurd“, findet das Verkehrspädagoge Arne Hackl. Die Eltern hätten Angst, dass ihrem Nachwuchs bei dem Verkehr etwas passiert. Schließlich sind Autos in Deutschland Todesursache Nummer eins bei Kindern. „Aber dann produzieren die Eltern selbst noch mehr Verkehr.“

Wenn es nur dabei bliebe. Fast schlimmer wiegt für Hackl die Tatsache, dass dabei die nächste Generation gleichzeitig zu Mini-Automobilisten erzogen wird. Für wen mit drei Jahren Autofahren zur selbstverständlichsten Fortbewegungsart wird, der lässt 20 Jahre später wohl kaum die Blechkiste freiwillig stehen. Die Gewöhnung ans Auto dürfe deshalb nicht einfach so weiter gehen, meint Hackl und fordert eine andere Verkehrserziehung: Weg vom Auto.

Zwar gibt es auch in Bremer Schulen etwas, das sich Verkehrsunterricht nennt, aber mehr als ein bisschen Sicherheitstraining mit Polizei und Verkehrswacht inklusive Führerschein werden kaum geboten. Und so folgt auf den Fahrradführerschein (Klasse 4), eine Radralley (Klasse 5). „Dann lässt das Interesse deutlich nach“, so der Bremer Referent für Verkehrserziehung, Dieter Mahlert. Als nächstes gäbe es erst wieder (für die Jungs) den Mofaführerschein (Klasse 10). Im Anschluss lockt dann schon die allmeine Fahrerlaubnis für's Auto.

Inzwischen hat auch die Kultusministerkonferenz beschlossen, dass Verkehrspädagogik auch die Aspekte „Umwelt und Gesundheit“ mit berücksichtigen soll. In Niedersachsen wurden bereits andere Möglichkeiten ausprobiert. In Hannover hat man beispielsweise mal versucht, Großstadtkids für öffentliche Verkehrsmittel zu gewinnen, weiß Arne Hackl, der sich beim dortigen Verkehrsclub Deutschland engagiert. Im Kindergarten fing das an, mit einem Bus, in dem die Kurzen einen Tag lang spielen konnten. Fahrkartenkaufen, Abstempeln wurde geübt, auf das Knöpfchen Drücken, außerdem durfte jeder mal im Fahrersitz landen.

Für die Älteren hat man das Brettspiel „Scotland Yard“ kurzerhand in real life übertragen. Ein Mister X setzte sich in Hannovers Busse und Bahnen, verriet den Jung-Detektiven per Handy, wie viele Stationen er mit welchem Verkehrsmittel auf seiner Flucht per ÖPNV zurückgelegt hatte. Straßenbahnkarte her und checken, welche Linien dafür in Frage kommen - dann selbst hinterher. So lernen auch verwöhnte Beifahrer die Straßenbahnkarten lesen, kriegen Spaß am Liniennetz und schleppen am Wochenende womöglich auch ihre Eltern in die Bahn, um zum Zoo zu kommen.

Neben solchen Motivationsgeschichten müsse aber auch praktisch etwas passieren: Auf dem Land müsste es schickere Schulbusse geben. „Kein Wunder, dass keiner gerne mit den alten Dingern fährt“, meint Hackl. Auch am Straßenbild müsse gebaut werden: Schonraum, wo Kinder spielen können, statt Parkplätze. Das geht, meint Hackl - wenn man nur will.

In Bremen bleibt Verkehrserziehung weiterhin auf die Führerscheine ausgerichtet. Aspekte wie Umwelt und Gesundheit fehlen meist. „Das hängt hier in erster Linie von den Lehrern ab, ob die das in ihren normalen Unterricht einbauen“, meint Mahlert. Für die Oberstufen allerdings soll jetzt ein Fahrsimulator der Polizei erprobt werden, mit dem man das eigene Fahrverhalten nach - theoretisch - fünf Flaschen Bier testen lassen kann. pipe

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