piwik no script img

Verkehr in DeutschlandDas Leiden der Schienen

Deutschland investiert zu wenig in seine Schienennetze – und droht damit in der Wirtschaftskrise stecken zu bleiben. Die Allianz pro Schiene schlägt Alarm.

Das Verkehrsministerium stellt die Weichen falsch, sagt die Allianz pro Schiene. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Verein Allianz pro Schiene sorgt sich um die Qualität des deutschen Schienennetzes. Bei einer Pressekonferenz mit dem Beratungsunternehmen SCI Verkehr am Donnerstag kritisierte der Geschäftsführer der Allianz, Dirk Flege, die Bundesregierung, die Weichen in der Verkehrsinfrastruktur falsch zu setzen.

Laut einer Berechnung der Lobbyorganisation auf Basis des Bundesverkehrsministeriums investierte Deutschland im Jahr 2013 54 Euro pro Kopf in die Schieneninfrastruktur. Damit liegen, unter den betrachteten Ländern, lediglich Frankreich mit 47 Euro und Spanien mit 27 Euro pro Kopf hinter der Bundesrepublik. Spitzenreiter im Feld ist die Schweiz mit einer Investition von insgesamt 366 Euro pro Kopf, gefolgt von Österreich.

Flege und Maria Leenen, die Geschäftsführerin von SCI Verkehr, räumten aber ein, dass ein Vergleich mit den beiden Alpenrepubliken aufgrund ihrer geographischen Lage schwierig sei. Trotzdem fordert Flege eine Aufstockung der staatlichen Mittel für das deutsche Schienennetz: „Deutschland muss mindestens eineinhalb mal so viel in sein Eisenbahnnetz investieren wie bisher, wenn wir uns nicht dauerhaft in der Liga von Wirtschaftskrisenländern einreihen wollen.“ Als konkretes Ziel gab Flege den italienischen Wert von 81 Euro pro Kopf an.

Den Einwand, dass der Vergleich mit Italien vor allem hinke, da das Land, von einer strukturschwächeren Ausgangslage ausgehe als Deutschland, lässt der Geschäftsführer der Allianz nicht gelten: „Auch wenn Italien im Bereich der Schieneninfrastruktur einiges an Nachholbedarf hat, so kann das nicht als Ausrede dafür gelten, dass wir weniger in unser Netz investieren müssen.“ Gerade weil Deutschland ein größeres Netz habe, müsse hier mehr investiert werden, so Flege zur taz.

Deutsche Verkehrspolitik auf falschen Weg

Die geringen Investitionen seien vor allem Ausdruck eines nicht-nachhaltigen Kurses auf Seiten der deutschen Verkehrspolitik. Allein die Investionen des Bundes in den Bestanderhalt der Schienenwege seien von 2006 bis 2013 um lediglich 2 Prozent auf 2,75 Milliarden Euro gestiegen. Im Vergleich mit den Fördergeldern, die Wasser- und Fernstraßen erhalten, ist dies ein verschwindend geringer Betrag. In diesen beiden Bereichen stiegen die Investitionen um jeweils 86 und 50 Prozent über den gleichen Zeitraum.

Die aufkommenden Kosten für einen solchen Ausbau des Schienennetzes könnten laut Flege mit einem Ausbau der LKW-Maut gedeckelt werden. So forderte er, bereits bei LKWs ab 3,5 Tonnen Mautgebühren zu verlangen und die verursachten Umweltschäden in die Mautberechnung miteinfließen zu lassen. „Ohne stärkere Investitionen in das Schienennetz riskiert Deutschland seine Zukunftsfähigkeit zu verlieren“, so Flege.

SCI Verkehr prognostiziert ein Wachstum des Schienengüterverkehrs von 11 Prozent und im Schienenpersonenverkehr von 18 Prozent bis 2018 auf den globalen Transportmärkten. In Europa wachse die Transportnachfrage auf der Schiene um 5 Prozent im Güterverkehr und um 7 Prozent im Personenverkehr, so die Studie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die Schweiz betreibt bei der Pflege der Infrastruktur "Vorsorge". Probleme werden erkannt und gelöst, bevor sie zu Langsamfahrstellen werden und grössere Reparaturen erfordern.

    Dagegen hat Herr Mehdorn das System "Aussitzen" eingeführt. Die Probleme werden aufgelistet in einer immer länger werdenden Liste. Jedes Jahr werden nur die drängensten Probleme gelöst. Die Konsequenz ist, dass die Infrastruktur zerfällt. Geld, was eigentlich für den Streckenneu- und ausbau vorgesehen ist, wird zweckentfremdet um die Strecken auf den Stand vor 20 der 30 Jahren zu bringen.

    Wo anders - z.B. Altona wird so lange gewartet, bis die alte Infrstruktur Schrott ist, um sie dann abreissen zu können, den Grund an Immobilienfreunde zu verkaufen und mit öffentlichen Geld eine Sparvariante der öffentlichen Infrastruktur an anderer Stelle wieder aufzubauen.

    Bei Stuttgart 21 wird die Gleisanzahl auf 8 (mit S-Bahn 10) reduziert. In Zürich wurde gerade ein unterirdischer Bahnhof ZUSÄTZLICH zum bestehenden Kopfbahnhof eröffnet, der die Kapazität um 4 Gleise ERWEITERT.

    Dabei ähneln sich der Berliner Flughafen und Stuttgart 21 insoweit als nicht die Optimierung des Bahnhofs oder Flughafen Haupttriebfeder der Projekte waren, sondern die Bereicherung der Beteiligten.

    Schade dass dies für die anderen Flughafenprojekte sowie den Autobahnausbau nicht in gleichem Masse gilt - sonst hätten wir einen deutlich ökologischeren Verkehrsmix.