Verkauf mit Mahnung: Ein Beirat, zwei Beschlüsse
Der Beirat Mitte stimmt knapp für den Grundstücksverkauf an Kühne+Nagel – und mahnt die Aufarbeitung der Firmengeschichte an.
Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen wird nicht bekannt gegeben. Naheliegend ist jedoch, dass die drei Gegenstimmen von den Linken kommen, die vier Enthaltungen von den Grünen – bei denen erhebliche Vorbehalte gegen den vom Wirtschafts- und Bauressort forcierten Verkauf bestehen. Mit einer Ablehnung hätten sie sich jedoch in einen offenen Konflikt sowohl mit ihrem Bausenator als auch dem baupolitischen Sprecher ihrer Bürgerschaftsfraktion, Robert Bücking, begeben, die beide den Neubau des Firmensitzes unterstützen.
Für „nicht nachvollziehbar“ hält der gesamte Beirat hingegen, „dass an dieser prominenten Stelle kein Architektenwettbewerb durchgeführt wurde“, dies müsse in vergleichbaren Situationen künftig „bindend“ vorgeschrieben werden. Denn: Die Einrichtung des „Gestaltbeirats“, den die Senatsbaudirektorin ins Leben gerufen hatte, könne einen Wettbewerb „nicht ersetzen“.
Der Beirat kritisiert, dass es dem Verfahren insgesamt „in erheblichem Maß an Transparenz fehlt“ und die Öffentlichkeit „viel zu spät informiert“ worden sei: „Erheblich früher“ hätten Bilder von der geplanten Gestaltung des Baus, „nicht nur von der groben Kubatur des Gebäudes, der Öffentlichkeit vorgestellt werden müssen“. Anwesende Anwohner kritisierten, das geplante Gebäude wirke wie ein „Sperr-Riegel“ zwischen Stadt und Weser. Bücking wiederum betonte, der jetzige Platz sei ein ungenutzter „Schmuddelfleck“, die Bebauung bis auf die Kreuzung hinaus als „klare Kontur“ ein städtebaulicher Gewinn.
Bis zum 20. Februar sammelt die taz Ideen für ein „Arisierungs“-Mahnmal. Einsendeadresse ist: 4qmWahrheit@taz.de
Im Anschluss vergibt eine Experten-Jury dotierte Entwurfsaufträge. Auch wenn Bremen keine Fläche zur Verfügung stellt, wird die taz den Wettbewerb wie angekündigt zu Ende führen. Es wäre das erste Mahnmal, das explizit die wirtschaftliche Seite des Holocausts thematisiert.
Hintergrund ist das faktische Monopol, dass sich Kühne+Nagel gesichert hatte, um den kompletten Haus- und Wohnungseinrichtungen jüdischer Deportierte aus ganz Westeuropa abtransportieren zu dürfen
Zwischenzeitlich hatte Kühne+Nagel sogar mit einem veritablen Hochhaus an der Kaisenbrücke als neuem Firmensitz geliebäugelt, die Stadt begrenzte die Geschosszahl jedoch auf elf. „Das ist nur eines mehr als bisher“, betont die Senatsbaudirektorin. Dennoch soll der Neubau mit 40 Metern sechs Meter höher als der bisherige Firmensitz sein und mit 11.500 Quadratmetern eine nahezu verdoppelte Bruttogeschoss-Fläche aufweisen.
Warum Kühne+Nagel an dieser Stelle in diesem Umfang bauen möchte, begründete der Norddeutschland-Chef der Firma, Uwe Bielang, nicht nur mit funktionalen Erfordernissen: Hinter dem Projekt stecke seitens des Mehrheitsaktionärs „eine ganz wichtige Emotionalität“, betonte er mehrfach: „Das hat was mit Emotionen, Wurzeln und Historie zu tun.“
Ähnliche Gründe führte die taz ins Feld, die auf der Beiratssitzung ihre Initiative für ein „Arisierungs“-Mahnmal vor dem Firmensitz erläuterte: Kühne+Nagel machte nicht nur bemerkenswert große NS-Geschäfte, indem es unter anderem 72.000 jüdische Wohnungseinrichtungen der „Verwertung“ zuführte, sondern tut sich auch in bemerkenswerter Weise schwer mit deren Aufarbeitung. „Diese Debatte lässt den Beirat nicht unberührt“, erklärte dessen Sprecher Michael Rüppel (Grüne) und regte eine Sondersitzung zum Thema an.
Nach engagierter Debatte beschloss der Beirat mit nur zwei Gegenstimmen zunächst eine „Positionierung“: „Der Neubau an dem Ort, an dem bereits das Stammgebäude der Firma stand, wäre ein guter und geeigneter Zeitpunkt, sich seiner Vergangenheit zu stellen und diese aufzuarbeiten. Der Beirat sieht hier Handlungsbedarf.“ Der FDP-Vertreter im Beirat hatte zuvor vergeblich die „Nicht-Befassung“ mit dieser Erklärung beantragt.
Die baupolitische Sprecherin der Linken, Claudia Bernhard, qualifiziert den in der vergangenen Woche vorgestellten Entwurf als „bauliches Denkmal für die Kühne-Dynastie“, das „den Charme eines Mausoleums“ verströme. Ein solch „monströses Bauvorhaben“ dürfe nicht „auch noch durch den Verkauf von öffentlichem Grund unterstützt“ werden.
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