Verhinderte Bombenanschläge: CDU sieht ihre Schnüffelpläne bestätigt
Nach dem Sprengstoff-Fund im Sauerland hat die Kanzlerin auf "eine reale Gefahr" hingewiesen. Parteifreunde nutzen den Vorfall konkret, um für ihre Vorhaben zu werben.
Nach der Festnahme von drei Terrorverdächtigen der Gruppe Dschihad Union fordert die CDU umfangreiche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Man müsse "den zuständigen Behörden alle Möglichkeiten geben, Aufklärung zu betreiben", sagte Merkel am Mittwoch in Berlin. "Es gibt nicht nur eine abstrakte Gefahr, es gibt eine reale Gefahr."
Im Gefolge Merkels nutzten auch andere Unionspolitiker wie Sachsens angeschlagener Ministerpräsident Georg Milbradt und die beiden Innenexperten der Unionsfraktion Hans-Peter Uhl und Ralf Göbel die Gelegenheit um für die Online-Durchsuchung privater Computer zu werben. Für letztere ist die "Online-Durchsuchung als Erkenntnisquelle unverzichtbar."
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, sonst der oberste Verfechter der PC-Spionage, gab sich gestern betont zurückhaltend. "Heute ist nicht der Anlass, um derartiges zu debattieren", sagte er am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Um dann hinterher zu schieben: "Aber wenn die Debatte wieder einmal geführt wird, sollte man vielleicht auf die Argumente der zuständigen Behörden hören."
Das Bundeskriminalamt befürwortet die Online-Durchsuchung und andere geplante Ausweitungen polizeilicher Befugnisse ebenfalls. Schäuble und BKA-Vertreter bestritten gestern, dass die Online-Durchsuchung oder die Überwachung von Internet-Telefonie bei den neun Monate andauernden Ermittlungen bereits angewendet worden sei.
Der Vorsitzende des Innenausschusses Sebastian Edathy (SPD) warnt den größeren Koalitionspartner dagegen vor Forderungen nach verschärften Sicherheitsgesetzen: "Ich rate dringend davon ab, diese Nachrichten für eine parteipolitische Debatte zu instrumentalisieren", sagte Edathy der taz. "Wir sollten uns vor Schnellschüssen hüten, denn anhand dieses Beispiels sehen wir, dass die Sicherheitsbehörden auch derzeit schon sehr erfolgreich arbeiten können." Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hält die derzeitigen Gesetze für ausreichend.
SPD-Mann Edathy forderte allerdings mehr Personal für die Sicherheitsbehörden. "Es scheint mir aber geboten über die personelle Ausstattung bei Polizei und anderen Sicherheitsbehörden nachzudenken. Von einem Besuch des BKA weiß ich beispielsweise, dass es dort Schwierigkeiten gibt, all jene zu überwachen, von denen eine potentielle terroristische Gefahr ausgehen könnte."
Schäuble betonte, es sei für die Behörden nicht leicht gewesen, die Terrorverdächtigen zu observieren. "Diese terroristischen Netzwerke basieren auf zwei Prinzipien, zum einen sind sie international sehr gut vernetzt. Zum anderen sind die einzelnen Zellen stark voneinander abgeschottet", sagte der Bundesinnenminister. "In diesem Fall schotteten sich sogar die einzelnen Täter voneinander ab, das machte es den Ermittlern nicht gerade einfacher." Man habe daher auch noch keine Erkenntnisse ob die vereitelten Anschläge in Deutschland und Dänemark miteinander zusammenhingen.
Auch international fanden die vereitelten Terroranschläge große Beachtung. EU-Justizkommissar Franco Frattini nannte die Festnahmen ein "fantastisches Ergebnis für Europa." US-Präsident George W. Bush lobte die deutschen Behörden ebenfalls. Deren Erfolg erinnere aber auch an die weltweite Terrorbedrohung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus