Anschlagspläne: Terrorlabor im Ferienhaus

Die Polizei beobachtete im Sauerland monatelang, ehe sie zugriff. Die Verdächtigen bekamen die Observation offenbar mit, gaben die Anschlagsplanung aber trotzdem nicht auf.

"Anschlag mit möglichst hohen Opferzahlen geplant": Durchsuchtes Haus in Oberschledorn in Nordrhein-Westfalen Bild: dpa

Unter den Augen der deutschen Sicherheitsbehörden liefen monatelang Vorbereitungen zum vielleicht schwersten Terroranschlag der bundesdeutschen Geschichte. Die Polizei griff erst zu, als drei Islamisten im Hochsauerland mit dem Bau eines Sprengsatzes beginnen wollten. Am Dienstag wurden die Männer schließlich festgenommen. "Es hat zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Bevölkerung gegeben", versicherte gestern Generalbundesanwältin Monika Harms vor Journalisten in Karlsruhe.

Bei den drei Verhafteten soll es sich, so Medienberichte, um den 28ä-jährigen Fritz G. aus Ulm, den 22-jährigen Daniel S. aus Saarbrücken und den 29-jährigen Adem Y. aus Hessen gehandelt haben. Die Bundesanwaltschaft wollte das nicht bestätigen und sagte nur, es handele sich um zwei Deutsche, die zum Islam konvertiert sind, und einen Türken.

Die Überwachung begann in Hanau. Vor neun Monaten fielen dem Bundesamt für Verfassungsschutz hier drei Männer auf, die US-Kasernen auskundschafteten. Über das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum in Berlin gelangte der Hinweis Anfang Januar an Polizei und Bundesanwaltschaft, die die weitere Beobachtung übernahmen.

Unter falschem Namen kaufte einer der drei Männer im Februar in Hannover zwölf große Fässer Wasserstoffperoxid. Die Chemikalie ist ein Grundstoff zum Bau von Sprengkörpern. Aus den so beschafften 730 Kilo könnten Bomben mit einer Sprengkraft hergestellt werden, die 550 Kilo TNT entspricht, hat das Bundeskriminalamt (BKA) errechnet. "Zum Vergleich: Die Rucksackbomben in der Londoner U-Bahn hatten eine Sprengkraft von drei bis fünf Kilo TNT", erklärte gestern Jörg Ziercke, der Chef des BKA. Und damit die Dimension der Bedrohung richtig deutlich wird, hatte das BKA gestern in einer Ecke des Saales zehn große, blaue Wasserstoffperoxidfässer aufgebaut. Leer, natürlich.

Die Ermittler waren im Frühjahr jedenfalls hoch alarmiert. "Wir mussten davon ausgehen, dass ein Anschlag mit möglichst hohen Opferzahlen geplant ist", so Ziercke. Doch nun brachten die Männer ihre Fässer mit mehreren Fahrten in den Schwarzwald, wo sie im Raum Freudenstadt in einer Garage zwischengelagert wurden.

Um kein unnötiges Risiko einzugehen, tauschte die Polizei im Juli die Fässer in der Garage aus. Das 35-prozentig konzentrierte Wasserstoffperoxid ersetzten sie durch eine nur 3-prozentige Lösung. "Wir haben uns das von einem Richter genehmigen lassen", gab sich Bundesanwalt Reiner Griesbaum gestern korrekt, "denn man kann ja nicht einfach jemand etwas wegnehmen".

Mitte August mieteten die drei Verschwörer ein Ferienhäuschen im Hochsauerland. Im Dorf Medebach-Oberschleedorn sollte wohl die Arbeit an der Bombe beginnen, denn eines der blauen Fässer war ins Sauerland geschafft worden.

Die Situation spitzte sich zu, als die drei am Sonntag in eine Verkehrskontrolle gerieten, weil sie mit aufgeblendeten Scheinwerfern fuhren. BKA-Chef Ziercke versicherte gestern: "Das war reiner Zufall." Aber die angehenden Terroristen wurden nervös und wollten das Domizil wechseln.

Da griff am Dienstagnachmittag die Polizei zu. Ein Kommando der GSG 9 nahm zwei Islamisten im Haus fest, einer versuchte durch das rückwärtige Badezimmerfenster zu flüchten, so die Darstellung von Ziercke. Zwar wurde er nach 300 Metern gestellt, weil BKA-Beamte einen Sicherungsring um das Haus gezogen haben, doch bei dem Handgemenge entreißt der Islamist dem Beamten die Dienstwaffe und verletzt ihn dabei an der Hand. Möglicherweise versucht er sogar, den Polizisten zu töten. "Das untersuchen wir noch", erklärte Ziercke.

Bei der anschließenden Durchsuchung des Hauses werden militärische Zünder und elektronische Bauteile gefunden. Die Ermittler sahen sich deshalb in der Annahme bestätigt, dass die Gruppe an einer Bombe arbeitete. Anschließend wurden ab Dienstagabend auch 41 Gebäude und Wohnungen im Hessen, dem Saarland und Baden-Württemberg durchsucht.

Das Trio galt als besonders gefährlich, weil es nach Presseberichten von der Observation mitbekommen haben musste, die Anschlagsplanung aber trotzdem nicht aufgab. "Die wurden immer vorsichtiger und konspirativer, hielten aber unbeirrt und fanatisch an ihren Zielen fest", so Ziercke.

Treffen wollten die Attentäter US-Einrichtungen in Deutschland, möglicherweise auch Orte, wo Amerikaner in ihrer Freizeit verkehren. Detaillierte Pläne existierten nach Ansicht der Ermittler nicht. Bei abgehörten Gesprächen soll über den Frankfurter Flughafen, die US-Airbase in Ramstein oder eine simple Diskothek gesprochen worden sein, so Medienberichte. "Angsichts der großen Sprengstoffmenge wäre auch ein Simultananschlag mit mehreren gleichzeitig explodierenden Autobombem möglich gewesen", sagte BKA-Chef Ziercke.

Die Polizeibehörden gehen davon aus, dass die drei im Vorjahr terroristische Ausbildungslager in Nordpakistan besucht und dort auch den Umgang mit Sprengstoff gelernt haben. Dort dürften sie auch in Kontakt zur International Dschihad-Union gekommen sein.

Seit Anfang April wurde gegen die drei offiziell wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Die drei sollen eine eigene Terrorgruppe sein, "die deutsche Zelle der IJU", wie Monika Harms sagte. Gegen alle drei hat der BGH-Ermittlungsrichter inzwischen Untersuchungshaft angeordnet.

Harms und Ziercke waren gestern sehr zufrieden, dankten sich und den anderen Sicherheitsbehörden immer wieder für die gute Zusammenarbeit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.