Verhandlungen um Schulpolitik: Die Gymnasial-Lobby dreht auf
Laut Rot und Grün soll es mehr Inklusionsstellen geben. CDU, FDP und „Wir wollen lernen“-Aktivist Scheuerl wollen Gymnasien sauber halten.

Kuchenlaune bei den Koalitionsverhandlungen: Katharina Fegebank gibt einen aus. Bild: dpa
HAMBURG taz | Die Verhandlungsführer setzten auf gute Nachrichten: Bei der dritten Runde ihrer Koalitionsgespräche hatten sich SPD und Grüne die Schulpolitik vorgenommen.
Und glaubte man am Freitag Katharina Fegebank (Grüne) und Ties Rabe (SPD), sind beide Seiten sich einig geworden: „Wir haben uns auf wichtige Eckpunkte verständigt“, sagte der amtierende Schulsenator Rabe. Dazu gehöre, dass am Schulfrieden festgehalten werde. Für die inklusive Beschulung aller Kinder solle es „mehr Ressourcen“ geben – was das in Stellen übersetzt heißt, blieb offen.
Tags zuvor hatten sich die Koalitionäre in spe auf eine strikte Haushaltsdisziplin geeinigt. Deshalb äußerte die CDU nun Sorge, dass mehr Stellen nur durch Umverteilung zu Lasten der Gymnasien geschaffen werden. Danach gefragt, sagte Rabe jetzt: „Es gibt auch was dazu.“
Gleichwohl verbreiteten Teile der Opposition Alarmstimmung, noch bevor die rot-grünen Verhandlungen überhaupt begannen, aufgehängt einem bislang kaum beachteten Punkt: Die Grünen möchten, dass sich auch Gymnasien an der Inklusion beteiligen. Von einem „freiwilligen Schulversuch“ spricht die Grünen-Abgeordnete Stefanie von Berg.
Ein Gymnasium bekomme zusätzliche Förderressourcen und unterrichte im Gegenzug „zieldifferent“ Schüler, die nicht das Abitur anstreben. Derlei gibt es etwa in Bad Segeberg und Uetersen, dennoch warnte Karin Prien (CDU) vor einer „Schwächung der Gymnasien“.
Im Sommer 2010 versenkte Prien zusammen mit Anna von Treuenfels und Walter Scheuerl mit der Initiative „Wir wollen lernen“ die schwarz-grüne Schulreform.
Im Geiste vereint sind die drei Akteure offenbar bis heute: Man dürfe die „gescheiterte Inklusion nicht auf die Gymnasien ausweiten“, warnt von Treuenfels, inzwischen bei der FDP. Und Scheuerl droht gar mit einem „neuen Volksentscheid“: Das sei die „Stimmung in der Hamburger Elternschaft“.
Darauf angesprochen sagte Rabe, er verstehe die Aufregung nicht. „Den Schulversuch gibt es jetzt schon“. Hamburger Gymnasien hätten laut Inklusionsdrucksache die Möglichkeit, sich daran zu beteiligen. Einige Schulleitungen hätten sich in Bad Seegeberg informiert, wie das funktioniert. Nur ein Gymnasium, das nach dessen Modell arbeitet, gibt es noch nicht. Die Grünen wollen deshalb, dass die Behörde die Einrichtung von drei Versuchsschulen aktiv fördert.
Leser*innenkommentare
Verkehrsfritze
Merkwürdige Wahrnehmung der CDU. Wenn ein Gymnasium freiwillig "schwierigere" Kinder aufnimmt und dafür Fördermittel erhält, dann wird das Gymnasium "geschwächt"? Ich könnt schon wieder kotzen. Bei mir (Gesamtschule damals) waren auch Inklusionskinder. Und natürlich war's nicht immer einfach. Aber diese Kinder zu verbannen, bringt auch nichts. Wenn die Stadt zudem zusätzliche Mittel bereitstellt, kann auch nicht daovn gesprochen werden, dass es schlechter wird. Als wenn es einem jungen Menschen schadet, auch mal "anderen" Kindern zu begegnen.
austenjane
@Verkehrsfritze Die genannten Kinder sind nicht "schwierig", sondern nicht schulfähig. die müssen intensiv individuell gefördert werden - sonst wären sie ja schulfähig. Die "zusätzlichen Mittel" werden nicht reichen. Sie brauchen fachlich solide die permanente Doppelbesetzung - ohne Sonderpädagog/innen geht das nicht. Außer man will hauptsächlich die Sonderschulen sparen - die sind nämlich pro Kind viel teurer. Außerdem ist G8 etwas ganz anderes als "Gesamtschule damals" - die GES hat heute noch G9. Im G8 haben Sie bis Klasse 8 schon fast ein Schuljahr Vorsprung vor G9 - und das auf GY-Level. Ich sehe das bei meinen Kindern. Da gibt es sofort Streß, wenn irgendwer seinen Job nicht macht. Die Politik muss sich entscheiden - "Inklusion" oder G8. Beides ist einfach brutal - für Schüler/innen und Lehrkräfte.
austenjane
Typisches Rot-Grünes Herumgeeiere - wer "Inklusion" ernst meint, muss die GYs abschaffen. Die sind nämlich für Abitur und besonders fitte Schüler/innen. Das widerspricht "Inklusion" total.
Weil man/frau sich das nicht traut, will man die GYs schleichend liquidieren - nicht schulfähige Kinder in GY-Klassen - keine Standards über die Förderung - und das mit G8.
Auf so eine Idee muss mensch erstmal kommen.
Liebe Eltern, rechtzeitig das Kind an ein kirchliches oder privates GY oder ins Umland umschulen. G8 braucht Ruhe und ist auch so schon Stress.
Außerdem - wenn die nicht schulfähigen Kinder aufs GY können, dann alle anderen erst recht - Gleichbehandlung. Das wars dann.
Oder glaubt irgendwer, dass zB permanente Doppelbesetzung mit Sonderpädagog/innen kommt? Alles andere ist ein massier Qualitätsverlust der überfüllten Gymnasien.
Und diese Schüler/innen werden dann mit den Abiturient/innen anderer Bundesländer verglichen? Das ist einfach unfair.
PS
Wer sich im G8 permanent als Störfaktor erlebt, der wird sicherlich kein positiven Erinnerungen an die eigene Schulzeit aufbauen. Wie kann man nur auf sowas kommen? Da krebsen doch schon "normale" Schülerinnen herum.