Vergewaltigungsmythen und -kulturen : Rape Culture und die Justiz
Ulrike Lembke und Christina Clemm im Gespräch über den gesellschaftlichen und strafbehördlichen Umgang mit sexualisierter Gewalt.
Jede dritte Frau in Europa hat in ihrem Leben sexualisierte Gewalt erfahren. Da nur 15 Prozent den Täter anzeigen, ist die Dunkelziffer enorm hoch. Strafrechtlich verurteilt werden von allen Vergewaltigungen nur 1 Prozent.
Viele Opfer verzichten aus Scham, Angst vor Retraumatisierung, ökonomischer Abhängigkeit von ihrem Peiniger oder aufgrund geringer Erfolgschancen auf eine Anzeige. Vorwürfe, jemanden zu Unrecht einer Vergewaltigung zu bezichtigen oder Rufmord zu betreiben, sind nicht selten, was insbesondere bei prominenten Tätern deutlich wird.
Gesellschaftliche Reflexe wie Lynchjustiz, Hexenjagd oder hysterische Cancel Culture sind aus diesem Grund leider nach wie vor ein großer Teil des Diskurses rund um Vergewaltigungen. Die Verurteilungsquote aber ist extrem niedrig, es gibt weitflächige Straflosigkeit.
Was ist das für eine Gesellschaft, die es sich leichter tut, Opfer einer Vergewaltigung der Falschaussage zu bezichtigen und ihr Leid zu bagatellisieren, als den Tathergang korrekt zu rekonstruieren und der Täter habhaft zu werden? Welche Kultur wohnt einer Sozietät inne, die immer wieder überholte Mythen und Bilder von Tätern, Opfern und einer „echten“ Vergewaltigung reproduziert?
Diesen Fragen widmen sich zwei Expertinnen, mit deren Hilfe wir im taz Talk Antworten finden möchten. Wir sprechen über Defizite in Justiz und Strafbehörden und beleuchten, wie sich Unschuldsvermutung gegenüber Angeklagten und Rechte von Betroffen gleichzeitig gewährleisten lassen.
Christina Clemm vertritt als Fachanwältin für Familien- und Strafrecht seit mehr als 25 Jahren Menschen, die von geschlechtsspezifischer, sexualisierter, rassistischer, lgbtiq-feindlicher und rechtsextrem motivierter Gewalt betroffen sind. Ihr erstes Buch „AktenEinsicht. Geschichten von Frauen und Gewalt“ (März 2020) erzählt von, körperlicher und sexualisierter Gewalt ausgesetzten, Frauen, von systematischen Schwächen der Justiz und Strafverfolgungsbehörden.
Prof. Dr. Ulrike Lembke ist seit Oktober 2018 Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien und Mitglied des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Leiterin der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte. Seit März 2020 ist sie für eine Amtszeit von sieben Jahren Richterin des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin.
Die Moderation übernimmt taz-lab-Redakteurin Anastasia Tikhomirova. Sie arbeitet als freie Journalistin in Berlin und studierte Kulturwissenschaft und Philosophie.
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taz Talk: Ulrike Lembke & Christina Clemm über Rape Culture und sexualisierte Gewalt
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