Vergewaltigungen als Waffe: Kein Frieden ohne Frauen
Vergewaltigungen sind Teil der russischen Kriegsführung in der Ukraine. Die Verbrechen müssen sichtbar gemacht und geahndet werden.
D er Krieg gegen die Ukraine wird mit Raketen geführt, mit Granaten, Panzern und Drohnen – und mit Vergewaltigungen. Nackte Frauenleichen am Straßenrand sind dokumentiert, Berichte von Frauen, die vergewaltigt wurden, ebenso. Die britische Botschafterin in der Ukraine schreibt: „Frauen wurden vor ihren Kindern vergewaltigt, Mädchen vor ihren Familien.“ Die ukrainische Botschafterin in Estland twitterte das grauenhafte Bild einer nackten toten Dreijährigen mit „Anzeichen einer Vergewaltigung“.
Weibliche Körper sind ein Schlachtfeld, und Vergewaltigung ist eine Waffe. Als solche werden sie genutzt, seit es Kriege gibt. Berichtet wurde darüber zum Beispiel aus dem Zweiten Weltkrieg, während der Balkankriege in den 1990er Jahren, nach dem Völkermord in Ruanda. Erst danach wurde die internationale Gemeinschaft gewahr, dass sexualisierte Gewalt in Kriegen kein Individualverbrechen ist. Sie wird eingesetzt, um Menschen zu foltern und zu terrorisieren.
Seit 2008 wird Vergewaltigung in Kriegen von den Vereinten Nationen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Waffe anerkannt. Vergewaltigung als Waffe ist eine Machtdemonstration, die mit global ungleichen Geschlechterverhältnissen zu tun hat. Es geht darum, Männer und Nation zu demütigen, indem sich die Gegner „deren“ Frauen bemächtigen, oft in Gruppen. Schambesetzt ist dieses Verbrechen auch, weil es im eigenen Lager funktioniert: „Geschändete“ Frauen haben ihren Wert verloren.
Wenn sie schwanger werden, gar die Kinder der Gegner bekommen, wie es etwa in den Balkankriegen oft der Fall war, sind sie zum Teil auf Jahrzehnte gebrandmarkt. Das Prinzip ist dasselbe, überall auf der Welt. Human Rights Watch geht davon aus, dass Kriegsverbrechen gegen Zivilist:innen in der Ukraine keine Ausnahme sind und von der russischen Armee geduldet werden. Was aber tun, außer diese Taten moralisch zu verurteilen?
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Geschlechtergerechtigkeit muss in Friedens- wie in Kriegszeiten handlungsleitend für Regierungen sein. Wenn Frauen im Alltag nicht gleichgestellt sind, sind sie im Kriegszustand noch angreifbarer, verletzlicher. Das Geschlechterbild, das Frauen als „Eigentum“ ihrer Männer markiert, muss gebrochen werden.
Eine feministische Außenpolitik, die im Angesicht von Putins entfesselter Hypermaskulinität von vielen belächelt wird, aber etwa im Koalitionsvertrag der Ampel festgehalten ist, ist elementar: Ohne Frauen kein langfristiger Frieden. Und schließlich brauchen Verbrechen wie diese Sichtbarkeit und Strafe. Öffentlichkeit und Politik dürfen Vergewaltigungen als Kriegswaffe nicht als Kollateralschaden in Kauf nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!