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Vergabe um Atommüll-EndlagerHeftiger Streit über Gorleben-Akten

Grüne und Linke halten Mauschelei bei der Wahl des Endlager-Standortes durch neue Akten für erwiesen. Die CDU widerspricht – und will das Ende der Ermittlungen.

Gorleben bewegt die Gemüter. Jetzt streiten die Parteien um die Interpretation neuer Dokumente aus den 1970ern. Bild: imago/Seeliger

BERLIN taz | Nach dem Bekanntwerden neuer Dokumente über die Auswahl von Gorleben als Endlagerstandort im Jahr 1976 streiten Regierung und Opposition heftig über die Interpretation. Die taz hatte vergangene Woche Papiere der niedersächsischen Landesregierung zitiert, die nahelegen, dass die politische Vorentscheidung für Gorleben unter großem Zeitdruck und ohne fachliche Untersuchung fiel.

So sieht es etwa Sylvia Kotting-Uhl, die die Grünen im Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages vertritt. "Die jetzt ans Licht gekommenen Akten zeichnen ein eindeutiges Bild", sagt sie zum taz-Bericht. "Der Standort Gorleben wurde politisch aus dem Hut gezaubert, weil man unter enormem Zeitdruck stand."

1976 habe dringend ein Standort für ein Endlager benannt werden müssen, so Kotting-Uhl, damit die geplanten Atomkraftwerke gebaut werden durften. Auch Dorothee Menzner (Die Linke) sieht den Aktenvermerk als Bestätigung, dass Gorleben "Ergebnis einer ,politischen Vorentscheidung' Niedersachsens" sei. Sie folgert: "Das Märchen eines geordneten Auswahlprozesses kann man nun getrost ad acta legen."

Das war geschehen: Noch am 8. November 1976 hatte das niedersächsische Wirtschaftsministerium in einer Kabinettsvorlage drei mögliche Standorte für ein Endlager aufgeführt; Gorleben war nicht darunter.

Drei Tage später wurde Gorleben erstmals offiziell vom damaligen niedersächsischen Wirtschaftsminister Walter Leisler Kiep (CDU) bei einem Ministergespräch von Bund und Land vorgeschlagen; das geht aus seinem Tagebuch hervor.

Etwa eine Woche später heißt es in dem neuen Vermerk, dass Lüchow-Dannenberg - das ist der Landkreis, in dem Gorleben liegt - zusätzlich in die Liste aufgenommen werde. Womit es verglichen werden sollte, war dabei noch unklar, wie die Formel "3 + L/D + X" in dem Papier zeigt.

Dennoch sollte innerhalb von "drei Wochen" das Kabinett "politisch" eine "Vorentscheidung" treffen. Unter der Überschrift "Vorschlag MW [Ministerium für Wirtschaft, Red.] für Vorgehen" heißt es weiter: "KEWA [die vom Bund mit der Untersuchung beauftragte Gesellschaft, Red.] hat diesen Gedanken aufgegriffen, aus ihrer Sicht untersucht, und einige, vor allem Lüchow-Dannenberg, für gut befunden."

Entgegengesetzte Interpretation

Während die Opposition dies als Beleg für eine geplante Mauschelei sieht, interpretiert der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Reinhard Grindel, den Satz genau entgegengesetzt: "Das zeigt doch, dass es eine Nachuntersuchung gegeben hat, in der Gorleben positiv abgeschnitten hat", sagte er der taz.

Von einer solchen Nachuntersuchung durch die Kewa hatte zuvor schon der ehemalige Staatssekretär im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Röhler, berichtet.

In den über 1.600 Aktenordnern des Untersuchungsausschusses des Bundestages sei eine solche Nachuntersuchung allerdings nirgends zu finden, hält die Grüne Kotting-Uhl dem entgegen. "Die jetzt ans Licht gekommenen Aktien liefern eine Erklärung, warum das so ist."

CDU kritisiert "akademische Diskussion"

Auch Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler, der erfolgreich auf Einsicht in die Gorleben-Akten geklagt hatte, hält die CDU-Interpretation für unschlüssig. "Aufgrund der Aktenlage ist es wesentlich plausibler, dass Gorleben nachträglich untergeschoben wurde, als dass es eine Nachuntersuchung gegeben hat."

CDU-Mann Grindel hält unterdessen indes nicht nur die Frage, was im Jahr 1976 geschah, für eine "akademische Diskussion", wie er der taz sagte. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa stellte er die Arbeit des Untersuchungsausschusses insgesamt in Frage.

"Der Ausschuss hat nichts Neues gebracht." Die Ermittlungen sollten darum zum Jahresende beendet werden. Ganz anders das Resüme der Linken Dorothee Menzner: "Gorleben ist tot."

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4 Kommentare

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  • S
    Sebas

    @ Branko: Es ist ja interessant, dass Sie wissen wollen, dass Gorleben als Endlager ungeeignet ist. Die letzte Untersuchung besagt nämlich, dass nach bisherigem Erkenntnisstand der Eignungshöffigkeit des Salzstocks Gorleben nichts entgegensteht. Und diese Studie hat nicht die böse CDU/CSU/FDP gemacht, sondern ein gewisser Jürgen Trittin, der im Jahre 1999/2000 Umweltminister war. Und als Umweltminister hat er ein paar handverlesene (und somit sicher anit-atom und anti-Gorleben) Gutachter beauftragt, sämtliche Erkenntnisse und Daten, die aus bisherigen Gorleben-Untersuchungen vorliegen, zu sichten und neu zu bewerten. Tja, und wie gesagt ist der Schluss, zu dem selbst die grünsten und atomkritischten Gutachter, den unser damaliger grüner und atomkritischer Umweltminister finden konnte, ziehen mussten, dass bislang nichts gegen die Eignungshöffigkeit Gorlebens spricht.

     

    Aber was sollen so ein paar Fakten...?

     

    Übrigens kann sich jeder am Verhalten der einzelnen Akteure durch selber denken ganz schnell klar machen, dass selbst die GRÜNEN, GREENPEACE, BUND, BI Lüchow-Dannenberg und wie sie alle heißen wissen, dass Gorleben zumindest HÖCHSTWAHRSCHEINLICH GEEIGNET ist:

     

    Zum einen könnten, wenn wissenschaftlich haltbare Gutachten und Fakten gegen die Eignung Gorlebens sprechen würden, die besagten Organisationen einfach klagen. Dort müssten sie dann gegen die Studien, die eine Eignung Gorlebens nahe legen einfach ihre Daten darlegen, und wenn die wissenschaftlich und technisch haltbar sind, könnten sie per Gericht den Umweltminister ZWINGEN, Gorleben aufzugeben. Irgendwie sind sie aber auf eine echte Überprüfung vor Gericht, wo die Karten auf den Tisch müssen, nicht so sehr scharf...

    Ein weiterer Punkt ist eben, dass wir sogar schon mal einen Grünen (Trittin) und einen absolut anit-atom SPD (Gabriel) Umweltminister hatten. Diese Minister könnten theoretisch mit einer einzigen Unterschrift Gorleben für ungeeignet erklären und die weitere Suche dort einstellen. Wie gesagt theoretisch, denn praktisch würden die Energieversorger klagen, und dann müssten wiederum in einem Gerichtsverfahren die Karten auf den Tisch, die Gorleben-ist-ungeeignet Argumente auf WISSENSCHAFTLICH-TECHNISCHE Haltbarkeit geprüft und nicht nur in den Medien verbreitet werden. Man kann sich jetzt natürlich fragen, warum sowohl Herr Gabriel als auch Herr Trittin diese fachliche Auseinandersetzung gescheut haben wie der Teufel das Weihwasser...

     

    Und auch das 10-Jahres Moratorium zeigt, dass die beiden eigentlich von der Eignung Gorlebens überzeugt sind: Stellen Sie sich vor, Sie wären heute Umweltminister. Sie könnten also die Gutachter, die die Eignung beurteilen sollen, per Haudauswahl selber aussuchen. Das könnten gerne auch Geologen sein, mit denen Sie schon gegen Gorleben auf die Straße gegangen sind. Und Sie können denen Geld zuteilen (das übrigens die Konzerne bezahlen müssten), den Untersuchungsrahmen festlegen und auch soweit bei den Ergebnissen Spielraum für Interpretationen ist, dies in IHREM Sinne auslegen.

    Würden Sie nicht Ihre handverlesenen Gutachter zu Dutzenden durch Gorleben treiben, um möglichst viele nicht-atomlobbyistisch beeinflusste Studien (wie Ihrer Meinung ja unter Schwarz-Gelb) und Gutachten zu bekommen?

    Was hat aber Herr Trittin nach der oben genannten Studie getan? Er hat jede Untersuchung die seine Behauptungen untermauern könnte, selbst durch die grünsten Gutachter, verboten.

     

    Und die bösen Energiekonzerne? Die haben die ganze Zeit auf das vorzeitige Ende der des Moratoriums gedrängt. Dabei hätten die doch, wenn Gorleben wirklich ungeeignet und nur durch Lügen und Mauschelei wie Sie behaupten haltbar ist, eine Untersuchung durch einen nicht Lobby-beeinflußbaren Gorleben-Gegner und Öko-Gutachter fürchten - und eher darauf drängen, sämtliche Untersuchungen zu verzögern bis evtl. wieder Schwarz-Gelbe Lobbyistenopfer an der Macht sind.

     

    Sie sehen, die HANDLUNGEN der Grünen, GREENPEACE, BUND, ... aber auch der Energieversorger sind NUR zu erklären, wenn man davon ausgeht, dass die Argumente, dass Gorleben nicht geeignet sein soll, keiner Überprüfung standhalten und weitere Untersuchungen WAHRSCHEINLICH die Eignung Gorlebens belegen würden - selbst wenn GREENPEACE selbst seine Geologen da durch jagt.

    Wenn Gorleben tatsächlich nicht geeignet wäre, hätten sich alle, ob pro oder contra Gorleben, genau entgegengesetzt verhalten müssen wie sie es getan haben.

  • B
    Branko

    Ich verstehe ehrlich gesagt die Debatte nicht.

    Das ist doch seit Jahren alles längst bekannt.

    Erstens, daß Gorleben als Endlagerstandort urplötzlich ohne jede Grundlage 'aus dem Hut gezaubert' wurde.

    Und zweitens, daß es erwiesen ist, daß Gorleben als Endlager genauso ungeeignet ist, wie die Asse.

     

    Gut, ich kann natürlich nachvollziehen, daß diese "unter-der-Hand-Mauschel-Pöstchen-Schieber-Meuchel-Schmierer"-Truppe von der CDU das selbstverständlich mal wieder völlig anders sieht.

    Aber die würden sogar leugnen, daß der Himmel blau ist, wenn damit ein Unternehmer um seine öffentliche Auftragsknete fürchten müsste, weil seine Geschäftsgrundlage einen grünen Himmel vorraussetzt.

     

    Aber eins nach dem anderen:

    Jetzt schaffen wir erstmal diese FDP ab.

    Dann müssen die Menschen in Deutschland kapieren, daß diese CDU/CSU genauso nicht nur nicht gebraucht wird, sondern im Sinne der Mehrheit der Bürger auch schleunigst im Endlager der 5%-Hürde landen muß.

    Und DANN haben wir vielleicht mal wieder den Hauch einer Chance, eventuell sowas wie demokratische Politik in diesem Land zu kriegen.

    (Gut, vielleicht muß die SPD auch noch mitgehen - wird man dann sehen ;-]

     

    (An alle, die da jetzt reflexartig den "Dämon Linkspartei" beschwören: Der Stimmzettel ist lang. Sehr lang. Da stehen nicht nur fünf Parteien drauf; und, für alle Demokraten, die es vielleicht noch nicht gewusst haben: Es lassen sich neue draufschreiben.)

     

    Und dann kann man den Menschen in Gorleben vielleicht endlich das sagen, wofür sie seit vielen Jahren völlig zu recht kämpfen:

     

    "Gorleben ist kein Endlager.

    Gorleben wird nie Endlager werden.

    Weil Gorleben völlig ungeignet ist.

    Bis zum Jahr X (max. zehn Jahre) ist eine vernünftige, sichere und nachhaltige Lösung zu finden, was mit dem ganzen atomaren Scheißdreck zu geschehen hat.

    Und dann wird der Mist da wieder weggekarrt.

    Bis dahin wird Gorleben zunächst Zwischenlager bleiben, weil die Infrastruktur nunmal dort geschaffen wurde (Ihr wisst, welchen Parteien Ihr dafür Dank schuldet)."

     

    Logisch, ehrgeiziges Ziel.

    Aber das muß dringender gelöst werden, als die im Vergleich dazu völligen Dünnbrett-Fragen, ob man nun ein Jahr früher oder später aus dem Wahnsinn aussteigt oder welche alternativen Energiekonzepte dann umgesetzt werden.

    An der Frage des Verbleibs des Atommülls kann man sehr schön sehen:

    Politik wird nicht gemacht, um Probleme zu lösen, sondern um sich mit populären Themen in den Vordergrund zu spielen (-> Stimmzettel).

     

    Je länger keine Lösung da ist, desto weiter wird das auf die lange Bank geschoben. Eine fristgesetzte Lösungsfindung muss im Rahmen eines Atomausstiegs mit enthalten sein, sonst macht das keinen Sinn.

    "Ja verbuddel's halt bei den dummen Kartoffelbauern da an der DDR-Grenze. Aus den Augen aus dem Sinn." ist KEINE ordentliche Lösung des Problems.

     

    Okay, kann sein, daß ich jetzt unabsichtlich vielleicht was geschrieben habe, was auch von den Grünen oder der Linkspartei gesagt worden sein könnte.

    Das alleine wäre für ein Tigerentlein ein völlig ausreichender Grund, weder darüber mal nachzudenken, geschweige denn zu demselben Schluß zu kommen.

    Da macht ein schwarz-gelbes Gehirn reflexartig dicht.

     

    "Der Himmel IST grün! Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort. Ich wiederhole: Mein Ehrenwort. Und werde ansonsten dafür die alleinige und volle Verantwortung dafür übernehmen. (Was aber Rücktritte natürlich kategorisch ausschließt, logisch)."

    Jaja. :-))

  • AF
    Atomzirkus | Öko Fritz

    Es dürfte bald jedem klar werden:

     

    Es wird gemauschelt und besch.... nach Strich und Faden!

     

    Das Vertrauen in unsere Politiker ist zu Recht am Boden!

     

    Das Volk (=wir) und die Gesellschaft insgesamt werden von wenigen macht- und geldgierigen manipuliert und ausgebotet.

     

    Also:

    Ohne Endlager keine Atomkraftwerke!

    Ergo:

    Alle AKWs sofort abschalten!!!

    Und die "Gewinne" der AKWs sollten zu 100% der Entsorgungsthematik umgewidmet werden!

     

    Wir brauchen eine funktionierende "Basisdemokratie", Volksentscheide etc.. Die Nähe zu "denen da oben" ist leider nicht vorhanden.

  • M
    monochromata

    "Die jetzt ans Licht gekommenen Aktien liefern eine Erklärung, warum das so ist."

     

    Hat die zitierte wirklich von Aktien gesprochen, oder von Akten?