Vergabe um Atommüll-Endlager: Heftiger Streit über Gorleben-Akten
Grüne und Linke halten Mauschelei bei der Wahl des Endlager-Standortes durch neue Akten für erwiesen. Die CDU widerspricht – und will das Ende der Ermittlungen.
BERLIN taz | Nach dem Bekanntwerden neuer Dokumente über die Auswahl von Gorleben als Endlagerstandort im Jahr 1976 streiten Regierung und Opposition heftig über die Interpretation. Die taz hatte vergangene Woche Papiere der niedersächsischen Landesregierung zitiert, die nahelegen, dass die politische Vorentscheidung für Gorleben unter großem Zeitdruck und ohne fachliche Untersuchung fiel.
So sieht es etwa Sylvia Kotting-Uhl, die die Grünen im Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages vertritt. "Die jetzt ans Licht gekommenen Akten zeichnen ein eindeutiges Bild", sagt sie zum taz-Bericht. "Der Standort Gorleben wurde politisch aus dem Hut gezaubert, weil man unter enormem Zeitdruck stand."
1976 habe dringend ein Standort für ein Endlager benannt werden müssen, so Kotting-Uhl, damit die geplanten Atomkraftwerke gebaut werden durften. Auch Dorothee Menzner (Die Linke) sieht den Aktenvermerk als Bestätigung, dass Gorleben "Ergebnis einer ,politischen Vorentscheidung' Niedersachsens" sei. Sie folgert: "Das Märchen eines geordneten Auswahlprozesses kann man nun getrost ad acta legen."
Das war geschehen: Noch am 8. November 1976 hatte das niedersächsische Wirtschaftsministerium in einer Kabinettsvorlage drei mögliche Standorte für ein Endlager aufgeführt; Gorleben war nicht darunter.
Drei Tage später wurde Gorleben erstmals offiziell vom damaligen niedersächsischen Wirtschaftsminister Walter Leisler Kiep (CDU) bei einem Ministergespräch von Bund und Land vorgeschlagen; das geht aus seinem Tagebuch hervor.
Etwa eine Woche später heißt es in dem neuen Vermerk, dass Lüchow-Dannenberg - das ist der Landkreis, in dem Gorleben liegt - zusätzlich in die Liste aufgenommen werde. Womit es verglichen werden sollte, war dabei noch unklar, wie die Formel "3 + L/D + X" in dem Papier zeigt.
Dennoch sollte innerhalb von "drei Wochen" das Kabinett "politisch" eine "Vorentscheidung" treffen. Unter der Überschrift "Vorschlag MW [Ministerium für Wirtschaft, Red.] für Vorgehen" heißt es weiter: "KEWA [die vom Bund mit der Untersuchung beauftragte Gesellschaft, Red.] hat diesen Gedanken aufgegriffen, aus ihrer Sicht untersucht, und einige, vor allem Lüchow-Dannenberg, für gut befunden."
Entgegengesetzte Interpretation
Während die Opposition dies als Beleg für eine geplante Mauschelei sieht, interpretiert der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Reinhard Grindel, den Satz genau entgegengesetzt: "Das zeigt doch, dass es eine Nachuntersuchung gegeben hat, in der Gorleben positiv abgeschnitten hat", sagte er der taz.
Von einer solchen Nachuntersuchung durch die Kewa hatte zuvor schon der ehemalige Staatssekretär im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Röhler, berichtet.
In den über 1.600 Aktenordnern des Untersuchungsausschusses des Bundestages sei eine solche Nachuntersuchung allerdings nirgends zu finden, hält die Grüne Kotting-Uhl dem entgegen. "Die jetzt ans Licht gekommenen Aktien liefern eine Erklärung, warum das so ist."
CDU kritisiert "akademische Diskussion"
Auch Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler, der erfolgreich auf Einsicht in die Gorleben-Akten geklagt hatte, hält die CDU-Interpretation für unschlüssig. "Aufgrund der Aktenlage ist es wesentlich plausibler, dass Gorleben nachträglich untergeschoben wurde, als dass es eine Nachuntersuchung gegeben hat."
CDU-Mann Grindel hält unterdessen indes nicht nur die Frage, was im Jahr 1976 geschah, für eine "akademische Diskussion", wie er der taz sagte. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa stellte er die Arbeit des Untersuchungsausschusses insgesamt in Frage.
"Der Ausschuss hat nichts Neues gebracht." Die Ermittlungen sollten darum zum Jahresende beendet werden. Ganz anders das Resüme der Linken Dorothee Menzner: "Gorleben ist tot."
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