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Verfrühtes KoalitionsgeplänkelLiebelei im schwarz-gelb-grün

Ist Schwarz-Grün die Zukunft für Berlin? Ein Diskussionsabend in Hohenschönhausen beweist, dass einige damit liebäugeln.

Sieht so die grün-schwarz-gelbe Zukunft aus Bild: Reuters

Reisen bildet. Gerade erst hat Friedbert Pflüger die Kanzlerin nach Indien begleitet. Nun sitzt er in Hohenschönhausen neben Franziska Eichstädt-Bohlig. "Ist Schwarz-Grün die Zukunft von Berlin?" lautet die Frage, die den Fraktionschefs von CDU und Grünen am Donnerstagabend bei einer Gesprächsrunde in der Anna-Seghers-Bibliothek gestellt wird. Als Antwort überreicht Pflüger der grünen Kollegin ein Souvenir aus Neu-Delhi: das Modell eines Taxis: schwarz, mit grünen Streifen und gelbem Dach.

"Das ist viel zu schwarz, zu wenig grün", sagt Eichstädt-Bohlig und bemängelt, dass der kleine Oldtimer wohl "nicht für die Umweltzone" geeignet sei. Die wird ab Januar alle Stinker aus der Innenstadt verbannen. Doch Pflüger weiß es besser. "Innerhalb weniger Monate", verkündet der Weitgereiste, "wurden sämtliche Taxen in Neu-Delhi auf Erdgasbetrieb umgestellt." Radikale Abgasreduzierung durch technischen Fortschritt. "Das ist die Revolution", jubiliert Pflüger. Eichstädt-Bohlig lächelt.

Anderthalb Stunden lang spielen sich beide die Bälle zu. Sie betonen, dass die Frage nach Schwarz-Grün nicht anstehe. Derzeit nicht. Und dass es trotz gemeinsamer Opposition gegen Rot-Rot viele Differenzen gebe. Noch. Denn selbst bei der inneren Sicherheit scheint Annäherung möglich. Da bekundet Eichstädt-Bohlig zwar heftige Bedenken gegen die Hardlinerpositionen des Bundesinnenministers. "Aber ich glaube, dass wir das noch hinbekommen würden", sagt sie zu Pflüger. Der ergänzt: "Die Grünen sind bei dem Thema nicht mehr so naiv wie früher, und wir laufen auch nicht mehr säbelrasselnd durch die Stadt." Bei Koalitionsverhandlungen werde es "quälende Kompromisse geben. Aber es wird hinreichend besser als jetzt."

Das müssten Grüne und CDU auch beim Thema Tempelhof noch beweisen. Eichstädt-Bohlig will den Innenstadt-Airport wie geplant schnell einmotten, "da bin ich eine Öko-Tante." Pflüger hingegen bezweifelt, dass die Schließung "außer beim Lärm" einen ökologischen Effekt habe.

Doch das sind Fragen nach dem Weg. Das gemeinsame Ziel haben beide klar vor Augen. Fast wie ein Weltuntergangsprediger beschwört Pflüger den Klimawandel und die "Verantwortung gegenüber unseren Kindern". "Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern, deren Ausmaß wir noch nicht kennen", sagt der CDU-Mann. Was selbst Eichstädt-Bohlig an den "Katastrophismus, den man den Grünen früher immer vorgeworfen hat", erinnert.

Aber Pflüger spricht bereits von der Basis für ein "schwarz-grünes Projekt": Wirtschaft und Ökologie. "Das trägt!" Er will zeigen, dass man "mit grünen Produkten schwarze Zahlen schreiben" könne. "Die ökologisch-soziale Marktwirtschaft", muss Eichstädt-Bohlig da schnell erinnern, "ist ein urgrünes Ziel."

Dennoch setzt die Wirtschaft weiter auf alte Technologien. Vattenfall etwa plant ein Kohlekraftwerk in Berlin. Wie man das verhindern könne, will ein Zuhörer wissen. "Wählen sie schwarz oder gelb oder grün!", empfiehlt Pflüger. "Kohlekraftwerke ohne CO2-Abscheidung wird es mit einem CDU-Bürgermeister nicht geben. Punkt!" "Als Bürgermeister", sagt Eichstädt-Bohlig, schon fast in die Zukunft entrückt, "muss er das ja genehmigen."

Dann machen sich beide auf den Rückweg. Anders als auf der Hinfahrt ist Eichstädt-Bohlig nicht auf die Tram angewiesen, sie darf bei Pflüger einsteigen. Der hat neben dem Spielzeugtaxi auch sein echtes Auto mitgebracht.

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