Verfolgung von Infektionsketten: Noch immer keine Corona-App
Bei der Coronaeindämmung läuft einiges schief: Zu wenig Personal in den Gesundheitsämtern, zu wenig Tests – und die Handy-App lässt auf sich warten.

Sechs Wochen später ist dieses Ziel aber nur teilweise erreicht. Um die Kontaktpersonen von Infizierten besser ermitteln zu können, hat das Robert-Koch-Institut (RKI) den Gesundheitsämtern angeboten, insgesamt 525 zusätzliche Stellen zu finanzieren. 493 davon sollten nach einer Abfrage des Bedarfs dann tatsächlich kommen. Obwohl sich bis Ende März über 10.000 Menschen beworben hatten, wurden bisher aber nur 346 Stellen besetzt, also 70 Prozent. Das geht aus dem aktuellen internen Lagebericht von Gesundheits- und Innenministerium hervor, der der taz vorliegt.
Zwischen den Bundesländern gibt es dabei große Unterschiede: Während im Saarland schon alle vorgesehenen Stellen besetzt sind und in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen immerhin rund 90 Prozent, sind es in Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz nur etwa die Hälfte, in den übrigen Ländern noch weniger. Hamburg beteiligt sich gar nicht am Projekt des Robert-Koch-Instituts.
Ermitteln und kontaktieren können diese „Scouts“ die Kontaktpersonen zudem weiterhin nur manuell anhand der Erinnerung der Infizierten. Denn die geplante Handy-App, die diesen Prozess stark erleichtern und verbessern könnte, gibt es immer noch nicht. Dass sie nicht wie geplant Mitte April an den Start gehen konnte, liegt zum einen daran, dass die Bundesregierung zunächst eine zentrale Speicherung der erhobenen Daten angestrebt hat; erst nach Protesten von Datenschützern schwenkte sie auf eine dezentrale Lösung um.
Google passt sein Betriebssystem für Corona-App an
Zum anderen ist die Umsetzung offenbar komplizierter als gedacht. Vorgesehen ist jetzt ein Verfahren, bei dem ein Handy über Bluetooth feststellt, welches andere Handy sich mehrere Minuten lang in weniger als zwei Metern Nähe befindet und lokal einen anonymen, temporären Code dieses Geräts speichert. Wenn ein Nutzer positiv getestet wird, werden alle Handys, denen er in den Tagen davor nahe gekommen ist, informiert.
Um das zu ermöglichen, passen Google und Apple gerade ihr Betriebssystem an. Die Bluetooth-Kontaktdaten sollen pro Land nur von einer offiziellen App genutzt werden können; die deutsche Version wird derzeit von der Telekom und SAP in Kooperation mit dem RKI programmiert. Ein Termin, wann sie einsatzbereit sein soll, wird nicht genannt.
Und selbst wenn künftig alle Kontaktpersonen ermittelt werden könnten, ist unklar, ob sie auch auf das Coronavirus getestet würden; bisher passiert das nur, wenn sie ebenfalls Symptome zeigen. Zwar ist die Testkapazität in den letzten Wochen stark ausgeweitet worden; sie wird aber derzeit bei Weitem nicht ausgeschöpft. Etwa ein Drittel der Labore meldet eine Knappheit an notwendigen Reagenzien.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder