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Verfassungsschutz in BerlinChefin tritt zurück

Einen Tag nachdem sie von einer zweiten Panne im Berliner Verfassungsschutz berichtete, tritt Claudia Schmid zurück. Es waren Akten über „Blood & Honour“ vernichtet worden.

Nicht mehr tragbar im Berliner Verfassungsschutz: Claudia Schmid. Bild: dapd

BERLIN dapd | Nach neuen Pannen in ihrer Behörde tritt die Berliner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid zurück. Sie zieht damit die Konsequenzen aus dem Skandal um die Vernichtung von Akten zum Rechtsextremismus, die möglicherweise auch einen Bezug zur rechten Terrorzelle NSU haben. Bisher mussten im Zusammenhang mit NSU-Ermittlungspannen bundesweit bereits vier Verfassungsschutzchefs ihr Amt aufgeben.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte am Mittwoch in der Sitzung des Verfassungsschutzausschusses im Abgeordnetenhaus, Schmid habe sich unter den gegebenen Umständen nicht mehr in der Lage gesehen, ihn weiter zu unterstützen. Sie wolle mit ihrer Entscheidung den Weg für einen Neuanfang freimachen.

Am Tag zuvor hatte Schmid die Öffentlichkeit darüber informiert, dass bereits 2010 Akten zur ehemaligen rechtsextremen Organisation „Blood & Honour“ geschreddert wurden, ohne sie dem Landesarchiv vorgelegt zu haben. Schmid sprach von einem „bedauerlichen Versehen“. Zu den vernichteten Akten gehörten auch Unterlagen zur früheren Nazi-Band Landser, in deren Umfeld sich ein V-Mann der Berliner Sicherheitsbehörden bewegte.

Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte von der Aktenvernichtung am 15. Oktober Kenntnis erhalten, die Information jedoch zurückgehalten, weil er den Vorgang nach eigenen Angaben zunächst prüfen wollte. Ein Teil der Opposition wirft ihm bewusste Täuschung vor.

Schmid ist seit 2001 im Amt. Die Juristin hatte zuvor unter anderem in der Bildungs- und Finanzverwaltung gearbeitet. Zuletzt war sie stellvertretende Datenschutzbeauftragte und dort auch für die Kontrolle des Verfassungsschutzes zuständig.

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13 Kommentare

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  • MK
    Maire K.

    Das Unwort des Jahres steht meines Erachtens fest: Ermittlungspanne

  • L
    Limone

    Klingt eigentlich so, als ob sie gehen muss, weil ihr Chef das gern unter der Decke gehalten hätte?

  • C
    Celsus

    Da ergibt sich doch ein Bild der systematischen Vernachlässigung der Ermittlugen im Bereich des Rechtsextremismus bei Unionsparteien. Es zeichnet sich ein Bild ab, bei dem die Sündenböcke gehen und die Minsiter bleiben dürfen.

     

    Und ist jemals irgendeine - und sei es die sinnloseste Akte von allen gewesen - eine Akte aus dem Bereich des Linksextremismus vernichtet worden?

  • P
    phaeno

    Ja und? Soll das etwa eine Konsequenz sein, die aus einer derartigen Affaire zu ziehen war? Die Dame tritt zurück, natürlich unter Bebehaltung ihrer Bezüge und weiterhin verbeamtet.

    Weder in der NSU-Affaire noch sonst in irgendwelchen Verquickungen von Staatsorganen mit der rechtsradikalen Szene ist bisher irgendwer bestraft worden, der Bundesinnenminister plant sogar, das BundesKatastrophenamt für Verfassungs"schutz" zu vergrößern.

    Vermutlich, dass die Bevölkerungen künftigen Kooperationen zwischen Rechtsradikalen und Behörden nicht mehr so schnell auf die Schliche kommt.

    Wann endlich gibt es die erste tatsächliche Saktion?

  • HT
    H. Tempel

    Schmids Rücktritt ist nur konsequent und kommt einem Rausschmiß durch Senator Henkel um einen Tag zuvor. Der mußte sich immer dafür anpissen lassen, dass seine Oberverfassungsschützerin wichtige Akten frühzeitig (rechtzeitig ?) vernichten ließ. Noch besser freilich wäre gewesen, sie hätte die Behördenschlüssel bei Christian Ströbele abgegeben mit dem Hinweis, dass jetzt nichts NSU-Relevantes mehr im Amt vorhanden sei, er könne ja nachschauen.

    Als Bürokratin in der Seitwärtsbewegung wird sich in kurzer Zeit eine Ersatzplanstelle finden, Leute wie sie fallen erfahrungsgemäß in einen goldenen Fallschirm.

  • DG
    der gehaessige

    DA bei solchen Personalrotationen der Beamten im Geheimdienste die alten Flaschen nur auf neue Plätze gesetzt werden und Frühpensionierte beste Pensionsbezüge kriegen, wird der Skandal nur um eine Facette schlimmer.

  • M
    Maxi

    Wenn ich im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Sicherheitsbehörden in Sachen NSU noch einmal das Wort "Panne" lese, bekomm ich einen Schreikrampf!

  • VB
    Volker Birk

    Wann wird denn dieser unsägliche sogenannte "Verfassungsschutz" endlich aufgelöst?

     

    Dauert das noch lange? Wieviele Aktenvernichtungen in etwa?

  • K
    KlausK

    Panne?

     

    Hört endlich auf Petra Pau. Sie und viele andere können das Wort "Panne" im Zusammenhang mit handfest kriminellen Handlungen in unseren Behörden nicht länger akzeptieren.

  • RF
    Rufus Ffolkes

    Rechts raus ...

     

    Dass die Akten der NSU vernichtet wurde und nicht etwa die von vermeintlichen "Linksextremisten" und "Ausländerextremisten" legt den Schluss nahe, dass man auf den rechten Auge blind ist.

     

    Und derartig in ihrer Sichtweise eingeschränkte - Frau Schmid, Herr Henkel und offensichtlich der ganze Verfassungsschutz - gehören abgeschafft, auch wenn der Berliner Verfassungsschutz vielleicht der Arbeitshypothese folgte: "Wenn wir die Akten von Neonazis schreddern, ist das Problem gelöst, dann gibt es keine Neonazis mehr."

  • IB
    Ingo Bernable

    Wieder einmam ein bedauerlicher Einzelfall von versehentlicher Aktenvernichtung. Und wieder einmal wird ein neuer Kopf auf völlig verkorkste Strukturen gesetzt, die die Verfassung genau so wenig zu schützen vermögen wie das Leben migrantischer Mitbürger*innen.

    Der Verfassungsschutz muss endlich aufgelöst und durch einen Ansatz ersetzt werden, der Transparenz in den rechten Sumpf bringt. Ein Geheimdienst hat sich dazu bewiesenermaßen als der völlig falsche Weg herausgestellt.

  • CA
    C. Antonius

    Die Frage, die sich bei vielen Rücktritten stellt, darf auch hier gestellt werden: Gab es Interessen im Apparat, der Dame ein Bein zu stellen? Das Prinzip, das oben für unten haftet, ist natürlich richtig, aber beantwortet längst nicht alle Fragen, die sich in einer größeren Organisation stellen.

     

    Im Übrigen - da wir klare Gesetze samt der entsprechenden Polizei und Justiz haben, braucht unsere Demokratie eigentlich keinen internen

    Verfassungsschutz. Das ist rausgeschmissenes Geld.

    Die politische und gesetzliche Front reicht.

  • J
    Jörn

    So ein Kuhhandel:

    Sie schreddern die Beweise für ihre kriminellen Verstrickungen in den Rechtsterrorismus. Dadurch entgehen sie einer Strafverfolgung und mehrfährigen Freihheitsstrafe. Als Ausgleich dafür treten sie reumütig bei vollen Pensionsbezügen zurück und beklagen öffentlich die "versehentliche" Vernichtung der sie belastenden Akten.