Verfassungsrichterwahl im Bundesrat: Werden die Grünen ausgebremst?
Die Grünen wollen bei den Verfassungsrichterwahlen im Bundesrat beteiligt werden. Karlsruhe fürchtet um die Balance des Ersten Senats.
Die Grünen dürfen bald einen zweiten Verfassungsrichter vorschlagen. Doch darüber regt sich Unmut in Karlsruhe. Viele amtierende Richter befürchten, dass die Grünen die traditionelle Balance zwischen den politischen Blöcken von Union und SPD durcheinanderbringen.
Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten mit je acht Richtern. Die Hälfte der Richter wird vom Bundestag gewählt, die andere Hälfte vom Bundesrat. Für die Wahl ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, um eine ausgewogene Besetzung des Gerichts zu sichern. Bisher hieß das: Union und SPD teilten die Vorschlagsrechte untereinander auf. Derzeit wurden je sieben Richter auf Vorschlag der Union und der SPD gewählt und nur je einer auf Vorschlag von FDP und Grünen.
Die Richter agieren anschließend zwar weisungsfrei und entwickeln sich oft auch anders als gedacht. Aber die pluralistischen Vorschlagsrechte stellen sicher, dass Richter mit unterschiedlichen Einstellungen nach Karlsruhe geschickt werden. Schließlich hat die Auslegung des Grundgesetzes immer auch politische Folgen.
Die Grünen sahen sich bisher benachteiligt. Unter den 16 Richtern wurde nur Susanne Baer, die erste offen homosexuelle Verfassungsrichterin, auf ihren Vorschlag hin gewählt. Nun wollten die Grünen aber auch bei den Verfassungsrichterwahlen im Bundesrat beteiligt werden. Ihr Argument und Druckmittel: Sie sind derzeit an neun von 16 Landesregierungen beteiligt. Wenn sie in all diesen Regierungen auf Enthaltung bestehen, kann gar niemand mehr gewählt werden.
Im September 2016 vereinbarten daher die drei Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), Volker Bouffier (Hessen, für die CDU-regierten Länder) und Carsten Sieling (Bremen, für die SPD-Länder): Künftig können die Grünen jeden fünften Verfassungsrichter vorschlagen, der im Bundesrat gewählt wird.
Der erste Anwendungsfall dieser Abmachung betrifft die Nachfolge von Michael Eichberger, der einst auf Vorschlag der CDU/CSU gewählt wurde. Die Grünen schlugen Claudio Nedden-Boeger vor, seit 2011 Richter am Bundesgerichtshof.
Richter fürchten um Akzeptanz ihrer Entscheidungen
Doch nun begann man in Karlsruhe nachzurechnen: Wenn Nedden-Boeger gewählt wird, geriete die Balance des Ersten Senats durcheinander. Vielen Verfassungsrichtern ist das nicht geheuer, sie fürchten um die Akzeptanz ihrer Entscheidungen und wünschen sich, dass die Politik am traditionellen Vier-zu-Vier-Schema festhält.
Anfang Februar wurde das Thema in der Konferenz der Ministerpräsidenten erst einmal vertagt.
Die Grünen aber sind sauer. Die Unwucht bestehe ja nur für zwei Jahre, denn dann bekäme die CDU/CSU das Vorschlagsrecht für den Nachfolger des ausscheidenden Richters Johannes Masing. Ohnehin komme es in Karlsruhe selten zu Kampfabstimmungen. Kretschmann besteht daher auf der Einhaltung der Absprache von 2016. Nedden-Böger soll am 23. März im Bundesrat gewählt werden.
Eine Alternative könnte sein, dass die Grünen im Jahr 2020 den Nachfolger des dann ausscheidenden Andreas Vosskuhle benennen dürfen. Der Nachfolger würde dann zwar nicht Gerichtspräsident, aber die Grünen hätten erstmals Einfluss auf die Zusammensetzung des machtpolitisch wichtigeren Zweiten Senats. Und sie hätten größere Auswahl, weil sie hier auch einE RechtsprofessorIn benennen können.
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