Verfassungsreform in Italien: Stabile Regierungen, bessere Gesetze
Das Parlament verabschiedet die Verfassungsreform. Regierungschef Matteo Renzi verbucht einen Erfolg. Und spekuliert auf viel mehr Macht
Stabilere Regierungen, ein effizienterer Gesetzgebungsprozess: Dies waren die zentralen Ziele der Reform, die Renzi seit seinem Regierungsantritt vor gut zwei Jahren zu seinem Hauptanliegen gemacht hat. Das Vorhaben klingt plausibel, schließlich hat Italien seit 1946 schon 64 Regierungen gesehen. Und schließlich ist die Verabschiedung von Gesetzen besonders zäh, da das Land bisher über zwei völlig gleichberechtigte Kammern verfügt, das Abgeordnetenhaus und den Senat.
Die weitgehende Entmachtung des Senats ist denn auch der Kernpunkt des Verfassungsumbaus. Statt 315 wird es künftig nur noch 100 Senatoren geben, entsandt von den Regionen. Bisher galt, dass jede Regierung in beiden Häusern das Vertrauen haben musste, dass jedes Gesetz von beiden Kammern abgesegnet werden musste.
In Zukunft dagegen wird allein das Abgeordnetenhaus der Regierung das Vertrauen aussprechen; auch bei der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes wird der Senat nicht mehr gefragt. Bindend ist die Zustimmung des Senats nur noch bei internationalen Verträgen, bei Verfassungsreformen, bei der Wahlgesetzgebung und beim Familienrecht.
Automatische Mehrheiten
Die Regierung hat in Zukunft auch deshalb eine weitaus stärkere Stellung, weil in den letzten Monaten auch das Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus verändert wurde. Bei den nächsten Wahlen wird die stärkste Partei automatisch 54 Prozent der Sitze erhalten, wenn sie mehr als 40 Prozent der Stimmen erhält. Sollte keiner diese Hürde überwinden, dann gehen die beiden stärksten Parteien in die Stichwahl – und der Sieger erhält dann den Mehrheitsbonus.
Der künftige Regierungschef hätte damit eine Macht, über die bisher kein Vorgänger verfügte. Er wäre nicht mehr auf zerstrittene Koalitionen angewiesen, er müsste nicht mehr mit unterschiedlichen Mehrheiten in den beiden Häusern zurechtkommen, er würde nicht mehr durch das Ping-Pong zwischen Abgeordnetenhaus und Senat gebremst.
Ehe es soweit kommt, muss die Verfassungsreform noch durch ein Referendum. Voraussichtlich im Oktober werden die Italiener abstimmen, gegenwärtig gilt ein Ja als sicher. Renzi bindet zugleich sein Schicksal an das Votum; bei einem Nein will er sich aus der Politik zurückziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund