Verfassungsreferendum in Belarus: Sieg an der Heimatfront
In Belarus lässt Lukaschenko abstimmen und erhält passend zur Situation neue Vollmachten: Nun darf er die Armee auch im Ausland einsetzen.
I n normalen Zeiten wäre dem Verfassungsreferendum in Belarus am vergangenen Sonntag wohl nur wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden – aus gutem Grund. Die vierte derartige Veranstaltung in der 28-jährigen Amtszeit von Alexander Lukaschenko lief ab wie immer: Fälschungen, Einschüchterungen in großem Stil und ein mehrheitliches Ja zu den Vorschlägen Lukaschenkos.
Der könnte den Belaruss*innen jetzt noch bis 2035 als Präsident erhalten bleiben und ist zudem lebenslang vor Strafverfolgung geschützt. Das ist keine Kleinigkeit angesichts nicht enden wollender massiver Repressionen gegen die Zivilbevölkerung und über 1.000 politischen Gefangenen.
Business as usual also? Von wegen. Die geplanten Verfassungsänderungen machen es möglich, Atomwaffen künftig auch auf belarussischem Territorium zu stationieren. Das ist zwar ein klarer Verstoß gegen das Budapester Memorandum von 1994, aber damit hatte Russland bei der Annexion der Krim und dem von ihm mitinszenierten Ausbruch des Krieges in der Ostukraine bekanntlich schon 2014 kein Problem. Hinzu kommt, dass belarussische Truppen fortan auch an Kampfeinsätzen im Ausland teilnehmen dürfen.
Vor dem Hintergrund der russischen Invasion in der Ukraine sowie Putins atomaren Drohgebärden ist diese Entwicklung brandgefährlich. Schon jetzt ist Lukaschenko ein Herrscher von Putins Gnaden. Und er hat in den vergangenen Tagen keinen Zweifel daran gelassen, fest an Moskaus Seite zu stehen.
Das unterscheidet ihn von seiner Bevölkerung. Deren Widerstand ist wieder erwacht. Trotz des Terrors, mit dem Lukaschenko sein Land überzieht, haben sich Belaruss*innen in vielen Städten auf die Straße getraut, um gegen diesen Krieg zu protestieren. Und sie haben postwendend dafür bezahlt. Hunderte wurden festgenommen.
Man kann dieser Tage auf unterschiedliche Art und Weise seine Solidarität mit der Ukraine bekunden. Wer sich dafür jedoch wie viele Belaruss*innen einem übermächtigen Staat entgegenstellt, der vor nichts zurückschreckt, verdient mehr als Respekt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe