Kein Strom mehr aus Russland: Ukraine koppelt sich ab

Seit Jahren will Kiew ins westeuropäische Energienetz integriert werden. Ausgerechnet am Tag des Überfalls startete ein Test.

Strommast mit Leitungen

Das ukrainische Stromleitungsnetz ist immer noch an Russland und Belarus angeschlossen Foto: allOver/imago

KIEW taz | Ukrainische Umweltgruppen bitten die EU-Kommission um eine zeitnahe Anbindung des ukrainischen Stromleitungsnetzes an das europäische Netz Entso-E. Als Erbe der Sow­jetunion ist das ukrainische Stromleitungsnetz immer noch an Belarus und Russland angeschlossen. Einzige Ausnahme: das Kraftwerk Burschtyn im Westen des Landes, das über eine 750-Kilovolt-Leitung mit Ungarn verbunden ist. Seit Jahren will die Ukraine von dieser Abhängigkeit weg – und ins westliche Stromnetz integriert werden. Durch den russischen Angriff hat sich das Problem der Energiesouveränität natürlich noch verschärft.

Die EU will die Ukraine im Prinzip in das europäische Stromleitungsnetz aufnehmen, nennt jedoch einige Anforderungen. Eine lautet: Die Ukraine muss eine 3-tägige Testphase durchlaufen, in der sie sich völlig isoliert von anderen Ländern selbstständig versorgt. Diese Testphase startete ausgerechnet am Tag des Einmarschs der Russen am vergangenen Donnerstag und endete am Sonntag. Auch die benachbarte Republik Moldau wollte bei dem Test mitmachen.

Angesichts des Überfalls auf das Land verkaufen Belarus und Russland inzwischen keinen Strom mehr an die Ukraine. Dabei hatte Kiew noch vor Kurzem mangels Kohle und Erdgas auf Stromimporte aus Belarus zurückgreifen müssen.

Die Abtrennung vom russischen und belarussischen Stromnetz sei nun dauerhaft, kündigte das ukrainische Energieministerium am Wochenende an. Am Montag hieß es auf der Webseite des Netzbetreibers Ukrenergo, dass der Strombetrieb im Land derzeit autonom ohne Importe funktioniere. Angesichts einer kriegerischen Auseinandersetzung, die jederzeit eins der Kraftwerke in Mitleidenschaft ziehen kann, ein hohes Risiko für die Stromversorgung des Landes.

Schneller als 2023

Vor diesem Hintergrund fordern ukrainische Umweltschützer, dass der Westen die Ukraine schneller an sein Stromnetz anschließen soll. Der Umstieg ist derzeit für das Jahr 2023 geplant. Dies sei zu spät. „Wir fordern die EU auf, unser Stromsystem so schnell wie möglich an Entso-E anzuschließen. Andernfalls riskiert die Ukraine eine Energiekrise inmitten eines erbitterten Kampfes mit Russland“, so die ukrainische Vereinigung Energy Transition.

Die Energieminister der EU wollten bei ­einem Treffen am Montag über die Verbindung der Energienetze diskutieren, teilte EU-Energiekommissarin Kadri Sim­son auf Twitter mit.

Langfristig, so die Umweltschützer von Energy Transition, werde die Ausdehnung des europäischen Energienetzes für die Ukraine und die EU Vorteile bringen. Insbesondere der Übergang zu erneuerbaren Energien und der Ausstieg aus der Kohleverstromung könnten aufgrund des leichteren Ausgleichs der Schwankungen von Solar- und Windenergie schneller und mit geringeren Kosten erfolgen.

So ließen sich Treibhausgasemissionen und Luftverschmutzung durch Wärmekraftwerke verringern. NGOs, Kommunen und Aktivisten gründeten die Energy Transition Coalition 2018, um sich für eine zügige Umstellung des Landes auf erneuerbare Energiequellen einzusetzen.

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