Verfassungsgericht widerspricht Eltern: Schulpflicht auch an Fastnacht
Baptistische Eltern wollten ihre Kinder an Karneval nicht in die Schule lassen. Das Verfassungsgericht findet, dass sie zu Recht wegen Verletzung der Schulpflicht bestraft wurden.
FREIBURG taz | An staatlichen Schulen darf Karneval gefeiert und über sexuellen Missbrauch aufgeklärt werden. Dies entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht und lehnte die Verfassungsbeschwerde eines baptistischen Elternpaares ab.
An einer Grundschule in Ostwestfalen fanden im Februar 2007 zwei Veranstaltungen statt, die die baptistischen Eltern ihren Kindern nicht zumuten wollten, die "Lütke Fastnacht" und das zweitägige Theaterprojekt "Mein Körper gehört mir", das Kinder für die Gefahren des sexuellen Missbrauchs sensibilisieren sollte. Die Eltern ließen ihre damals acht und neun Jahre alten Söhne an diesen Tagen nicht in die Schule. Daraufhin verhängte das Amtsgericht Paderborn eine Geldbuße von insgesamt 80 Euro wegen Verletzung der Schulpflicht.
Gegen diese Geldbuße erhoben die Eltern Verfassungsbeschwerde. Der Staat habe ihr Erziehungsrecht und die Glaubensfreiheit verletzt. Die Schule habe sich nicht an das Gebot der Neutralität gehalten. Fastnacht sei ein katholisches Fest. Es werde heute so gefeiert, dass Katholiken sich "Ess- und Trinkgelagen" hingäben, sich maskierten und oft völlig enthemmt "wie Narren" benähmen.
Auch das Präventionsprojekt empfanden die Baptisten als Eingriff in ihr Erziehungsrecht, "weil es auf einer absolut einseitigen emanzipatorischen Sexualerziehung" beruhe. Den Kindern werde vermittelt, dass sie über ihre Sexualität allein zu bestimmen hätten. Dies trete an die Stelle elterlicher Erziehung.
Damit werde das Wohl der Kinder gefährdet, weil diese mit der vermeintlichen Freiheit überfordert seien, so die Eltern. Eine derartige Erziehung hebe "Gottes gute Gebote zur Sexualität" auf und ermuntere Kinder zu sexuellen Handlungen.
In beiden Punkten hatte die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg. Das Theaterprojekt habe den Kindern kein bestimmtes Sexualverhalten nahegelegt, sondern versucht, sie gegen Missbrauchsgefahren zu stärken, fanden die Richter.
Fastnacht sei kein katholisches Fest mehr, sondern allgemeines Brauchtum. Die Kinder seien auch nicht gezwungen gewesen, mitzufeiern. Die mit dem Schulbesuch verbundenen Spannungen zwischen den religiösen Überzeugungen einer Minderheit und einer Tradition der Mehrheit seien zumutbar. (Az.: 1 BvR 1358/09)
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