Verfassungsgericht verhandelt Rauchverbot: "Kein Ersatz fürs Thekengespräch"

Drei Gastronomen gehen gegen das Rauchverbot ihrer Bundesländer vor: Das Recht auf Freiheit der Berufsausübung werde beschnitten. Das Urteil ist bundesweit richtungsweisend.

Rauchen - oder nicht rauchen? Bild: ap

KARLSRUHE taz Die Kläger im Streit über das Rauchverbot sparten nicht mit Emotionen. "Ich kann im Moment nur überleben, weil mir mein Vermieter seit fünf Monaten die Pacht gestundet hat", sagte Uli Neu gestern im Bundesverfassungsgericht. Seit 23 Jahren betreibt der Tübinger die Altstadtkneipe "Pfauen". Jetzt klagt er. Mit Tränen in den Augen warnte die Berliner Wirtin Sylvia Thimm Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke): "Sie machen unsere einmalige Berliner Kneipenkultur kaputt."

Die Karlsruher Richter des Ersten Senats müssen entscheiden, ob es beim Rauchverbot künftig Ausnahmen für Einraumkneipen gibt. Während Gaststätten mit mehreren Räumen ein Nebenzimmer für Raucher einrichten können, ist dies bei sogenannten Eckkneipen nicht möglich. Hier gilt deshalb ein absolutes Rauchverbot. Diese Rechtslage besteht in 14 der 16 Bundesländer. In Baden-Württemberg wurde das Rauchverbot schon im August 2007 eingeführt, in Berlin werden ab Juli Bußgelder erhoben.

Kläger Uli Neu hat seit Einführung des Rauchverbots nach eigenen Angaben 30-40 Prozent weniger Umsatz. "Das ist existenzbedrohend". Sein Anwalt Christoph Moench sieht darin eine Verletzung des Grundrechts auf freie Berufsausübung. Der Gesundheitsschutz als Gesetzesauftrag finde seine Grenzen, wenn die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt würde, begründet die Verteidigung.

Die Stuttgarter Sozialministerin Monika Stolz (CDU) warnte dagegen: "In anderen Staaten, etwa in Irland, hat es zum Start des Rauchverbots auch Umsatzeinbußen gegeben. Heute geht es den Pubs prächtig." Stolz hob die 3.300 Todesfälle hervor, die es pro Jahr als Folge des Passivrauchens gebe. "Jeder Gaststättenbesucher sollte sich darauf verlassen können, in jeder Gaststätte einen rauchfreien Raum vorzufinden." Anwalt Moench sagt dagegen: "Es genügt, wenn die Nichtraucher in drei Viertel aller Gaststätten einen rauchfreien Raum finden, weil es dort mehrere Räume gibt." Länderanwalt Hans-Jörg Birk konterte: "Ein Nichtraucher will auch mal in eine Eckkneipe gehen." Er verwies auf das spanische Beispiel, wo die Wirte kleiner Lokale selbst entscheiden können, ob sie die Wirtschaft rauchfrei halten oder nicht, "dort sind jetzt 90 Prozent aller Kneipen unter 100 Quadratmeter Raucherkneipen". Der Stuttgarter CDU-Landtagsabgeordnete Winfried Mack ergänzte: "Auf dem Land gibt es oft ja nur eine Gaststätte, wenn die dann verraucht ist, haben Nichtraucher nicht mal Wahlfreiheit."

Umgekehrt befürchtet der Berliner Anwalt Heinrich Wolff eine Abwanderung der Kneipengäste. Kläger Uli Neu sagt: "Meine Stammgäste kommen weiterhin, aber sie trinken nur noch ein Bier statt drei oder vier." Wenn ständig jemand zum Rauchen auf die Straße müsse, kämen Gespräche eben nicht so richtig in Gang. Auch Ingrid Hartges vom Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sagte: "Ein Nebenraum ist kein wirklicher Ersatz für ein Thekengespräch."

Die Richter werden ihre Entscheidung noch im Juli treffen. Ihren Fragen zielten allerdings meist auf eine Stärkung des Nichtraucherschutzes und nicht auf mehr Ausnahmen für Wirte. Nach Angaben der Dehoga gibt es in Deutschland 250.000 Gaststätten und Hotels, davon rund 68.000 mit nur einem Raum. Zwei Drittel von ihnen seien in ihrer Existenz bedroht.

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