Vereinigungsgedenken: Ich, Helmut Kohl
Die CDU feiert sich selbst und vor allem den kranken Exkanzler: Am Freitag hat Kohl bei einer Festveranstaltung zum CDU-Wiedervereinigungsparteitag 1990 geredet.
Helmut Kohl ist 80 Jahre alt. Er hatte vor zwei Jahren ein Schädel-Hirn-Trauma. Er ist ein kranker, alter Mann. Kohl ringt mit den Worten. Er verschluckt sie, lässt Silben aus, überspringt Sätze. Darf man über Helmut Kohl etwas Böses schreiben? Offenbar eher nein. Seine seltenen öffentlichen Auftritte werden gern "bewegend" genannt. Aber wer öffentlich auftritt, den muss man auch kritisieren können.
Am Freitag hat Kohl bei einer Festveranstaltung zum CDU-Wiedervereinigungsparteitag 1990 geredet. Der Pressesprecher verteilte zuvor den Redetext. Dass Kohl schon immer zum Nuscheln neigte, macht die Sache nicht einfacher.
Es war eine Art Familientreffen, bei dem alle entschlossen waren, sich selbst und besonders Helmut Kohl zu feiern. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe rief, dass die SPD die Einheit aufgab, während Kohl immer dran glaubte. Kanzlerin Merkel fand, dass die SPD die deutsche Einheit verraten hat und es sie ohne Kohl nie gegeben hätte. Kohl sagte, dass die SPD 1990 kläglich versagte und es die Einheit ohne die CDU natürlich nie gegeben hätte.
Kohls Rede war programmatisch. Die CDU müsse konservativ sein und fortschrittlich und uneingeschränkt für Europa. Da wurde seine Aussprache klarer. Europa ist sein Lebensthema, vielleicht noch mehr als Deutschland.
Am Ende grüßte Kohl den kranken Wolfgang Schäuble "mit großer Herzlichkeit". Das sei keine Floskel. Davon stand nichts im Redemanuskript, was die Authentizität dieses Wortes verbürgt. Seit der Spendenaffäre haben Kohl und Schäuble kein Wort mehr gewechselt. Der Gruß war ein Anflug von Altersmilde, vielleicht. Merkel erwähnte Kohl mit keinem Wort. Im Grunde findet Helmut Kohl noch immer nur einen Menschen wirklich wichtig: Helmut Kohl.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen