Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Ganztagsbetreuung bringt Geld
Der geplante Ausbau der Ganztagsplätze für Grundschüler kostet zwar Geld, beschert dem Staat aber auch Einnahmen, weil mehr Mütter arbeiten.

Mittagessen in einer Ganztagsschule Foto: Martin Magunia/Joker/imago
BERLIN taz | Mehr Ganztagsangebote für Grundschulkinder führen zu mehr erwerbstätigen Müttern. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums, die die Autorinnen am Montag in Berlin vorstellten. „Der Ausbau ermöglicht es Frauen, überhaupt erwerbstätig zu sein oder ihre Arbeitszeit aufzustocken“, sagte die Leiterin der DIW-Abteilung für Bildung und Familie, Katharina Spieß.
Die Studie des DIW rechnet drei Szenarien durch, die verschiedene Wünsche von Müttern nach Erwerbstätigkeit berücksichtigen. Je nachdem könne man von einer Erhöhung der Erwerbsquote um zwei bis sechs Prozentpunkte ausgehen, so die Forscherinnen. Dabei wird auch einbezogen, dass nicht nur Mütter, die bisher gar nicht arbeiten, eine Arbeit aufnehmen, sondern auch Mütter, die bereits erwerbstätig sind, ihre Arbeitszeit aufstocken wollen. Das führe zu einer Zunahme von 40.000 bis 100.000 Vollzeit-Arbeitsstellen, so das DIW, was wiederum sowohl die Steuereinnahmen als auch die Einnahmen in der Sozialversicherung erhöhe.
Auf der anderen Seite würde es weniger Ausgaben für Sozialleistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag geben. Die Mehreinnahmen für den Staat lägen je nach Szenario zwischen 1 und 2 Milliarden Euro pro Jahr, hieß es. „Der Ausbau der Ganztagsbetreuung finanziert sich zu einem großen Teil selbst“, sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD).
Dies sei zwar nicht das Hauptaugenmerk bei der Ganztagsbetreuung: „An erster Stelle geht es um die Chancengerechtigkeit für Kinder, eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf, die Gleichstellung von Frauen und die Behebung des Fachkräftemangels“, so Giffey. Bisher allerdings werde kaum darauf geachtet, dass die Ganztagsbetreuung auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen habe.
Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter bis 2025 eingeführt werden soll. Das bedeutet, von Montag bis Freitag sollen Kinder der Klassen eins bis vier acht Stunden täglich betreut sein. Zudem sollen in den Ferien höchstens vier Wochen Schließzeiten möglich sein. Dafür unterstützt der Bund die Länder mit Investitionshilfen in Höhe von 2 Milliarden Euro.
Derzeit ist die Nachfrage und Umsetzung von Ganztagsbetreuungen lokal und regional unterschiedlich stark: Während in Berlin rund 70 Prozent der Kinder in Angeboten der Ganztagsbetreuung seien, seien es etwa in Baden-Württemberg nur rund 24 Prozent.
Leser*innenkommentare
Jon Lydon
Denn deshalb schafft man sich Kinder an: Um sie möglichst früh und möglichst lange fremdbetreuen zu lassen.
So ist das, wenn die marktkonforme Demokratie wirkt.
Sonntagssegler
@Jon Lydon nicht unbedingt.
Mein Frau hat Kunst studiert und wollte Ihre Berufung auch ausüben.
Marktkonform ist das eher nicht, aber eine Betreuung brauchten wir trotzdem.
Und den Kindern hat es gut getan, ohne Eltern mit Kindern spielen zu können.
Jon Lydon
@Sonntagssegler Ja, habe auch sehr zugespitzt formuliert.
Trotzdem ist es traurig zu sehen, dass immer mehr Kinder immer mehr Stunden „organisiert“ verbringen. Ein vernünftiges Lohnniveau und damit einhergehend mehr Anwesenheit der Eltern und damit wiederum einhergehend mehr Möglichkeiten, Freundschaften in der Nachbarschaft zu pflegen, würde ich trotzdem bevorzugen.