Washingtontaz | Wenn Donald Trump heute Mittag an der Westseite des Kapitols als 45. US-Präsident vereidigt wird, werden wohl weniger als halb so viele Menschen zu seinen Füßen stehen und jubeln als beim Amtsantritt seines Vorgängers Barack Obama am 20. Januar 2009. Die Polizei erwartet zwischen 750.000 und 900.000 Trump-Fans auf der Mall und längs der Parade-Route Pennsylvania Avenue, auf der die Trumps anschließend vom Kongress zum Weißen Haus ziehen werden. Neben einer langen Liste von Hollywood-Größen wollen auch an die 60 demokratische Kongressabgeordnete der Zeremonie fernbleiben. So viel Boykott war noch nie.
Wenige Tage vor seiner Zeremonie hat Trump eine Ansprache aus seinem New Yorker Turm in die sozialen Netze gestellt, um nicht allzu verloren im großen öffentlichen Raum zu wirken. „Kommt alle in die Mall“, so der angehende Präsident, „es wird aufregend und wir werden Amerika wieder groß machen.“ Neben der Polizei, für die jede Inauguration eine Großveranstaltung ist, haben dieses Mal auch mehrere tausend Biker aus dem ganzen Land ihre Anwesenheit angekündigt.
„Wir werden eine Mauer aus Fleisch bilden“, so Chris Cox, der in Leder gekleidete Präsident von Biker for Trump im Interview mit FoxNews. Er verstehe seine Gruppe nicht als Bürgerwehr und er vertraue der Polizei – doch zugleich würden seine harten Jungs und Mädchen nicht zulassen, dass linke DemonstrantInnen den neuen Präsidenten stören.
Anders als sonst verzichten auch zahlreiche kleine und große Stars darauf, bei Trumps Zeremonie aufzutreten. Manche – darunter Paul Anka, der ursprünglich Sinatras’ „My Way“ für das künftige First Couple singen wollte – schoben „Terminkonflikte“ vor. Andere, darunter Expräsident George H. W. Bush, machten ihre Gesundheit für ihr Fernbleiben verantwortlich. Sowohl der 92-Jährige als auch seine Frau Barbara sind gegenwärtig im Krankenhaus. Doch Dutzende von Entertainern haben ihre Teilnahme rundweg abgelehnt. Unter anderem sagte Elton John, den Trumps Sprecher als Beleg für die angebliche LGBTQ-Toleranz des künftigen Präsidenten angekündigte hatte, „no“.
Proteste in New York
Am Donnerstag haben in New York mehrere tausend Menschen gegen Donald Trump demonstriert. Sie versammelten sich am Columbus Circle und an der Straße Central Park West, wo sich der Trump Tower befindet. Unter den Teilnehmern waren auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, die Schauspieler Robert de Niro und Alec Baldwin, die Popsängerin Cher und der Regisseur Michael Moore. Auf Transparenten war zu lesen „Trump täglich bekämpfen“, „Gerechtigkeit und Bürgerrechte für alle“ oder „Liebe triumphiert über Hass“. „Morgen ist nicht das Ende. Es ist der Anfang“, sagte de Blasio, ein erklärter Trump-Gegner insbesondere in Einwanderungsfragen. „Wir haben keine Angst vor der Zukunft.“ afp
Andere Stars machten Rückzieher, nachdem Fans mit Konsequenzen gedroht hatten. Zu letzteren gehört die US-Amerikanerin Jennifer Holliday, die bei früheren Anlässen sowohl für Demokraten als auch für Republikaner gesungen hat. Sie erklärte ihren Rückzieher mit den Worten: „Ich höre euch und ich spüre euren Kummer.“ Bei anderen Stars wie dem italienischen Tenor Andrea Bocelli verwischte das Trump-Team die Spuren so geschickt, dass heute unklar ist, ob sie eingeladen waren.
Trumps Hire and Fire
Wer sitzt an Trumps Regierungstafel und trifft politische Entscheidungen, während der Herr des Weißen Hauses gerade über sein Smartphone gebeugt ist und die nächste Tirade auf Twitter raushaut? Und wer ist schon wieder nicht mehr dabei? Ein Überblick über das sich stetig wandelnde Kabinett des Schreckens:
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Verteidigungsminister James Mattis trat Ende 2018 zurück. Einen Tag nachdem Trump ankündigte, dass die USA aus den Kurdengebieten in Syrien abziehen werde, reichte Mattis seinen Rücktritt ein. Bis Mitte 2019 wurde der Posten dann kommissarisch vom früheren stellvertretenden Verteidigungsminister Patrick M. Shanahan besetzt. Seit dem 23. Juli 2019 ist Mark Thomas Esper US-Verteidigungsminister.
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Justizminister Jeff Sessions wurde im November 2018 hingegen gefeuert. Im Zuge der Russland-Ermittlungen war der Vier-Sterne-General in Ungnade gefallen.
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Sessions' Nachfolger als Justizminister wurde im Februar 2019 William Barr, der das Amt schon unter George H. W. Bush ausübte.
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Reince Priebus, zuvor Chef der Republikaner, war bis Juli 2017 Trumps Stabschef im Weißen Haus. Über die Monate war Priebus immer wieder nachgesagt worden, Interna aus dem Weißen Haus an die Presse durchzustechen. Ende Juli 2017 trat er ohne Begründung zurück.
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Auf ihn folgte John Kelly, der bis Januar 2019 durchhielt. Der zweitwichtigste Mann im Weißen Haus soll über Trump gesagt haben: „Er ist ein Idiot.“ Da es keinen Nachfolger gibt, wird der Posten kommissarisch vom Verwaltungsamtschef Mick Mulvaney besetzt.
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Ein Opfer von Kellys neuer Umstrukturierung war im Juli 2017 Trumps Chefstratege Steve Bannon. Medien zufolge wollte Kelly Bannon feuern, Bannon selbst sagte, er habe nie vorgehabt, so lange in der Regierung zu arbeiten. Zuvor war Bannon Chef der rassistischen und antisemitischen Nachrichtenseite Breitbart gewesen.
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John Kelly war davor Heimatschutzminister – auf ihn folgte 2017 Kirstjen Nielsen. Vom 6. Dezember 2017 bis April 2019 war sie Ministerin für Innere Sicherheit. Zwischen Nielsen und dem Weißen Haus hat es praktisch seit ihrer Ernennung zur Ministerin Spannungen gegeben. Der Posten wird derzeit von Kevin McAleenan kommissarisch besetzt.
Sie war die UN-Botschafterin der USA und sollte Donald Trumps „America first“ im Weltmaßstab durchsetzen – nun will sie nicht mehr. Nikki Haley macht Ende des Jahres 2018 Schluss. Im Juli 2019 übernahm die Geschäftsfrau Kelly Dawn Knight Craft den Job.
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Klimawandel? Not his cup of tea. Scott Pruitt war Chef der US-Umweltbehörde (EPA). An die schickte er als Justizminister von Oklahoma einst einen Brief mit der Kritik, die Behörde überschätze die von Energieunternehmen verursachte Luftverschmutzung. Was er ausließ: Geschrieben wurde er von Devon Energy, einer großen Öl- und Gasfirma. Nach zahlreichen Korruptionsskandalen trat er im Juli 2018 zurück.
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Andrew Wheeler folgte bereits im Juli 2018 auf Pruitt als EPA-Chef – auch er ist eher zurückhaltend bei der Einschätzung, was die Schäden durch den Klimawandel sein könnten.
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Besonders oft hat Trump seine nationalen Sicherheitsberater ausgewechselt. Der Erste auf dem Posten war Michael Flynn. Gehen musste er im Februar 2017, weil er vor seiner Amtsübernahme mit dem russischen Botschafter in Washington gequatscht hatte.
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Danach war der Offizier Herbert Raymond McMaster über ein Jahr lang Trumps nationaler Sicherheitsberater. Dem US-Präsidenten gefiel nicht so ganz, was McMaster in Sachen Russland zu sagen hatte – nämlich dass es unbestreitbare Beweise für eine russische Einflussnahme bei der US-Wahl gebe. Im März 2018 feuerte er ihn per Twitter.
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Auf McMaster folgte im April 2018 John Bolton. Bolton ist ein besonders sympathischer Zeitgenosse. Diplomatie ist nicht sein Ding. Er setzt auf die militärische Macht der USA. Das ging selbst Trump zu weit. Er feuerte ihn, so Trump, am 10. September 2019. Bolton selbst sagt, er habe seinen Rücktritt eingereicht.
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2017 hatte es bereits immer wieder Spekulationen über einen Rücktritt Rex Tillersons gegeben. Im März 2018 erfuhr der Außenminister anscheinend durch einen Tweet von Trump, dass er seinen Posten los ist.
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Tillersons Nachfolger im Außernministerium ist seit April 2018 Mike Pompeo, der bisherige CIA-Chef. Er ist mit den Republikanern gut vernetzt und gehört zum erzkonservativen Flügel der Tea-Party. Der Ex-Army-Panzeroffizier ist für die Nutzung von Geheimgefängnissen – das ist jedoch kaum verwunderlich, denn er ist auch ein Befürworter des Waterboardings.
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Sean Spicer war der erste Pressesprecher des Weißen Hauses. Bekannt wurde er, weil er über Trumps Einweihung log und behauptete, die Zuschauerzahl sei die bislang größte für eine solche Feier gewesen. Im Juli 2017 trat er zurück.
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Sarah Huckabee Sanders, Spicers Nachfolgern, verließ im Juni 2019 überraschend das Weiße Haus. Beliebt bei JournalistInnen war sie nicht: Sie strich das tägliche Pressebriefing und wurde wegen ihrer bedingungslosen Loyalität Trump gegenüber kritisiert. Der Präsident fand sie umso toller: „Sie ist eine sehr spezielle Person mit außergewöhnlichen Talenten, die einen großartigen Job gemacht hat. Sarah, danke für deine Arbeit, gut gemacht!“, twitterte er.
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Trumps neue Pressesprecherin: Stephanie Grisham. Sie gilt als ähnlich loyal wie Sarah Sanders, nur eine Prise machtbewusster. Gut vorstellbar, dass Trump das super findet. Ob sie den Job, der so fordernd ist, dass zwei Verantwortliche ihn innerhalb von drei Jahren schmissen, länger aushalten kann?
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Trump machte Tom Price, einen entschiedenen Gegner des „Affordable Care Act“ (Obamacare), zum Gesundheitsminister. Ende September 2017 geriet Price in die Kritik, weil er für Dienstreisen stets Charterjets benutzte und dafür 400.000 Dollar ausgegeben hatte, für Auslandsreisen nutzte er Militärflieger für insgesamt 500.000 Dollar. Er trat am 29. September 2017 zurück.
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Auf Price folgte im Januar 2018 Alex Azar, ein früherer Pharmalobbyist, womit der Bock zum Gärtner gemacht wurde.
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Alexander Acosta war Arbeitsminister. Im Juli 2019 tritt er zurück. Hintergrund ist der Fall um den US-Finanzberater Jeffrey Epstein, der Dutzende Minderjährige missbrauchte und zur Prostitution anstiftete. 2008 war Epstein einem Bundesverfahren entgangen, weil er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft einging. Acosta stimmte dem Deal damals als Staatsanwalt in Florida zu. Trump sagte, Acosta sei ein „sehr guter Arbeitsminister“ gewesen.
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Die 16-jährige Jackie Evancho von „America’s got Talent“, die die Nationalhymne singen wird, wurde im Web als „Verräterin“ bezeichnet: Ihre Schwester, eine 18-jährige Transgender-Frau, will ihrem Auftritt fernbleiben.
In Trumps Ansprache, die er nach eigener Auskunft vor Wochen in Florida geschrieben hat und vom Teleprompter ablesen will, wird es voraussichtlich um die nationale Einheit gehen, von der fast alle US-Präsidenten bei ihrer ersten Ansprache sprechen. Aber Trump, der in seinem Wahlkampf und bei der Auswahl seines Kabinetts so polarisiert hat, wie nur wenige der 44 Männer vor ihm, und der schon vor seinem Amtsantritt weite Teile der Medien, der Öffentlichkeit und der Geheimdienste gegen sich aufgebracht hat, wird es sich voraussichtlich nicht nehmen lassen, auch seine Slogans zu zitieren – darunter den, von dem die Welt in der nächsten Zeit mehr hören wird: „Amerika zuerst“.
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