Verdrängung aus dem Kiez: Keine freiwillige Räumung der M99
Der Laden M99 in der Manteuffelstraße in Kreuzberg soll geräumt werden. Sein Betreiber HG hofft auf breite Unterstützung aus dem Kiez.
Am 9. August 2016 wird um 9 Uhr eine Gerichtsvollzieherin die Ladenräume des Kreuzberger Gemischtwarenladens mit Revolutionsbedarf (M99) in der Manteuffelstraße 99 mit Polizeiunterstützung räumen. Das ist der Inhalt eines Schreibens, das dem Ladenbetreiber Hans-Georg Lindenau, auch als HG bekannt, am vergangenen Wochenende zugestellt wurde. Magnus Hengge von der Bizim-Initiative hatte in den letzten Monaten versucht, die Räumung durch einen Dialog mit Behörden und Eigentümern abzuwenden. „Es gab einige positive Signale, daher ist die Festlegung des Termins doch überraschend“, sagt er.
Im März war ein von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann moderierter runder Tisch gescheitert, weil die Eigentümer den Räumungstitel nicht zurücknehmen wollten. Im Mai verfassten NachbarInnen dann einen Aufruf für den Verbleib des M99 im Kiez. Die Initiative Bizim Kiez, die sich im letzten Jahr gegen die Verdrängung von MieterInnen und Projekten aus dem Kiez gegründet hat, warnte davor, dass mit dem M99 ein weiteres Stück des rebellischen Kreuzberg verschwinden würde. Sie erinnerte auch daran, dass HG, der den Laden seit 1988 betreibt und nach einem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen ist, mit der Räumung auch seine Wohnung verlieren würde.
HG denkt auch jetzt nicht ans Aufgeben. „Ich hoffe bis zur letzten Minute, dass die Räumung verhindert wird, und werde den Laden nicht freiwillig räumen“, erklärte er der taz. Unter dem Motto „Besuchen Sie den M99, solange es ihn noch gibt“ wird in mehreren Sprachen dafür mobilisiert, HG durch einen Einkauf, aber auch durch Solidaritätsaktionen zu unterstützen. Der Laden ist auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt und wird in alternativen Reisebüchern über Kreuzberg aufgeführt.
Mobilisierungen im Vorfeld
Im Internet wird unter dem Motto „HG und M99 bleiben“ seit Wochen für den Tag X, den Räumungstermin, mobilisiert. Was dann genau geplant ist, werde man jetzt diskutieren, erklärte Hengge. Auch das Bündnis Zwangsräumung verhindern bereitet sich auf die Räumung vor. Die Planungen für Aktionen im Vorfeld sind da schon konkreter. Seit Ende Juni veranstaltet HG dienstags zwischen 18 und 22 Uhr vor dem Laden eine Protestkundgebung, zu der von Vertreibung bedrohte MieterInnen und Projekte eingeladen sind. Bisher war die Resonanz aber gering.
Um das Problem der Wohnungslosigkeit auch in eine Gegend zu bringen, in der die Dichte der Immobilienfirmen besonders hoch ist, wird gemeinsam mit Obdachlosen eine Schlafdemo am Kurfürstendamm vorbereitet. Auch für die Zeit nach einer Räumung hat HG bereits Pläne. „Der Verkauf soll dann in einen Container verlegt werden „Dafür brauche ich ein Grundstück mit Dixi-Klo, Wasser- und Stromanschluss in Kreuzberg“, erhofft sich HG Unterstützung durch alternative Projekte und Bezirkspolitik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann