Verdi-Expertin über Flatrate-Bordelle: "Ein ziemlich normaler Laden"

Mit den Angriffen auf die Pussy-Clubs wird die Stimmung angeheizt, um das Prostitutionsgesetz anzugreifen, vermutet Emilja Mitrovic, Verdi-Prostitutionsexpertin.

Emilija Mitrovic: "Das erinnert schon an die Razzien vor der WM, als es auch galt, polizeiliche Präsenz zu zeigen." Bild: dpa

taz: Frau Mitrovic, "Alles ist möglich, Analsex inclusive. So lange, so oft und wie du willst". So wirbt der Pussy Club in Stuttgart-Fellbach um Kunden. Ist das in Ordnung?

Emilija Mitrovic: Solche Art von Werbung ist widerlich, frauenfeindlich, sexistisch. Ein Fall für den Werberat.

Emilija Mitrovic, 55, ist Soziologin im Arbeitskreis Prostitution der Gewerkschaft Verdi mit und hat dafür die Studie "Arbeitsplatz Prostitution" (2007) erstellt.

Sie suggeriert, dass die Frauen, die dort arbeiten, kein Mitspracherecht mehr bei den Praktiken haben.

So kann das nicht gemeint sein. Es bedeutet, dass im Club sämtliche Praktiken angeboten werden, aber sicherlich nicht von allen Frauen. Natürlich kann die einzelne Frau dann immer noch einzelne Praktiken ablehnen. Natürlich kann keine Frau und kein Mann gezwungen werden, bestimmte sexuelle Dienstleistungen auszuüben. Das steht explizit so im Prostitutionsgesetz.

Ist die Werbung dann nicht eine Kundentäuschung?

In der Regel wissen die Kunden auch, dass das eine überzogene Werbung ist. Es ist alles möglich heißt nicht, dass alle alles anbieten.

Der Landesfrauenrat in Baden-Württemberg sagt: So eine Flatrate ist gleichbedeutend mit Vergewaltigung. Hat der Verband da etwas missverstanden?

Ich denke, dass der Landesfrauenrat etwas zu schnell reagiert hat. Es scheint auch eine Art Doppelmoral durch, wenn der Rat fordert, dass die Würde der Prostituierten im Prostitutionsgesetz besonders geschützt werden solle. Der Schutz der Menschenwürde steht bei uns im Grundgesetz. Warum brauchen Prostituierte einen besonderen Schutz? Hier werden Sondergesetze gefordert für eine Gruppe, die nicht der Norm entspricht. Das ist immer gefährlich.

Die Betreiberin des Pussy-Clubs und ihre Mitarbeiterinnen wehren sich. Sie sagen, die Arbeitsbedingungen in ihrem Club seien besser als anderswo. Stimmt das?

Das kann ich nicht beurteilen, ich war nicht dort. Aber generell höre ich oft Klagen, dass es etwa in FKK-Clubs, aus denen die Frauen wohl zum Teil kamen, schlechter ist: Dort muss man die ganze Arbeitszeit nackt sein, das empfinden viele als wenig angenehm.

Nun wurden Razzien wegen einer angeblichen Veruntreuung von Sozialabgaben durchgeführt. Wie werten Sie das?

Naja. Da die Frauen angeben, sie seien Subunternehmerinnen mit zweimonatigen Honorarverträgen, können sie ja eigentlich nicht angestellt sein. Da würden schon mal keine Sozialabgaben anfallen, die dann auch nicht unterschlagen werden können. Das ist extrem widersprüchlich.

Nun wurden zwei Pussy-Clubs geschlossen, allerdings aus Hygiene-Gründen.

Ja, aber ob man für Hygiene-Kontrollen eine bundesweite Razzia mit 700 Beamten gebraucht hätte, das ist doch ein bisschen fraglich. Für solche Kontrollen ist eigentlich das Ordnungamt zuständig. Mir scheint der Pussy-Club ein für das Rotlicht-Milieu ziemlich normaler Laden zu sein.

Stefanie Klee vom Bundesverband sexuelle Dienstleistungen vermutet, die Razzien seien politisch motiviert. Die CDU brauche etwas Dampf für den Wahlkampf.

Der Zeitpunkt dieser Razzien ist schon sehr merkwürdig. Kurz zuvor hatte es noch geheißen, die Polizei habe diese Clubs mehrfach überprüft und nichts gefunden. Nun heißt es, die Razzien seien lange geplant und vorbereitet gewesen. Das erinnert schon an die Razzien vor der WM, als es auch galt, polizeiliche Präsenz zu zeigen. Das Ergebnis war dann sehr mager. Der Verdacht liegt nahe, dass nun erneut die Stimmung erst künstlich aufgeheizt wird, damit man nun das Prostitutionsgesetz angreifen kann. Dass Frauenorganisationen dabei mitmachen, finde ich sehr schade.

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