New Yorktaz | Einen „herausragenden Job“ habe Scott Pruitt gemacht, tweetete der US-Präsident am Donnerstag. Aber den Rücktritt des Chefs der Umweltbehörde EPA nahm er dennoch an. Mehr wegen der Form, als des Inhalts. Pruitt war zu der Inkarnation jenes „Sumpfes in Washington“ geworden, über den Donald Trump oft geschimpft hat. Wegen des Verdachtes auf Korruption, Vetternwirtschaft und seiner verschwenderischen Ausgaben im Amt erschien Pruitt zuletzt selbst führenden RepublikanerInnen nicht mehr tragbar.
Bislang laufen zwölf Untersuchungen gegen ihn – darunter eine in seiner eigenen Behörde sowie eine im Repräsentantenhaus. Mehrere demokratische Kongressabgeordnete halten auch einen kriminellen Missbrauch öffentlicher Gelder für möglich und überreichten dem FBI Dokumente für eine Ermittlung.
Pruitt selbst begründete seinen Rückzieher am Donnerstag mit „nicht enden wollenden Attacken“ gegen seine Person und Familie. Und möglicherweise hat ihm eine junge Frau, die ihn vor wenigen Tagen mit ihrem Baby auf dem Arm in einem Restaurant zur Rede gestellt hat, den Rest gegeben. „Wir brauchen jemanden an der Spitze der Umweltbehörde, der tatsächlich die Umwelt schützt, an den Klimawandel glaubt und etwas dagegen unternimmt“, tweetete Kristin Mink nach ihrem Auftritt an seinem Tisch, der als Video sofort zu einem Klick-Erfolg in den sozialen Medien wurde. Nach Pruitts' Rücktritt meldete Mink sich erneut zu Wort. Dieses Mal fragte sie Donald Trump, wo er am Freitag essen geht.
Seit Beginn von Pruitts‘ Amtsantritt sind beinahe monatlich neue Skandale bekannt geworden. Unter anderem ließ er sich von der Gattin eines Energie-Lobbyisten eine Wohnung in Washington zu dem symbolischen Preis von nur 50 Dollar die Nacht vermieten, ließ sich von Industrievertretern zu Reisen einladen, verschaffte seinen Kumpeln aus der Energiewirtschaft Stellen in der EPA und nutzte seine politische Rolle, um einen Job für seine Gattin zu suchen.
Seinen offiziellen Kalender ließ er frisieren, um zu verhindern, dass diese Dinge an die Öffentlichkeit kamen. Doch die Medien blieben ihm und seinen Karriereplänen auf den Fersen. So enthüllte CNN, dass Pruitt dem US-Präsidenten kürzlich vorgeschlagen hat, Justizminister Jeff Sessions zu entlassen und ihm die Position zu geben.
Trumps Hire and Fire
Wer sitzt an Trumps Regierungstafel und trifft politische Entscheidungen, während der Herr des Weißen Hauses gerade über sein Smartphone gebeugt ist und die nächste Tirade auf Twitter raushaut? Und wer ist schon wieder nicht mehr dabei? Ein Überblick über das sich stetig wandelnde Kabinett des Schreckens:
Foto:
dpa
Verteidigungsminister James Mattis trat Ende 2018 zurück. Einen Tag nachdem Trump ankündigte, dass die USA aus den Kurdengebieten in Syrien abziehen werde, reichte Mattis seinen Rücktritt ein. Bis Mitte 2019 wurde der Posten dann kommissarisch vom früheren stellvertretenden Verteidigungsminister Patrick M. Shanahan besetzt. Seit dem 23. Juli 2019 ist Mark Thomas Esper US-Verteidigungsminister.
Foto:
reuters
Justizminister Jeff Sessions wurde im November 2018 hingegen gefeuert. Im Zuge der Russland-Ermittlungen war der Vier-Sterne-General in Ungnade gefallen.
Foto:
ap
Sessions' Nachfolger als Justizminister wurde im Februar 2019 William Barr, der das Amt schon unter George H. W. Bush ausübte.
Foto:
ap
Reince Priebus, zuvor Chef der Republikaner, war bis Juli 2017 Trumps Stabschef im Weißen Haus. Über die Monate war Priebus immer wieder nachgesagt worden, Interna aus dem Weißen Haus an die Presse durchzustechen. Ende Juli 2017 trat er ohne Begründung zurück.
Foto:
reuters
Auf ihn folgte John Kelly, der bis Januar 2019 durchhielt. Der zweitwichtigste Mann im Weißen Haus soll über Trump gesagt haben: „Er ist ein Idiot.“ Da es keinen Nachfolger gibt, wird der Posten kommissarisch vom Verwaltungsamtschef Mick Mulvaney besetzt.
Foto:
ap
Ein Opfer von Kellys neuer Umstrukturierung war im Juli 2017 Trumps Chefstratege Steve Bannon. Medien zufolge wollte Kelly Bannon feuern, Bannon selbst sagte, er habe nie vorgehabt, so lange in der Regierung zu arbeiten. Zuvor war Bannon Chef der rassistischen und antisemitischen Nachrichtenseite Breitbart gewesen.
Foto:
reuters
John Kelly war davor Heimatschutzminister – auf ihn folgte 2017 Kirstjen Nielsen. Vom 6. Dezember 2017 bis April 2019 war sie Ministerin für Innere Sicherheit. Zwischen Nielsen und dem Weißen Haus hat es praktisch seit ihrer Ernennung zur Ministerin Spannungen gegeben. Der Posten wird derzeit von Kevin McAleenan kommissarisch besetzt.
Sie war die UN-Botschafterin der USA und sollte Donald Trumps „America first“ im Weltmaßstab durchsetzen – nun will sie nicht mehr. Nikki Haley macht Ende des Jahres 2018 Schluss. Im Juli 2019 übernahm die Geschäftsfrau Kelly Dawn Knight Craft den Job.
Foto:
ap
Klimawandel? Not his cup of tea. Scott Pruitt war Chef der US-Umweltbehörde (EPA). An die schickte er als Justizminister von Oklahoma einst einen Brief mit der Kritik, die Behörde überschätze die von Energieunternehmen verursachte Luftverschmutzung. Was er ausließ: Geschrieben wurde er von Devon Energy, einer großen Öl- und Gasfirma. Nach zahlreichen Korruptionsskandalen trat er im Juli 2018 zurück.
Foto:
reuters
Andrew Wheeler folgte bereits im Juli 2018 auf Pruitt als EPA-Chef – auch er ist eher zurückhaltend bei der Einschätzung, was die Schäden durch den Klimawandel sein könnten.
Foto:
ap
Besonders oft hat Trump seine nationalen Sicherheitsberater ausgewechselt. Der Erste auf dem Posten war Michael Flynn. Gehen musste er im Februar 2017, weil er vor seiner Amtsübernahme mit dem russischen Botschafter in Washington gequatscht hatte.
Foto:
ap
Danach war der Offizier Herbert Raymond McMaster über ein Jahr lang Trumps nationaler Sicherheitsberater. Dem US-Präsidenten gefiel nicht so ganz, was McMaster in Sachen Russland zu sagen hatte – nämlich dass es unbestreitbare Beweise für eine russische Einflussnahme bei der US-Wahl gebe. Im März 2018 feuerte er ihn per Twitter.
Foto:
reuters
Auf McMaster folgte im April 2018 John Bolton. Bolton ist ein besonders sympathischer Zeitgenosse. Diplomatie ist nicht sein Ding. Er setzt auf die militärische Macht der USA. Das ging selbst Trump zu weit. Er feuerte ihn, so Trump, am 10. September 2019. Bolton selbst sagt, er habe seinen Rücktritt eingereicht.
Foto:
reuters
2017 hatte es bereits immer wieder Spekulationen über einen Rücktritt Rex Tillersons gegeben. Im März 2018 erfuhr der Außenminister anscheinend durch einen Tweet von Trump, dass er seinen Posten los ist.
Foto:
ap
Tillersons Nachfolger im Außernministerium ist seit April 2018 Mike Pompeo, der bisherige CIA-Chef. Er ist mit den Republikanern gut vernetzt und gehört zum erzkonservativen Flügel der Tea-Party. Der Ex-Army-Panzeroffizier ist für die Nutzung von Geheimgefängnissen – das ist jedoch kaum verwunderlich, denn er ist auch ein Befürworter des Waterboardings.
Foto:
ap
Sean Spicer war der erste Pressesprecher des Weißen Hauses. Bekannt wurde er, weil er über Trumps Einweihung log und behauptete, die Zuschauerzahl sei die bislang größte für eine solche Feier gewesen. Im Juli 2017 trat er zurück.
Foto:
reuters
Sarah Huckabee Sanders, Spicers Nachfolgern, verließ im Juni 2019 überraschend das Weiße Haus. Beliebt bei JournalistInnen war sie nicht: Sie strich das tägliche Pressebriefing und wurde wegen ihrer bedingungslosen Loyalität Trump gegenüber kritisiert. Der Präsident fand sie umso toller: „Sie ist eine sehr spezielle Person mit außergewöhnlichen Talenten, die einen großartigen Job gemacht hat. Sarah, danke für deine Arbeit, gut gemacht!“, twitterte er.
Foto:
ap
Trumps neue Pressesprecherin: Stephanie Grisham. Sie gilt als ähnlich loyal wie Sarah Sanders, nur eine Prise machtbewusster. Gut vorstellbar, dass Trump das super findet. Ob sie den Job, der so fordernd ist, dass zwei Verantwortliche ihn innerhalb von drei Jahren schmissen, länger aushalten kann?
Foto:
reuters
Trump machte Tom Price, einen entschiedenen Gegner des „Affordable Care Act“ (Obamacare), zum Gesundheitsminister. Ende September 2017 geriet Price in die Kritik, weil er für Dienstreisen stets Charterjets benutzte und dafür 400.000 Dollar ausgegeben hatte, für Auslandsreisen nutzte er Militärflieger für insgesamt 500.000 Dollar. Er trat am 29. September 2017 zurück.
Foto:
reuters
Auf Price folgte im Januar 2018 Alex Azar, ein früherer Pharmalobbyist, womit der Bock zum Gärtner gemacht wurde.
Foto:
reuters
Alexander Acosta war Arbeitsminister. Im Juli 2019 tritt er zurück. Hintergrund ist der Fall um den US-Finanzberater Jeffrey Epstein, der Dutzende Minderjährige missbrauchte und zur Prostitution anstiftete. 2008 war Epstein einem Bundesverfahren entgangen, weil er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft einging. Acosta stimmte dem Deal damals als Staatsanwalt in Florida zu. Trump sagte, Acosta sei ein „sehr guter Arbeitsminister“ gewesen.
Foto:
ap
Pruitt kam als ausgewiesener Gegner der Umweltbehörde, EPA sowie als Klimawandelleugner nach Washington. Bevor Trump ihn zum EPA-Chef machte, hatte er als Justizminister des Ölstaates Oklahoma 14 Mal gegen die Behörde geklagt, deren Zerstörung er seit Anfang 2017 betreibt. Seit seinem Amtsantritt in Washington hat er die Luft- und Wasserschutzregelungen der Obama-Regierung ausgehöhlt, hat die Obergrenzen für zahlreiche Schadstoffabgaben – darunter Arsen, Blei und Quecksilber – gestrichen, hat den Ausstieg der USA aus dem internationalen Klimaabkommen vorbereitet, und hat für die Zulassung von Ölförderung in Nationalparks und vor der Küste gesorgt. Um kritische Stimmen auszuschalten, erteilte Pruitt gleich zu seinem Amtsantritt ForscherInnen und MitarbeiterInnen seiner Behörde einen Maulkorb.
Dass sich die Umwelt- und Klimapolitik der US-Regierung nach Pruitts' Rücktritt ändert, ist unwahrscheinlich. Seine zerstörerische Arbeit an der Spitze der EPA soll zunächst sein bisheriger Stellvertreter, Andrew Wheeler, fortsetzen. Der hat zwar persönlich ein anderes Profil, liegt aber umweltpolitisch auf derselben Linie wie Pruitt und Trump. Genau wie sein Amtsvorgänger bringt auch Wheeler Interessenkonflikte mit ins Amt, die aus langjährigern Arbeit für große Umweltverschschmutzer rühren. Als Anwalt und Lobbyist war er unter anderem für Kohlekonzerne tätig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!
Jetzt unterstützen
Das Pruitt zurücktritt ist in Ordnung. Die Art und Weise wie dieser Rücktritt zu stande kam ist es ganz und gar nicht.
Kristin Mink: Lehrerin an der Schule auf die Obamas Töchter gingen und schon lange als Agitatorin bekannt. Sie benutzt ihr Kind um einen unliebsamen Amtsinhaber öffentlich zu diskreditieren und einige Likes im Internet zu kassieren. Bravo!
Wie kommt sie eigentlich auf so eine Idee?
Möglicherweise wurde sie von Maxine Waters, eine hochrangige Demokratin inspiriert, die am 23.Juni vor einer begeisterten Menge folgendes sagte:"I want to tell you, these members of his cabinet who remain and try to defend him, they won’t be able to go to a restaurant, they won’t be able to stop at a gas station, they’re not going to be able to shop at a department store. The people are going to turn on them. They’re going to protest. They’re absolutely going to harass them until they decide that they’re going to tell the president, ‘No, I can’t hang with you.’"
Solche Rhetorik bleibt nicht folgenlos: Aktuell sind etwa 70 Fälle bekannt, wo Leute in Restaurants nicht bedient wurden oder auf der Straße verprügelt wurden, nur weil sie eine MAGA Mütze trugen. Als Obama Präsident war ist noch nicht mal die völlig duschgeknallte Tea Party Bewegung so weit gegangen wie die, nicht ohne Grund, "Mad Maxine" genannte Waters.
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich