Verdacht auf Datenlecks bei der Polizei: Opferberatung fordert Kontrollen
In Mecklenburg-Vorpommern häufen sich Fälle, in denen Polizeibeamte unter Verdacht stehen, sensible Daten an Rechtsextreme weitergegeben zu haben.
Hamburg taz | Gibt die Polizei unerlaubt personenbezogene Daten weiter? In Mecklenburg-Vorpommern weist zumindest einiges darauf hin. Kay Bolick von Lobbi, der landesweiten Opferberatung „Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt“ kennt Fälle. Zuletzt wandte sich eine Frau an Lobbi. Sie hatte bei der Polizei einen rassistischen Vorfall gemeldet und bekam dann einen unangenehmen Anruf. „Es war kein langes Gespräch“, sagt Bolick. Aber die Botschaft an die Angerufene sei eindeutig gewesen. Brisant: Der Anrufer muss die Kontaktdaten, so sagt es Bolick, von der Polizei bekommen haben.
Kein Einzelfall: In Greifswald wird gegen einen Polizeibeamten wegen mehrerer möglicher Verstöße gegen das Landesdatenschutzgesetz ermittelt. Ohne dienstlichen Grund soll er versucht haben, an personenbezogene Daten zu kommen. Die Betroffenen dieser Datenabrufe befürchten, sagt Bolick, dass mit den Informationen politische Gegner*innen ausgespäht werden könnten und die Daten vielleicht sogar an Personen aus dem rechten Spektrum weitergegeben worden sein könnten. Und in Stralsund bestätigte die Staatsanwaltschaft, dass ein Polizeibeamter versuchte, an Daten zu kommen. Vergebens, denn er scheiterte an der verhängten Auskunftssperre. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.
In ganz Mecklenburg-Vorpommern sind Polizist*innen schon mehrfach an derartigen Datenabrufen beteiligt gewesen. Beispielsweise wurden Daten über Fahrzeughalter eingeholt und offenbar weitergegeben. Bei den Ermittlungen im Umfeld des rechten Netzwerkes „Nordkreuz“ fand die Polizei beispielsweise eine Adresse und einen Wohnungsgrundriss, die beide mutmaßlich aus dienstlichen Quellen stammen. Ein Polizeibeamter, der in die Weitergabe der Daten verwickelt gewesen sein soll, ist inzwischen suspendiert worden.
Im vergangenen Frühjahr hatten mindestens fünf Betroffene Anzeige erstattet, weil in einer Facebook-Gruppe Gruppenmitglieder aus dem rechten Spektrum zum Teil nicht öffentlich verfügbare Informationen über andere Mitglieder der Gruppe – etwa Klarnamen und Adresse – offenlegen konnten. „In den Fokus geriet dadurch der nun suspendierte Polizeibeamte“, sagt Bolick, da er „zeitweilig Mitglied der Facebook-Gruppe war und offen mit der AfD und mit rechten Positionen sympathisierte“. „Nach einem Jahr erwarten wir endlich Konsequenzen für den Beamten und Vorkehrungen bei der Polizei, dass so etwas nicht wieder vorkommt“, forderte einer der Betroffenen im Gespräch mit der Opferberatung Lobbi.
Ein zahnloser Tiger
Die Landesdatenschutzbehörde will nun unabhängig von den Staatsanwaltschaften die verschiedenen Fälle untersuchen. Die Datenschützer*innen wollen die Protokolle analysieren, die die Polizei über alle Datenbankzugriffe führt. Etwas zahnlos ist dieser Tiger: Am Ende eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens könnte ein Bußgeld verhängt werden.
Für Bolick ist das zu wenig. Er fordert regelmäßige Kontrollen der Beamt*innen und er will, dass Betroffene laufend informiert werden, ob für sie eine Gefahr besteht.
Leser*innenkommentare
Clamus
Unglaublich, dass so etwas keine echten Konsequenzen hat. Also, für die Täter. Für die Opfer sind die Konsequenzen natürlich massiv. Komisch, dass die, die am lautesten nach mehr Sicherheit schreien, keinerlei Motivation zeigen, in den eigenen Reihen etwas dafür zu tun...
Tobsen
Was nicht sein darf, das kann auch nicht sein!
Oder...?
Thomas Brunst
Das 1. Frankfurter/ Main Polizeirevier ist wohl häufiger in unserer Republik vorzufinden als man denkt. Beispielsweise auch in Berlin (taz berichtete).
Franz Georg
Alles nur bedauerliche Einzelfälle, wir haben kein systematisches Problem in den "Sicherheits"behörden, gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.