Verbot von Ferienwohnungen in Berlin: Jetzt wird es ernst
Wer bis Ende April seine Ferienwohnung nicht gemeldet hat, betreibt sein Geschäft illegal. Das scheint die meisten nicht zu stören.
Was für ein Wortungetüm. Acht Silben. Ohne Trennungsstriche würde es nicht einmal in eine taz-Zeile passen, dieses Zweck-ent-frem-dungs-ver-bots-ge-setz. Hätte man das nicht auch kürzer machen können? Und vor allem etwas schärfer?
Am 30. April wird sich zeigen, ob das Gesetz seine acht Silben wert ist. An diesem Tag läuft die zweijährige Übergangsfrist aus. Wer in Berlin eine Ferienwohnung betreibt und bis dahin nicht beim zuständigen Bezirksamt eine Legalisierung beantragt hat, vermietet ab sofort illegal. Wer ohne Genehmigung weiterhin vermietet oder erst gar nichts meldet und erwischt wird, muss mit bis zu 100.000 Euro Bußgeld rechnen. Eine Summe, die vielleicht furchteinflößender ist als ein achtsilbiges Wortungetüm.
Jede sechste Übernachtung
In Berlin gibt es 24.000 Ferienwohnungen, heißt es in der aktuellen Studie des Immobilienentwicklers GBI. Auf 23.000 war der Stadtrat Stephan von Dassel aus Mitte gekommen, der bereits im August 2015 eine Studie in Auftrag gegeben hatte. Unbestritten ist, dass Berlin damit Spitzenreiter in Deutschland ist. Jede sechste Übernachtung findet in privat vermieteten Wohnungen statt. Insgesamt hat Berlin 1,9 Millionen Wohnungen.
Um das florierende Geschäft auszutrocknen, gilt seit dem 1. Mai 2014 das Gesetz mit den acht Silben. Unerlaubter Leerstand fällt darunter, aber eben auch das unerlaubte Vermieten der eigenen Wohnung. In einer Stadt, die bald die Viermillionenmarke reißen wird, soll möglichst jede Wohnung wieder der normalen Vermietung zugeführt werden. Aber wird das auch klappen?
Stephan von Dassel geht weiter von einer hohen Dunkelziffer aus. In Mitte seien bisher 842 Anträge auf Genehmigung der Vermietung einer Ferienwohnung gestellt worden, sagt der grüne Stadtrat auf Nachfrage. 1.557 BetreiberInnen hatten sich nach Inkrafttreten des Gesetzes in der vorgeschriebenen Dreimonatsfrist gemeldet und den Betrieb einer Ferienwohnung bekannt gegeben. Nur jeder Zweite der Sichmeldenden will damit über die Übergangsfrist hinaus weitervermieten. In Berlin haben sich bis Ende Juli 2014 insgesamt 6.400 BetreiberInnen gemeldet – das ist nur ein Viertel der Wohnungen, die von Dassel und die GBI ermittelt haben. Es kann also von 17.000 Ferienwohnungen ausgegangen werden, die in ganz Berlin illegal vermietet werden.
Allein in Mitte gibt es 3.500 illegale Ferienwohnungen, schätzt Stadtrat von Dassel. Schon jetzt geht der Bezirk gegen die illegalen FerienwohnungsvermieterInnen vor. 938 Verfahren hat das Amt eingeleitet. Dabei wurden, so der Stadtrat, 99 illegale Ferienwohnungsnutzungen beendet. So richtig werden sich die Bezirke erst Anfang Mai an die Arbeit machen.
Ob es gelingt, den grauen Markt tatsächlich auszutrocknen, hängt auch davon ab, wie viele MitarbeiterInnen im Außendienst auf die Pirsch gehen. Nur mit mehr MitarbeiterInnen kann das Verbot auch umgesetzt werden. Zu den insgesamt 34 bestehenden Stellen in den Bezirksämtern, sollen deshalb noch 30 hinzukommen. Auch die BetreiberInnen von Vermittlungsplattformen im Internet sind verpflichtet, den Bezirken Informationen über die VermieterInnen zu überlassen. Die Plattform Wimdu klagt bereits dagegen.
Und auch als Nachbar kann man aktiv werden: Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot können ab sofort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt per Onlineformular unter www.berlin.de/zweckentfremdung gemeldet werden.
Fest steht, wer seine Wohnung ohne Genehmigung an Touristen vermietet, geht ab der kommenden Woche ein hohes Risiko ein. Weiterhin erlaubt ist dagegen, einzelne Zimmer zu vermieten, solange die Fläche nicht mehr als die Hälfte der Wohnung ausmacht. BerlinerInnen, die in WGs wohnen und in den Urlaub fahren möchten, können also beruhigt sein und ihr Zimmer vermieten. Es sei denn, die Vermietung ist laut Mietvertrag verboten. Es bleibt kompliziert.
Dieser Text ist Teil des aktuellen Wochenendschwerpunkts in der taz.berlin. Darin außerdem: Wie ein Ferienwohnungsbesitzer mit der neuen Situation umgehen will. Am Kiosk.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen