Verbot in Ägypten, Antira-Kritik: Ärger um Ridley Scotts „Exodus“
Wegen „historischer Ungenauigkeit“ verbieten Ägypten und Marokko das Bibelepos. In Europa und den USA gibt es Rassismusvorwürfe gegen den Film.
BERLIN taz | Ägypten und Marokko untersagen die öffentliche Aufführung des Films „Exodus: Götter und Könige“ des Regisseurs Ridley Scott mit der Begründung, es handle sich um eine historisch inkorrekte Darstellung des alten Ägyptens.
Nun ist ein Hollywoodfilm keine Geschichtsstunde, ganz besonders dann nicht, wenn es sich um eine Bibeladaption handelt. Damit könnte die Debatte beendet sein, eine zu belächelnde Fußnote in der langen Reihe internationaler Verstimmungen über die künstlerische Weltdeutung aus den USA, deren letzter Höhepunkt der eigenartige Konflikt mit Nordkorea um die Komödie „The Interview“ war.
Jedoch trifft „Exodus“ auch in der westlichen Welt auf heftige Kritik, die sich im Kern der selben Argumentation wie das ägyptische Kulturministerium bedient. Historisch völlig neben der Spur sei nämlich die Besetzung des ägyptischen Hofstaates durch ausschließlich weiße Schauspieler.
Unmittelbar greift diese Kritik natürlich nicht. Es liegt absolut im Rahmen künstlerischer Freiheit, Figuren, egal ob aus dem Reich der Phantasie entsprungen oder reale historische Personen, in jeder beliebigen Art und Weise darzustellen, sie zu verändern oder sie zu verzerren.
Keine schwarzen Schauspieler
Andererseits ist der darin enthaltene Vorwurf des Rassismus in der Besetzung dieses Films, sobald er im Kontext des gesamten Hollywoodkinos oder auch nur des Werks dieses einen Regisseurs gesehen wird, wiederum ganz plausibel. Während Scott in seinem Schaffen zwar mehrere herausragende Frauenrollen inszeniert hat und damit dem Durchschnitt seiner Kollegen einiges voraus hat, haben es schwarze Schauspieler ganz offensichtlich außerordentlich schwer bei ihm. Scotts Begründung, dass das Casting für „Exodus“ eine Frage der Einwerbung von Produktionsmitteln sei, kann seine Kritiker wenig überraschend nicht befriedigen.
Nur einmal, in „American Gangster“ (2007) – das auf einer wahren Geschichte basiert – darf ein schwarzer Schauspieler (Denzel Washington als Drogenhändler) eine Hauptrolle spielen. Sein ehrenhafter Gegenspieler auf Seiten der Polizei wird von Russel Crowe gegeben.
In „Black Hawk Down“ (2001), einer Gewaltschmonzette über den desaströsen US-amerikanischen Einsatz in Somalia im Jahr 1993 tritt der rassistisch anmutende Blick sehr deutlich hervor. Dort sind die Somalis ein gesichtsloser Feind – ein monströser Kollektivkörper, dessen Bestialität der Referenzrahmen für die Ritterlichkeit der strahlend weißen und individuell durchaus unterscheidbaren Amerikaner ist. Nur nebenbei sei bemerkt, dass auch diesem Film von verschiedenen Seiten historische Ungenauigkeit vorgeworfen wurde; wie übrigens auch Scotts Kreuzzugsepos „Kingdom of Heaven“ (2005).
Trotzdem scheint außerhalb Ägyptens und Marokkos nun niemand auf die Idee zu kommen, das blutige Bombastkino von Ridley Scott verbieten zu wollen. Was aber geschieht, ist eine engagierte Debatte darüber, was Kino sein soll. Dabei geht es eben auch darum, wie viel Diversität ein Publikum einfordern kann, das sich mit einem weiß und männlich dominierten Kulturbetrieb nicht abfinden will.
Wie viel Weltverbesserung man nun realistischerweise von einer auf Profit zielenden Filmindustrie erwarten darf, lässt sich nicht so leicht beantworten. Zwei Dinge aber sind auf jeden Fall sicher. Erstens: Historische Genauigkeit wird auch in Zukunft nicht unbedingt zu den Stärken Hollywoods zählen. Und zweitens: „Thelma und Louise“ (1991) ist Ridley Scotts bester Film (Diskussion ist zwecklos).
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