Verbieten oder laufen lassen: Streit um Nahost-Demos
Für Freitag ist in Hamburg eine Nahost-Kundgebung untersagt, für Mittwoch eine weitere angemeldet. Vertreter der Opposition fordern auch dafür Verbot.
Thering verwies auf das Beispiel Berlin. Der dortige Senat hat pro-palästinensische Demonstrationen verboten, nachdem der Überfall auf Israel aus dem Gaza-Streifen gefeiert worden war. Mehr als 30 Straftaten und fast ebenso viele Ordnungswidrigkeiten hat die Berliner Polizei nach eigenen Angaben im Zusammenhang mit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas seither erfasst.
Allerdings scheint die Lage in Hamburg weniger brisant zu sein. Zwar kam es im Zusammenhang mit pro-israelischen Demonstrationen zu vereinzelten Übergriffen. Zudem hat der NDR im multikulturellen Stadtteil St. Georg antisemitische Stimmen eingefangen. Doch der Aufruf für Mittwoch wirkt harmlos: „Im Gedenken an die Opfer der jüngsten Ereignisse“ soll schweigend und mit Kerzen demonstriert werden. 500 Teilnehmer werden erwartet.
Wie die Polizei bestätigte, hat ein Privatmensch die stationäre Versammlung angemeldet. Nach Informationen des Hamburger Abendblatts hat dieser schon am 15. Mai eine Demonstration zum Gedenken an die Nakba angemeldet, die Vertreibung von Palästinensern aus dem heutigen Israel vor 75 Jahren.
Innenbehörde verweist auf hohe Hürden eines Verbots
Für CDU-Fraktionschef Thering ist die Sache klar: „Wenn Bürgermeister Tschentscher seine Aussage ernst meint, dass in Hamburg ‚kein Millimeter Platz für Antisemitismus und Feindseligkeit gegenüber Israel‘ sei, dann muss auch der Hamburger Senat dafür sorgen, dass diese angemeldete Pro-Palästina-Demo in Hamburg keine Genehmigung erhält“, teilte er mit. Der Bürgermeister hatte bei einer Demonstration am Montag auf dem Jungfernstieg Israel seiner Solidarität versichert.
Die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein erwartet vom rot-grünen Senat, „dass er ganz genau nachprüft, dass es nicht so eine Demo ist, wie wir sie in anderen Städten erleben“. Zwar sei gerade für sie als Liberale das Demonstrationsrecht ein hohes Gut, doch wenn der geringste Verdacht bestehe, dass es zu antisemitischen Vorfällen kommen könnte, sollte die Kundgebung verboten werden. Natürlich sei die Lage in den israelisch besetzten Gebieten schlimm. Sie findet jedoch: „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, mit Ermahnungen zu kommen.“
Daniel Schaefer, Sprecher der Innenbehörde, versichert: „In der Haltung sind wir klar.“ Er verwies aber auf die hohen Maßstäbe, die an eine Einschränkung des Versammlungsrechts anzulegen seien. Es müsste nachgewiesen werden, dass die Versammlung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde. „Das ist nichts, was man politisch entscheiden kann“, sagt Schaefer.
„Wir prüfen jede Versammlungsanmeldung sehr intensiv und schöpfen dabei alle rechtlichen Möglichkeiten aus“, teilte ein Sprecher der Hamburger Polizei mit. Mit Blick auf Aufrufe in den sozialen Netzwerken sei jederzeit auch mit spontanen oder nicht angemeldeten Versammlungen zu rechnen, bei denen es auch zu Straftaten wie Volksverhetzung kommen könnte. Dagegen halte sich die Polizei bereit.
Bremen verbietet Palästina-Demos
Auch Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) teilte der Neuen Osnabrücker Zeitung mit, die Polizei werde bei Versammlungen konsequent gegen jede Form der Befürwortung kriegerischer Handlungen durch die Hamas sowie das Zeigen verbotener Symbole einschreiten.
Zu einem weitaus drastischeren Schritt hat sich der Bremer rot-rot-grüne Senat entschlossen. Per Allgemeinverfügung verbot er am heutigen Freitag Versammlungen zur „Unterstützung der Hamas“ oder deren Angriffe auf Israel. Das Verbot gelte auch bei sogenannten „Spontan- oder Eildemonstrationen“. Hintergrund der Verfügung ist ein weltweiter Aufruf der Hamas zu Demos und Aktionen, wobei sie ihre Anhänger auffordern, zu Opfern bereit zu sein.
„Bei einer die Hamas unterstützenden Versammlung ist mit der Begehung einer erheblichen Anzahl von Straftaten zu rechnen“, sagte SPD-Innensenator Ulrich Mäurer. Das mache ein Verbot notwendig.
Eine für Freitag angekündigte kleinere pro-palästinensische Kundgebung „Solidarität mit Rojava und Palästina“ hat die Hamburger Polizei derweil kurzfristig untersagt. „Die Versammlungsbehörde wird die für morgen am Hauptbahnhof angemeldete Versammlung verbieten“, teilte die Polizei am Donnerstagabend mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid