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Verbandsvorsitzender über TV im Netz„Es kommt was auf uns zu“

Am Donnerstag wird darüber beraten, was ARD und ZDF im Netz dürfen. Die Privatsender brauchen Schutzräume, sagt Hans Demmel.

Wenn die Öffentlich-Rechtlichen auf dem Beschaffungsmarkt auftreten, treibt das die Preise nach oben, sagt Hans Demmel Foto: dpa
Daniel Bouhs
Interview von Daniel Bouhs

taz: Herr Demmel, Sie sagen, die Privatsender brauchen gerade im Netz – Stichwort „Mediatheken“ – Schutzräume vor den öffentlich-rechtlichen Angeboten. Warum wäre es ein Problem für Ihre Sender, wenn die Öffentlich-Rechtlichen jetzt auch Lizenzware – die „Sherlocks“, die BBC-Dokumentationen – ins Netz stellen dürften?

Hans Demmel: Wenn man bei Lizenzware über Fiction redet, dann ist zum einen ganz klar, dass es die Attraktivität unserer Konkurrenz in dem Fall erhöht. Zum Zweiten: Die Erfahrung vieler Jahre zeigt, dass, wenn die Öffentlich-Rechtlichen auf den Beschaffungsmarkt auftreten, es garantiert die Preise nicht nach unten, sondern nach oben treibt.

Schätzen Sie die Bedrohungslage so groß ein, dass Sender wie N24 Doku, aber auch Kabeleins Doku dann keine Chance mehr hätten?

Das würde deren Geschäftsmodell massiv erschweren. Wir sehen gerade in diesem Doku-Bereich, dass er sehr häufig von jungen Männern – Zielgruppe 14 bis 29 – genutzt wird. Das ist auch eine Gruppe von Menschen, die mit all diesen neuen Formen wie Mediatheken sehr viel lockerer umgehen. Und wenn Sie sich heute vorstellen, Sie haben eine Mediathek mit 300 bis 500 europäischen Dokus – diesen großartigen BBC-Dokus zum Beispiel –, dann entsteht ein öffentlich-rechtlicher kostenfreier oder vermeintlich kostenfreier Player auf dem Markt. Und da kann es in der Tat so weit gehen, dass kleine Sender ernsthaft bedroht sind. Es ist ja kein Geheimnis, dass private Veranstalter des Nachrichtenfernsehens lange wirklich wirtschaftlich sehr stark unter Druck standen. Da sind wir jetzt ein paar Schritte weiter, aber das große Geschäft ist es garantiert nicht, wird es auch garantiert nicht werden. Und wir werden die Attraktivität dieser Doku-Programme einfach brauchen, um die Nachrichten-Abschnitte, die wir haben, im Programm zu refinanzieren.

Den öffentlich-rechtlichen Sendern soll – so der Plan der Länder – auch gestattet sein, exklusiv für Facebook, YouTube, Instagram usw. zu produzieren. Welche Sorgen haben Sie da?

Wir sehen, dass Werbegelder immer mehr in Intermediäre – im Wesentlichen zu Facebook und YouTube – abfließen. Das ist Geld, das nicht nur dem deutschen Privatfernsehen verloren geht, sondern auch der deutschen Produktionswirtschaft. Und es ist aus unserer Sicht überhaupt nicht einsehbar, warum es einen Auftrag geben muss, der dann dazu führt, in einer Welt, in der die Vielfalt ja ohnehin immens ist, im Guten wie im Schlechten, das einfach zusätzlich noch einmal zu stärken. Der Wunsch scheint in der Tat zu sein, unsere US-Konkurrenz mit Material voll zu pumpen. Und dieses Geld fließt in die Staaten.

Bild: dpa
Im Interview: Hans Demmel

ist n-tv Geschäftsführer und Vorsitzender des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (ab 21. Mai Vaunet – Verband Privater Medien).

Sie haben Angst vor einer öffentlich-rechtlichen Content-Flut auf Facebook?

Ja, ganz eindeutig.

Mathias Döpfner hat es geschafft, dass die ganze Zeit über Presseähnlichkeit gesprochen wird. Über die Interessen der Privatsender redet die Öffentlichkeit relativ wenig. Müssen Sie aggressiver vorgehen?

Ach, darüber denkt man in der Tat immer mal wieder nach. Was wir nicht verstehen, ist, wie groß die Krokodilstränen sind, die geweint werden, wenn es um die Zukunft der Verleger und die Zukunft der Tageszeitungen geht. Das wird anscheinend auch in der Politik oder bei aktiven Politikern, die noch viel stärker mit der Tagespresse, auch mit ihrer lokalen verbunden sind, sehr stark gesehen. Privates Fernsehen und privater Rundfunk sind ein funktionierendes Geschäftsmodell. Wir müssen aber in einer Welt, die sich massiv verändert, einfach mal nach vorne denken und sagen, der wirtschaftliche Erfolg von heute ist nicht zwingend der wirtschaftliche Erfolg von in zehn Jahren.

Teilen Sie den Eindruck, dass Ihre Forderungen letztlich verhallen?

Nein. Wir schätzen jetzt vielleicht nicht so sehr die ganze laute Bühne mit Nordkorea-Vergleichen und Stichworten wie „Staatsfunk“. Dafür gibt es genügend Indizien, aber aus meiner Sicht keine ausreichenden Belege. Wir stellen in vielen Gesprächen, auch mit vielen Chefs der Staatskanzleien, schon fest, dass man uns genauer zuhört. Dort gibt es natürlich schon auch ein bisschen eine Angst um den Fortbestand oder um die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das heißt also, dort, wo Entscheidungen fallen, werden wir immer, immer mehr und immer besser gehört. Und wenn wir vorwärtskommen wollen, ist natürlich die Diskussion mit Entscheidungsträgern genauso wichtig wie die Diskussion in der Öffentlichkeit.

Hat sich der Stellenwert der Medienpolitik verändert? Gibt es noch handfeste, überzeugte Medienpolitiker?

Ach ja, doch – ohne jeden Zweifel. Wir haben jetzt mit Marc Jan Eumann jemanden verloren in der Medienpolitik. Aber ich stelle gerade bei dem einen oder anderen jüngeren Chef der Staatskanzlei fest: Hier gibt’s großes Interesse. Vor allem den Jüngeren ist klar, dass die Verhältnisse, wie sie jetzt sind, nicht sehr lange tragfähig sind. Man muss nicht unbedingt immer dieses Beispiel der Schweiz, wo in den wenigen Wochen ja die Volksabstimmung stattfindet, als Menetekel an die Wand werfen. Aber jeder Politiker, der ein Gespür hat für Publikumsstimmungen, merkt: Hier kommt was auf uns zu.

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8 Kommentare

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  • Schaffen wir Platz für die bedrohte Kommerz-TV-Welt. Jahr für Jahr gibt's saftige Renditen bei PROSIEBENSAT1RTL und Co für Bertelsmann und die Shareholder des Ex-Kirch-Imperiums. Das reicht denen aber nicht. Wo kommen wir da hin, wenn die Attraktivität der öffentlich-rechtlichen Programm steigt?! Und dann kaufen die auch noch auf TV-Märkten Programm ein, was die Preise steigert - Aber Hallo! Wenn wer die Content-Preise steigert, dann Discovery und Sky, die für Sportevents Unsummen bezahlen. Immer wieder das abgehangene Geschwätz, ob sich das nun VPRT oder VAUNET nennt. Seit Jahren wollen sie ARD und ZDF auf Nischen sendungen und Volkshochschulniveau drücken. Man schaue sich mal das Informationsangebot von ntv- und Co an, Werbefilmchen und TV-Ereignisse über Kampfpanzer oder Megaschlachtschiffe... grotesker Blödsinn eines Verbandssprechers....Und nochmals zum Abschluss: Nur die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erlaubt verfassungsrechtlich privatkommerzielles Fernsehen und Radio in Deutschland - das hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten.

  • Das finde ich auch, dass die privaten Sender unter Naturschutz gestellt werden müssen. Man stelle sich vor, dass Perlen der Fernsehkultur wie "Dreck fressen im Dschungelcamp" oder öffentliche mediale Hinrichtungen durch Dieter Bohlen in "Deutschland sucht den Superstar" vom Bildschirm verschwinden müssten - nicht auszudenken! Diese kulturelle Vielfalt muss unbedingt erhalten werden - notfalls mit einem von der Allgemeinheit zwangsweise beigetriebenen "Sonderabgabe Notopfer Privatsender".

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Die armen Privatsender... da wird so getan, als sei der Marktzugang dieser "kleinen Sender" der großen Privatsender ein verbrieftes Recht.

  • "Wir schätzen jetzt vielleicht nicht so sehr die ganze laute Bühne mit Nordkorea-Vergleichen und Stichworten wie „Staatsfunk“. Dafür gibt es genügend Indizien, aber aus meiner Sicht keine ausreichenden Belege."

     

    Ja. Darauf hatte ich gewartet. "Staatsfernsehen", "Mainstream-Medien", "Lügenpresse" - selbst AfD und Pegida sind für die Privatsender (und die dazuhörigen Medienkonzerne) anscheinend nich bäh, wenn man Stimmung gegen die böse Gebührenkonkurrenz machen kann.

     

    Zur Erinnerung: Das private "Free"-TV ist nicht kostenfrei. Wenn ich als Konsument*in Produkte und Dienstleistunge kaufe, bezahle ich die Werbung mit und damit auch das private Fernsehprogramm, selbst wenn ich gar keinen Fernseher besitze. Der GEZ kann ich theoretisch entkommen, dem Privatfernsehen finanziell nie.

     

    Und wer gern Dokus schaut, weiß sowieso, wo die guten zu sehen sind.

    • @BUBU:

      nichts ist kostenfrei.

      Wenn sie Produkte und Dienstleistungen kaufen bezahlen sie nicht nur die Werbung mit, sondern auch alles andere was der Produzent mit den Einnahmen anstellt.

      Gut möglich das sie mit ihrer Kaufentscheidung z.B. die Drogensucht oder den Bordellbesuch des Produzenten finanzieren...

       

      Wenn sie das stört dann kaufen sie einfach keine Produkte die in Radio und Fernsehen werben - als kein Seitenbacher Müsli das groß in den Werbeblöcken der öffentlich-rechtlichen Beworben wird ("Lecker lecker lecker - sag auch der Karle !") sondern irgend ein no name produkt aus dem örtlichen Biomarkt.

       

      Im Übrigen gibt es keine GEZ mehr. Es gibt jetzt einen Beitragsservice ARD ZDF Deutschlandradio.

      Und dem können sie nur entkommen wenn sie keine Wohnung in Deutschland haben...

      Fall Sie eine andere Idea haben wie man dem Beitragsservice theoretisch (und praktisch) entkommen kann dann her damit...

      • @Alreech:

        Das man dem Beitragsservice nicht entkommen kann, liegt allein an der Einführung des werbefinanzierten Free-TV. Von da an musste ich, wenn ich das eine (Free-TV) sehen will, das andere (ÖR) bezahlen. Das erfüllt für mich den Tatbestand der Nötigung. Wenn der Hans Demmel hier schreibt, das die ÖR auf dem Beschaffungsmarkt die Preise hochtreiben, ist das nicht anderes, als den ÖR den Schwarzen Peter zuzuschieben. Wenn sie fragen, wie wir dem Beitragsservice entkommen können, dann geht das nur, indem die unterschiedlichen (kriminellen) Finanzierungmodelle abgeschafft und ein reines Bezahlfernsehen installiert wird. Das ein Staat seinen Bürgern vorschreibt, für ein bestimmtes Fernsehprogramm zu zahlen, ist vollkommen absurd. Aber nur deshalb möglich, weil er einen Kotau vor den Interessen der Wirtschaft gemacht hat. Siehe auch: In der Kapitalismusfalle unter https://www.apopluto.de/allgemeines-ii/

      • @Alreech:

        Das man dem Beitragsservice nicht entkommen kann, liegt allein an der Einführung des werbefinanzierten Free-TV. Von da an musste ich, wenn ich das eine (Free-TV) sehen will, das andere (ÖR) bezahlen. Das erfüllt für mich den Tatbestand der Nötigung. Wenn der Hans Demmel hier schreibt, das die ÖR auf dem Beschaffungsmarkt die Preise hochtreiben, ist das nicht anderes, als den ÖR den Schwarzen Peter zuzuschieben. Wenn sie fragen, wie wir dem Beitragsservice entkommen können, dann geht das nur, indem die unterschiedlichen (kriminellen) Finanzierungmodelle abgeschafft und ein reines Bezahlfernsehen installiert wird. Das ein Staat seinen Bürgern vorschreibt, für ein bestimmtes Fernsehprogramm zu zahlen, ist vollkommen absurd. Aber nur deshalb möglich, weil er einen Kotau vor den Interessen der Wirtschaft (Werbefernsehen) gemacht hat. Siehe auch: In der Kapitalismusfalle unter https://www.apopluto.de/allgemeines-ii/

    • @BUBU:

      >>Der GEZ kann ich theoretisch entkommen, dem Privatfernsehen finanziell nie.