Verantwortung für „Anti-Drogen-Krieg“: Ex-Präsident Rodrigo Duterte verhaftet
Die Regierung der Philippinen vollstreckt den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Duterte wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Duterte war gerade aus Hongkong gekommen, wo er im derzeitigen philippinischen Wahlkampf unter Arbeitsmigrant*innen für ihm nahestehende Kandidatinnen geworben hatte. Bei seiner Festnahme sagte Duterte laut einem im Fernsehen gezeigten Clip zu den Beamten: „Ihr müsst mich schon töten. Ich werde euch nicht erlauben, auf Seiten der weißen Fremden zu stehen.“
Später wurde er Medienberichten zufolge von der Polizei auf Manilas Luftwaffenbasis Villarmor gebracht. Menschenrechtsorganisationen und Angehörige von Opfern begrüßten die Festnahme. Duterte-Anhänger reagierten entsetzt.
Der IStGh wirft dem nach wie vor sehr einflussreichen Politiker, der von 2016 bis 2022 Präsident des südostasiatischen Landes war, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor. Duterte hatte bereits zuvor als Bürgermeister der südlichen Millionenstadt Davao und dann als Staatspräsident einen extralegalen „Krieg gegen die Drogen“ entfesselt.
Schätzungen von bis zu 30.000 Toten
Dabei wurden in den Slums viele Kleindealer, Drogensüchtige, aber auch zahlreiche Unbeteiligte sowie auch Kritiker von der Polizei wie von Todesschwadronen getötet. Der Jurist Duterte hatte sie zu ihren Mordtaten aufgefordert und ihnen politisch den Rücken gestärkt. Die Menschenrechtskommission des Landes entmachtete er, die frühere Justizministerin und Duterte-Kritikerin Leila de Lima saß aufgrund fabrizierter Vorwürfe fast sieben Jahre unschuldig im Gefängnis.
Nach Regierungsangaben starben beim Anti-Drogen-Krieg 6.181 Personen, Menschenrechtsorganisationen schätzen die Zahl der Opfer auf bis zu 30.000. Oft wurden Opfer erschossen, die sich angeblich gewehrt hatten oder fliehen wollten. Justiz und Polizei ermittelten schlampig, nur äußerst selten wurde gegen Verantwortliche ermittelt.
Der Strafgerichtshof hatte bereits 2016 begonnen, gegen Duterte zu ermitteln, und hatte dabei Fälle ab 2011 untersucht. Nachdem Duterte 2016 Präsident geworden war, zog er die Unterschrift des Landes vom Rom-Statut, das dem IStGh zugrunde liegt, zurück. Der Austritt wurde aber erst 2019 rechtskräftig, womit der Gerichtshof in Den Haag im Unterschied zu Duterte der Meinung ist, dass er weiterhin für Fälle bis 2019 zuständig ist.
Unter Dutertes Nachfolger Ferdinand Marcos Jr. sind die Philippinen nicht zum Strafgerichtshof zurückgekehrt. Auch gehen die extralegalen Tötungen angeblicher Drogendealer unter Marcos weiter, wenngleich in geringerem Ausmaß und mit weniger offensichtlicher Unterstützung des Präsidenten. Marcos Jr. hatte aber erklärt, die Philippinen seien zur Zusammenarbeit mit dem Gericht für Fälle vor 2019 verpflichtet.
Sara Duterte will Präsidentin werden, Marcos das verhindern
Die Familienclans der Marcos und Dutertes sind derzeit die einflussreichsten des Landes und hatten sich für die Wahlen 2022 verbunden. Marcos Jr., ein Sohn des 1986 gestürzten Diktators Ferdinand Marcos, hat seine Hochburg im Norden, Duterte und seine Tochter Sara im Süden. Erdrutschartig gewannen sie die Wahl, haben sich seitdem jedoch zerstritten.
Im November drohte Vizepräsidentin Sara Duterte sogar öffentlich, Marcos Jr. ermorden zu lassen. Er keilte auf ähnlichem Niveau zurück. Gegen Sara Duterte läuft derzeit ein von Marcos unterstütztes Amtsenthebungsverfahren.
Da am 12. Mai Zwischenwahlen stattfinden, bei denen die Weichen für die Präsidentschaftswahlen 2028 gestellt werden und damit über Sara Dutertes Chancen auf die angestrebte Präsidentschaft mitentschieden wird, ist die Verhaftung Dutertes als politisches Manöver auch Teil des Wahlkampfes.
Marcos Jr. darf 2028 nicht wieder antreten, baut aber seinen Schwager als möglichen Nachfolger auf. Noch hat Marcos Jr. offengelassen, ob er Rodrigo Duterte nach Den Haag ausliefern wird oder womöglich in den Philippinen vor Gericht stellt.
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