Vekehrspolitik: Falsch parken - richtig blechen
Der Senat will Falschparker verstärkt zur Kasse bitten. Mit einem Landesbetrieb könnten Kontrollen intensiviert und die Einnahmen erhöht werden.
Wer falsch parkt, soll künftig richtig blechen. Das geht aus neuen Überlegungen des Senats zur sogenannten Parkraumbewirtschaftung in Hamburg hervor. Dazu aber müsse die Überwachung verstärkt werden, verlautet aus der Verkehrsbehörde. Das Ziel müsse sein, dass Falschparker auch tatsächlich damit rechnen müssen, erwischt zu werden. Denn um die Zahlungsmoral der Autofahrer in Hamburg steht es ohnehin schlecht. Nach Angaben des Senats „entrichtet nur circa jeder sechste Benutzer eines bewirtschafteten Parkplatzes seine dafür fälligen Gebühren“ – von den Wildparkern ganz zu schweigen.
Erwogen wird deshalb die Gründung eines Landesbetriebs, unter dessen Dach Polizei und Bezirklicher Ordnungsdienst (BOD) gemeinsam und strukturiert Jagd auf falsch abgestellte Autos machen. Das könne „eine geeignete Variante sein“, heißt es in der Antwort des Senats auf eine Anfrage der FDP-Fraktion. Jedoch seien „die Überlegungen noch nicht abgeschlossen“.
Dann aber müssten Mehreinnahmen in ein besseres Parkplatzangebot investiert werden, fordert FDP-Verkehrspolitiker Wieland Schinnenburg. „Viele Autofahrer parken falsch, weil es nicht ausreichend Parkplätze gibt. Ihnen muss eine Alternative geboten werden“, so Schinnenburg.
Nach Angaben des Senats ist die Zahl der ordnungswidrig abgestellten Autos in Hamburg nicht bekannt. Ermittelt wurden jedoch folgende Fallzahlen:
Verwarnungsgeld: Im Jahr 2010 kassierte die Stadt 8.507.058,08 Euro von Falschparkern. Die Zahl für 2011 liegt noch nicht vor.
Abschleppungen: Im Jahr 2011 wurden 31.451 Kraftfahrzeuge zumeist zur Fahrzeugverwahrstelle in Rothenburgsort abgeschleppt.
Einnahmen: Aus Abschleppungen erzielte die Stadt 2011 Einnahmen von 5.078.190,21 Euro. Im Jahr zuvor waren es 4.122.490,23 Euro gewesen.
Vergleich: Laut der Website autoknast.de ist das Abgeschlepptwerden in Hamburg mit Gebühren von mindestens 260 Euro (exklusive Knöllchen) bundesweit mit Abstand am teuersten.
Bereits 2007 hatte der Landesrechnungshof den damals noch allein regierenden CDU-Senat aufgefordert, die Überwachung von Parkraum zu intensivieren. Einnahmen von bis zu 35 Millionen Euro pro Jahr nur durch Knöllchen seien möglich, so der Rechnungshof. Im Jahr 2010 war es mit rund 8,5 Millionen Euro lediglich ein Viertel (siehe Kasten) gewesen.
Um das zu steigern, müsse aber „der ruhende Verkehr konsequent überwacht“ werden, zudem müssten „etwaige Regelverstöße zeitnah geahndet werden“, hat nun der allein regierende SPD-Senat erkannt: „Der öffentliche Parkraum in einer dicht besiedelten Stadt wie Hamburg ist ein kostbares Gut.“ Deshalb prüfe der Senat „derzeit organisatorische Alternativen, inwiefern eine Verbesserung der Überwachung des ruhenden Verkehrs erreicht werden kann“.
Dabei gehe es aber „nicht um ’Abzocke‘, sondern um Parkgerechtigkeit“, stellt die Sprecherin der Verkehrsbehörde, Helma Krstanoski, klar: „Es kann nicht sein, dass wenige ehrlich ihre Parkgebühren entrichten, und eine Mehrheit glaubt, unbehelligt Gebühren schuldig bleiben zu können.“
Mit dem Eintreiben habe sich der SPD-Senat aber reichlich Zeit gelassen, findet der grüne Verkehrspolitiker Till Steffen. Der Stadt seien Einnahmen von etwa 50 Millionen Euro entgangen, weil die SPD ein noch vom schwarz-grünen Vorgängersenat entwickeltes Parkraumkonzept missachtet habe. „Warum die SPD eineinhalb Jahre ins Land gehen lässt, bevor sie das umsetzt, ist mir schleierhaft“, so Steffen.
Vor sechs Wochen hatten die Grünen die Ergebnisse ihres Verkehrsprojekts „Beweg die Stadt“ vorgestellt. Zwischen April und August hatten mehr als 400 Interessierte auf einer Webseite im Internet Lösungen für 587 konkrete Probleme angemahnt. Ganz oben auf der Mängelliste rangierten Verkehrslärm, schlechte Radwege – und „Falschparker, die Radwege und Bürgersteige blockieren und die Sichtbarkeit an Fußgängerüberwegen einschränken“.
Und deshalb dürfe die Stadt das Geld von Falschparkern „nicht länger auf der Straße liegen lassen“, mahnt Steffen: „Es darf auch im Straßenverkehr keine rechtsfreien Räume geben.“
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