piwik no script img

VW sponsert Rockband mit AutosKonzerne schmücken sich mit "Indie"

Die Modemarke Burberry erklärt Indie-Rock zum "Must Have der Saison". Und der Autokonzern Volkswagen stattet die Band Revolverheld mit fünf Modellen seines SUV Tiguan aus.

Lassen sich vor den VW-Karren spannen: Revolverheld mit dem Marketingleiter des Autokonzerns. Bild: VW

Harte Post, die da ungefragt in unseren elektronischen Briefkasten flatterte: Von der laut Website international operierenden, allzeit bescheidwissenden PR-Agentur GoSee etwa, die die neue "Rockstar inspirierte" Burberry-Kollektion mit den höllisch SCHMERZbereitenden Worten anpreist: "Der kommende Sommer wird so was von Indie Rock!" Richtig gelesen, Indie Rock. Indie Rock?! Der leidgeprüfteste aller leidgeprüften Begriffe mag schon längstens 1.000 Tode gestorben sein. Dahingesiecht wegen Inhaltsleere. Oder mangels Nachfrage. Egal, jetzt reanimiert ihn die britische Modefirma, deren Karos jede zweite SUV-Hutablage schmücken, als "Must Have der Saison".

Denn die Trenchcoat-Superhirne haben vorgebaut und eine "Burberry-Accoustic" Sammlung für 2011 zusammengestellt, EXKLUSIV in ausgewählten Krämerläden, mit Musik von, Zitat GoSee, "legendären britischen Indie Ikonen wie David Bowie und The Pogues".

Bowie und The Pogues? Ich darf doch sehr bitten! Bowie ist seit ungefähr 1969 bei einem Plattenmulti unter Vertrag. Früher wars RCA, heute immerhin die fast bankrotte EMI. Aber Indie? Niemals! Und die Pogues, beim zahnlosen Mund von Sänger Shane MacGowan, haben auch reichlich für Warner Brothers und Island Alben aufgenommen. Auch wenn sie einst beim unabhängigen Label Stiff angefangen haben, never ever haben sie auch nur einen Halbton Indie Rock gespielt.

Aber hey, wer sich Sätze wie den folgenden ausdenken muss, bekommt Indie, lebenslänglich: "Während die kalten Temperaturen langsam Form annehmen, sehnen wir uns nach den rebellischen Lederlooks der Jungs mit offenen Sandalen und barfuß in Lackschuhen."

In rebellischen Lackschuhen und zu Burberry-Musik im "Dynaudio Soundsystem" eines VW Tiguan in der verkehrsberuhigten Zone ganz langsam über die Stolperschwellen fahrend: So stellt man sich die neuen Indie Rocker vor. Zitat aus einer anderen Mail: "Im Rahmen einer Kooperation zwischen Volkswagen und Revolverheld übernahm die deutsche Rockband am Donnerstag fünf neue Tiguan."

Haben Revolverheld ihre alten Autos in Zahlung gegeben? Wir wissen nur, dass sie sich vor den VW-Karren haben spannen lassen, für die Sondermodelle in "Candy-Weiß", "Deep Black Perleffekt" und "Pepper-Grey Metallic". Wie alle Indie Rocker leiden Revolverheld ansonsten unter akuter Ideenarmut. Warum hätten sie sonst ihren EM-Song "Helden 2008" für VW in "Helden 2010" umgetauft?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Q
    Querulant

    Ein Widerspruch in sich... spätestens wenn sich die Bands mit Werbeverträgen an Unternehmen verkaufen und allgemein gefällige Musik produzieren sind sie keine "Indieband" mehr. Dann sind sie die gleichen Medienhuren wie alle anderen Mainstream-Bands auch.

  • H
    Hase

    Was ist daran so verwunderlich? Indie war gerade Anfang der 90er hip. Die Leute, die das früher gehört haben sind jetzt Mitte Dreißig und aufwärts, verdienen viel Geld, haben keine Kinder und können dementsprechend viel Geld für die Pflege ihres Indiependent-Lifestyles ausgeben. Wer als Anbieter von Lifestyle-Produkten solche Gruppen nicht bedient ist selber schuld. VW macht das schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich.

  • M
    mrfrosty
  • J
    janein

    Indie bedeutet heute etwas anderes als noch vor zehn jahren. damit müssen auch gealterte linke zurecht kommen. es gibt kein anderes von der mehrheit verstandenes wort für das was zur zeit und seit einigen jahren trend ist. punk, rock, hiphop, das waren alles mal außenseiterszenen. die zeiten ändern sich. ist doch ok! habt ihr keine anderen sorgen als die bemühte sprache eines armen pr-angestellten von burberry?

    und revolverheld war nie und ist nicht indie. das ist die generation davor.

  • P
    plattenboss

    Ich wüsste zugerne wer Burberry die CD-Compilation "Indie-Rock" angedreht hat. Das ist marketingmässig voll daneben. Die Zielgruppe hat man um geschätzte 2 Kilometer verfehlt.

     

    Passend wäre gewesen Lounge, downbeat, Klassik oder Klassik-crossover.

     

    Aber bei FALKE dreht sich das Marketingchef Karusell offenbar immer schneller, da kann sowas schon mal passieren.

  • EE
    Emm Eins

    Das ist doch eine großartige Geschichte!

    Eine waschechte, so richtig wilde Indie Band, die sich mit großartigen Titeln wie "Ich werd’ die Welt verändern" und "Unzertrennlich" unwiderruflich in unsere Herzen gesungen hat, kooperiert mit einem SUV-Familienkutschenhersteller.

     

    Nur: Warum bringt ihr den Titel nicht auf der Wahrheit-Seite? Das hat doch nichts mit Musik und schon gar nichts mit Indie zu tun.

  • M
    mlp

    ist eh ne drecksband und passt voll ins bilde.

  • SL
    Steffen L

    Cool, jetzt sind die also nicht nur von einem großel Label "dependent" sondern auch von der Automobilindustrie.

    That's the spirit.

  • G
    golow

    Ähh Revolverheld sind und waren auch nie eine Indieband, wobei auch der Begriff als solches eigentlich für ein Musikgenre unpassend ist, weil nichts sagend.

     

    Dass die Modeindustrie auf immer alles anspringt, was Trend verspircht, ist doch klar und im Fall "Indie" nun ja auch nichts wirklich neues.

     

    Zum Abschluss ein Zitat von den Goldenen Zitronen aus dem Song Mila: "alle tragen diese karierten Burberry-Pullis, seit es sie bei H&M gibt, Kackladen"

  • B
    berufsjugendlich

    Tja, lustig, nicht? Der Kapitalismus frisst alles auf, verdaut jeden Widerstand, und schmückt sich verlogen damit.

     

    "Indie" oder "independent" nannten sich mal Musiklabels, die nichts mit der großen Musikindustrie zu schaffen hatten und haben wollten. Die die Musik aller möglichen Genres rausbrachten, die individueller rauher, ungeschliffener, experimenteller und politischer war, oft mit kritischen Texten, die Musik, die nicht in die Charts kam und nur selten auf MTV, und kaum einer wurde damit sehr reich. Darum gings auch nicht, es ging um Kultur, um Abgrenzung, zB. von SUV-Fahrern und den Burberry-FDP-Spießern. Das ist alles lange her und lange vorbei.

     

    "Indie", also solche kleinen, UNBHÄNGIGEN Labels, gibt es aber immer noch - in allen möglichen Musikgenres, von Techno bis Jazz. Auch Rock, ja.

     

    Was die Dumpfbacken von der PR-Front aber hier wohl meinten, ist wohl eher sowas wie "Schrammelrock". Also einfach ersetzen: "Burberry unterstützt Schrammelrock, Schrammelrock - der letzte Schrei im nächsten Sommer", "Schrammelrocker fahren VW", usw. Klingt doof? Klangs doch vorher auch. Und Revolverheld war doch immer ne BRAVO-Band.

  • G
    G-Punkt

    Was ist denn an unreflektierten Mainstream-Konsumopfern independent? Ich meine das jetzt sowohl auf Hörer-, wie auch auf Musikantenseite und natürlich no offense.

     

    Dass sehr viele Menschen diesem Süppchen etwas abgewinnen können, ist ja keine Frage. Einige Leute verbinden mit dem Anblick eines Herrenbeschleunigers sogar Emotionen und träumen von solchen Karossen. Im Autoradio läuft dann bestimmt Revolvermusik. Groovey!

  • MV
    Matt von Damon

    Wer in den letzten Jahren einmal auf einer "Indie"- oder "Alternative"-Party à la "King Kong Klub" war, der weiss, dass da nur zusammenkommt, was schon lange zusammen gehört...