■ VW droht den Dresdnern mit Rückzug: Volksbegehren oder Investition
Dresden (taz) – Eilig bemühte sich die Sächsische Zeitung gestern um ein positives Signal. „Deutliche Mehrheit der Dresdner will VW“, titelte das Blatt. Ganzseitig wird eine Umfrage präsentiert: 59 Prozent sagten ja zur „gläsernen Fabrik“. Tags zuvor hatte der Autokonzern erklärt, man könne die Fertigungshalle, in der ab Sommer 2000 die neue VW-Nobelmarke montiert werden soll, ja auch im Ausland bauen, falls die Dresdner VW nicht wollten. Die wollen doch aber scheinbar. Woher also die Aufregung?
Grund sind Unterschriften, die eine Bürgerinitiative für ein Volksbegehren sammelt. So sehr die Dresdner nämlich für die VW-Ansiedlung sind, so sehr sind sie gegen den Standort: mitten im Zentrum, an Dresdens grüner Lunge „Großer Garten“, dort, wo heute noch die Messehallen stehen. 22.000 Unterschriften sind bis 17. Februar nötig, 15.000 Dresdner haben laut den Initiatoren schon unterschrieben. VW aber will schon zwei Tage vor Fristende mit dem Bau beginnen. Dresdens Stadtrat änderte gestern den Flächennutzungsplan entsprechend.
Schuld am Dilemma ist Dresdens Stadtverwaltung. Handstreichartig hatte Wirtschaftsbürgermeister Rolf Wolgast seine Messe für VW geopfert und erst nach der Verkaufszusage Stadtrat und Öffentlichkeit informiert. Ein neues Messegelände sei, sagt Bürgermeister Herbert Wagner, dagegen nur durch ein Notopfer der Dresdner finanzierbar. Es gilt als sicher, daß bei einem Bürgerentscheid eine deutliche Mehrheit pro Volkswagen votieren würde. Doch dann wäre VW angeblich schon weg. „Angesichts der kritischen Lage auf dem Automarkt“, behauptet Vorstand Folker Weißgerber, „können wir unser Top-Modell nicht gefährden.“ Dann müsse man eben woanders investieren. Verhandlungen mit Prag und Budapest sollen Gerüchten zufolge bereits laufen. VW sei in Prag natürlich willkommen, sagte Magistratssprecherin Zdenka Pacakova, aber wohl kaum im Stadtzentrum. Nick Reimer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen