VVN-BdA verliert Gemeinnützigkeit: Finanzamt gegen Antifaschismus
Der Entzug der Gemeinnützigkeit für die antifaschistische Organisation VVN-BdA erntet harsche Kritik – auch aus der rot-rot-grünen Koalition.
In der Berliner Regierungskoalition bahnt sich erneut Krach an, und wieder ist es die SPD, die in Erklärungsnot gerät. Die am Freitag bekannt gewordene Entscheidung der Berliner Finanzverwaltung, einer der wichtigsten antifaschistischen Organisationen die Gemeinnützigkeit zu entziehen, hat harsche Kritik seitens der Linken und Grünen hervorgerufen. Die Berliner SPD hingegen hält sich mit offiziellen Reaktionen zurück. Oberste Fachaufsicht über die Finanzverwaltung hat der SPD-Senator Matthias Kollatz.
Weil die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) im bayerischen Verfassungschutzbericht als linksextreme Organisation geführt wird, hat das Berliner Finanzamt Anfang November entschieden, ihr die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Die Entscheidung war am Freitag durch die VVN bekannt gemacht worden. Im Berliner Verfassungsschutz wird die VVN-BdA nicht aufgeführt.
Auf dem Landesparteitag der Linken wurde am Samstag eine Solidaritätserklärung verabschiedet. Fraktionschef Udo Wolf sagte, er sei sicher, dass niemand in der rot-rot-grünen Koalition die Entscheidung richtig finde. „Wir werden versuchen, diese Entscheidung zu korrigieren“, kündigte er an.
Ebenfalls auf dem Landesparteitag kritisierte Sigmount Königsberg, Beauftragter der Jüdischen Gemeinde gegen Antisemismus, die Entscheidung: „„Was ist das für ein Signal?“, fragte er: „Engagement gegen Nazis wird sanktioniert, das kann nicht angehen.“
Grüne: „Absurd“
Der Landesvorsitzende der Berliner Grünen, Werner Graf, nannte die Entscheidung des Finanzamts „absurd“. Es sei eine „höchst besorgniserregende Entwicklung“, dass Vereinen in Deutschland vermehrt die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, sagte er mit Blick auch auf die Organisationen Attac und Campact, denen in diesem Jahr ebenfalls die Gemeinnützigkeit entzogen wurde.
Aus Koalitionskreisen hieß es am Sonntag, es werde bereits an einer Lösung gearbeitet. Unklar ist, wie groß der politische Spielraum der Senatsverwaltung für Finanzen ist. Diese wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern.
Allerdings: Das Finanzamt Oberhausen-Süd in Nordrhein-Westfalen hat in der gleichen Frage kürzlich anders entschieden als die Berliner Behörde: Das nordrhein-westfälische Amt war im Anhörungsverfahren der Argumentation der VVN-BdA gefolgt und hatte die Gemeinnützigkeit trotz der Einstufung des bayerischen Verfassungsschutzes zuerkannt.
Die VVN-BdA, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Holocaust-Überlebenden gegründet wurde, sieht ihre Existenz durch die Entscheidung gefährdet, da sie erhebliche steuerliche Nachteile mit sich bringt. Noch in diesem Jahr seien Steuernachforderungen in fünfstelliger Höhe zu erwarten. „Wir sind entsetzt und empört darüber, dass sich das Berliner Finanzamt die haltlosen Unterstellungen der bayrischen Behörde ungeprüft zu eigen macht“, schrieb die Organisation in einer ersten Stellungnahme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt