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VOLKSBEGEHRENEinfach die Sollzahlen erhöht

265.000 Unterschriften verzeichnet der Energietisch am Ende. 500 davon hat die 72-jährige Sylvia Ellmann gesammelt, mit Platzwunde und in der Notaufnahme

Die Initiatoren des Energie-Volksbegehrens präsentieren die Gesamtzahl der gesammelten Unterschriften. Bild: dpa

265.000 Unterschriften. Als Sylvia Ellmann am Telefon diese Zahl hört, hält sie inne. „Das ist ja Wahnsinn. Dann war es ja wirklich nicht umsonst.“

Ellmann ist 72, wohnt in Treptow und hat mit dem Unterschriftensammeln gleich losgelegt, als ihre Partei, die Linke, einen Aufruf für das Energie-Volksbegehren schickte. Ihre Bilanz: 500 Unterschriften. „Nein“, korrigiert sie, „498, auf der letzten Liste fehlten zwei.“ Sie ist als eine von vielen gemeint, als Energietisch-Sprecher Stefan Taschner am Dienstag sagt: „Es sind vor allem unsere Sammler, die diesen Erfolg möglich gemacht haben.“ Auf 265.000 schätzt //www.wahlen-berlin.de:die Landesabstimmungsleiterin die bis Montagnacht abgegebenen Unterschriften für Stadtwerke und einen kommunalen Stromnetzbetreiber. //www.wahlen-berlin.de/Abstimmungen/VB2013_NEnergie/presse/20130611.pdf:92.952 davon sind bisher geprüft, 82.142 davon waren gültig. Das Endergebnis wird am 25. Juni feststehen. Die Hürde zum Volksentscheid, genau 173.855, dürfte weit übertroffen sein.

Sylvia Ellmann hat dafür einiges auf sich genommen. Erst ging es ihrem Mann nicht gut, sie musste ihn ins Krankenhaus bringen. Vier Stunden saßen sie in der Notaufnahme. „Da habe ich eben die neben mir gefragt, ob sie schon unterschrieben haben, gleich war wieder eine Liste voll.“ Ein paar Tage später sammelte sie Unterschriften auf der Straße. „Ich hatte solche ergonomischen Schuhe an, mit denen ich gut stehen und laufen kann. Aber dann bin ich rückwärts gegangen und dabei gestolpert und mit meinem Kopf auf das Pflaster geknallt“, erzählt Ellmann. Folge: eine Platzwunde. Sie ließ sich in einer Apotheke versorgen. „Da fragte der Apotheker, wobei das passiert sei, und da habe ich ihm erläutert, dass wir Unterschriften fürs Volksbegehren sammeln. ’Geben Sie mal die Liste her‘, sagte der dann, ’da unterschreibe ich auch gleich, meine Frau hat schon.‘“

Ellmann bezieht ihren Strom von Vattenfall, aber sie sagt, es müsse sich etwas ändern mit der Energieversorgung in Berlin. „Ich kontrolliere jeden Sonntag meinen Stromverbrauch, der geht immer weiter runter, doch die Rechnungen werden immer höher.“ Ihre Hoffnung: dass ein Stadtwerk moderatere Tarife ermöglicht und dabei dennoch Einnahmen zu Gunsten des Landes erwirtschaftet.

Dafür hat Ellmann, als vor einem Monat noch 120.000 Unterschriften fehlten, „die Sollzahl erhöht“: Eigentlich hatte sie sich 35 Listen vorgenommen, am Ende waren es 100. Sie kenne das ja mit den Sollzahlen: früher leitete sie eine Kaufhalle.

Ihr Unterschriftensoll hat sie erfüllt und damit etwas erreicht, das der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Buchholz, „ein eindrucksvolles Signal aus der Bürgergesellschaft“ nennt. Die SPD werde das Gespräch mit dem Energietisch suchen. Ein Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl sei grundsätzlich vorstellbar. Der verantwortliche Senat will sich nicht äußern, bevor das Endergebnis vorliegt. Sylvia Ellmann und ihr Mann ruhen sich nun erst einmal aus, ihr Kopf schmerzt noch. „Aber das wird schon“, sagt sie.

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