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VERTREIBUNGAngriff der Mästerwehr

Mit schwerem Gerät, Knüppeln, Buttersäure und der Unterstützung von 60 KollegInnen vertreibt ein Wietze-Mäster BesetzerInnen von seinem Industriestall-Bauplatz in Teplingen.

Bagger hält auf BesetzerInnen zu: Aggressionen hatte es den ganzen Tag gegeben. Bild: privat

Eskaliert ist Montagabend der Streit zwischen dem Eigentümer eines Maststallbauplatzes bei Teplingen und TierrechtsaktivistInnen. Die hielten seit Sonntag das Gelände im östlichen Wendland besetzt. Ihr Protest richtet sich gegen die geplante Inbetriebnahme der Schlachtfabrik in Wietze: Weil er sich als Vertragsmäster bei der verdingen will, baut der Teplinger Landwirt G. einen industriellen Stall für 39.750 Hühner.

Nachdem die Polizei am Sonntag keine vollständige Räumung durchgeführt hatte, nahm der Mastbetriebsgründer am Montag das Recht selbst in die Hand: Den Tag über war es zu kleineren Aggressionen gekommen. Bei Sonnenuntergang schließlich attackierte er mit Verbündeten die BesetzerInnen. Dabei nutzte die Mäster-Gang Buttersäure, Schlagstöcke und ihre Traktoren als Waffen: Sie überrollte die Zelte und rammte den Balken-Tripod, eine mit Planen bedeckte Holzkonstruktion von acht Metern Höhe, die als Gemeinschaftsraum und als Ausguck diente.

"Einer von uns", sagt Besetzer-Sprecherin Sanja Schulze, "seilte sich da gerade ab." Es sei bekannt, dass die Branche "gewaltsam mit Tieren umgeht", offenbar aber mache sie "auch vor Menschen nicht halt".

Es hatte Hinweise auf die sich im Ort zusammenrottende Agrar-Kavallerie gegeben. Kurz vorm Angriff hatten die AktivistInnen die Polizei alarmiert. Die kam. Zu spät, so die Meinung der BesetzerInnen. "Unverzüglich", so die Darstellung der Polizeisprecherin. Allerdings: Die Attacke war da vorbei. Und "mit Handschlag begrüßt" hätten die Beamten die fast 60-köpfige Mästerwehr, so Schulze. Dann nahmen sie die Personalien der BesetzerInnen auf. Dennoch werde gegen die Landwirte nun wegen Landfriedensbruchs ermittelt, so die Polizeisprecherin. Einen Besetzer nahm die Polizei kurz in Gewahrsam. Der habe "einen Spaten erhoben", und die Einsatzkräfte hätten das als Widerstandshandlung gewertet.

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10 Kommentare

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  • E
    Ermittlungsausschuss

    Ermittlungsausschuss Teplingen

     

    Wir bitten um Hinweise und Zeugenaussagen zu den Geschehnissen in Teplingen.

    Fotos, Videos und Hinweise bitte an:

    sicher-wend@online.de

    Tel: 0175 - 251 7555

    Angaben werden vertraulich behandelt!

  • B
    Beobachter

    wenn mensch am sonntag sich in der nähe oder auf dem feld befand und mit den aktivist_innen geredet hätte,dann hätte er mehr über die motive der besetztung erfahren.

    genauso wie das die sogenannten tripods(dreibein),

    holzhütten sowie ein kühlschrank(erdloch)

    per hand mit hilfe von sparten,hammer und nagel erichtet wurde.

    es ist nicht nur eine meinung sondern eher eine alternatives mit einander leben das herschende verhältnisse kritisiert.

    dies ist daran zu erkennen, dass die aktivisten in plenas(konsensentscheidung) sowie bei der ernährung auf alle tierischen produkte verzichtet wird(vegan- kein fleisch, kein fisch, keine milch, keine eier)

    die besetzter_innen versuchten mehrfach das gespräch mit den mäster_innen auf zunehmen, was schwierig bis unmöglich war, da die sich selbsternannten Agrarindustrieelen mit holzlatten sowie schlagenden "agumenten" ins gespräch gingen.was immer damit endete das polizei autauchte und anzeigen aufgenommen wurden.

    es ist davon auszugehen ,das sich mäster, unterstützer_innen, baufirmen sowie abnehmer(Schlachtfabriken,supermarkt ketten,konsumenten)auf störungen jeglicher art einstellen müssen.

    hiermit spreche ich mich gegen die inbetriebnahme des schlachthofes in wietze(landkreis celle)sowie die dazu benötigten mastanlagen aus.

    ihr seid nicht allein.

  • A
    Anna

    Ich begrüße die eifrige "Arbeit" der guten Aktivisten gegen die geplante und anscheinend schon fast entstehende Mastfabrik. Danke für Euren Mut und Engagement! Ich bin entsetzt über die Pläne.

     

    Die Menschen haben keine Ahnung, von dem was sie in sich reinstopfen und wahllos in den billig-Supermärkten kaufen. Das "Fleisch" ist doch längst keine gutes mehr, sondern von einfach nur schnell hochgezüchteten Viechern, mit Antibiotikern im Voraus wahllos "behandelt". Die Arbeit, welche hinter der Landwirtschaft steckt wird nicht bezahlt und schon längst natürlich nicht der Wert des einzelnen getöten und gegessenen Tieres gesehen. Menschen, die mit Tieren so umgehen, können zu Menschen doch nicht viel besser sein, oder?!

  • G
    grafinger

    Könnte man auch als selbstkritische Gewaltanwendung gegen eine drohende Gentrifizierung im Sinne einer sozioökonomischen Umstrukturierung auslegen.

    grafinger

  • AW
    axel wartburg

    Immer wieder interessant, einen "sozial-ökologischen Kapitalisten" in Aktion zu sehen.

     

    Doch so lange noch immer so viel Menschen den Frass zu sich nehmen, den solche Menschen unter dem Pseudonym "Fleisch" prduzieren und auf den "Markt" bringen...

     

    ...einfach weiter machen. Irgendwann wachen zwar auch die Tauben und Blinden auf. Doch bis dahin kann ja noch mancher Euro auf Kosten von Mensch und Natur gemacht werden, oder?

     

    Aber bitte nicht wundern, wenn es "Lack" von denen gibt, die sich so lange so viel haben bieten lassen, ja?

     

    Herzliche Grüße

  • IJ
    Ihr JHu

    Genau das ist der Knackpunkt: Spaten gegen Traktor.

    Ersteres ist Gewalt gegen den Staat = Terrorismus.

    Zweiteres ist im höchsten Fall Landfriedensbruch. Auch wenn dabei ein paar Demonstranten weggeschoben wurden.

     

    Der Grundsatz der "Verhältnismäßigkeit der Mittel" ist, siehe Dresden, nur noch eine pro-forma-Regelung. Eigentlich schade, aber ganz und gar typisch für einen Überwachungsstaat.

  • H
    Helen

    Ich denke es ist Aufgabe des Staates die Rechte des Eigentümers zu wahren. Warum hat die Polizei das Grundstück nicht komplett geräumt? Ich finde es traurig wenn man das Recht selber in die Hand nehmen muss. Geht wohl nicht anders.

  • G
    GreenHU

    Richtig so. Die selbsternannten Aktivisten terrorisieren wahllos und ohne Rücksicht auf individuelle Schicksale. Ich hoffe, die deutsche Justiz greift bei derartigen Aktionen in Zukunft härter durch.

  • J
    Junghans

    Tja, wenn Städter auf Landmenschen treffen ist die Verwunderung doch manchmal groß. Aber darüber können sich die Aktivisten ja dann am Wochenende zurück in Berlin bei einem Hähnchenschlegel im City Chicken austauschen.

  • V
    Vertreibung...

    Ja, nee, ist klar. Vertreibung.

    Das ist ein Begriff kurz vor dem Progrom, wenn Bevölkerungen aus ihrer Heimat vertrieben werden. Auf ein paar Leute, die illegal das Eigentum anderer besetzen, trifft das nicht zu. Der gesuchte Begriff hier ist Räumung. Und genau die hätte die Polizei durchführen müssen. Tut sie das nicht, handelt es sich um einen fortgesetzten Angriff auf das Eigentum des Landwirtes. Und dagegen darf er sich wehren, mit verhältnismäßigen Mitteln. Da die Besatzer offensichtlich Maschinen nutzten, um Überwachungstürme zu errichten und drohten, Spaten als Waffen zu verwenden, sehe ich hier keine Probleme.